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tec21 2006|16
Patentierte Architektur
tec21 2006|16
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Hochstapeln

Hans Zwimpfer nennt es ein Architekturkonzept. Er liess es auf seinen Namen als Patent in Europa und den USA anmelden. Verkauft wird es als Antwort auf die zunehmende Zersiedelung der Landschaft. „Pile up“ stapelt Einfamilienhäuser.

13. April 2006 - Ivo Bösch
Ein Wohnhaus nach dem geschützten „Pile up“-Konzept besteht nur aus Geschosswohnungen - also keinen Maisonette-Wohnungen, obwohl jede Wohnung einen zweigeschossigen Wohnraum und einen eingezogenen zweigeschossigen Aussenraum besitzt. Das Patent gilt für die Realisierung in allen möglichen Gebäudetypologien. Kennzeichnend ist weiter der offene Grundriss der Wohneinheiten. Bis anhin musste die Zapco - so Zwimpfer - immer noch nachweisen, dass eine konventionelle Wohnung darin untergebracht werden kann. Aber er wolle die Schweiz „erziehen“. Deshalb kosten die Zwischenwände jetzt extra. Für die Entwicklung - ein Modell im Massstab 1:1 inbegriffen -, Patentierung und Vermarktung wurden rund eine Million Franken aufgewendet.
Die Realisierung des Konzeptes übernimmt eine wieder aktivierte Firma, die Hans Zwimpfer zu Beginn der 1970er-Jahre als Tochterfirma von Zwimpfer Partner gegründet hatte, um Aufträge in Saudi-Arabien auszuführen. Zwimpfer bezeichnet die Zapco als Developer, der alle Aufgaben des Planungs-, Bauvorbereitungs- und Baudurchführungsprozesses übernimmt. Sie tritt bisher immer auch als Bauherrin auf. In Vorbereitung ist ein zweites Patent, das aber laut der Geschäftsleiterin Tina Puffert eine Ergänzung des bestehenden Patentes ist. Sie möchte es als Forschung und Produktentwicklung verstanden wissen.

Rheinfelden, Zug, Mendrisio und Neuhausen

Im Bau ist eine Siedlung in Rheinfelden mit 24 Wohneinheiten, die ab Mai bezogen werden (111-210 m², Preis: 600000-990000Fr.). Mit dem Bau der zweiten Siedlung in Zug mit 28 Einheiten wird im Mai begonnen. Mitbeteiligt sind die Zuger Kamm Architekten. Für ein weiteres Projekt in Rheinfelden mit 46 Einheiten ist das Baugesuch eingereicht, genauso wie für eine Überbauung in Mendrisio mit 38 Einheiten. Die fünfte Siedlung mit 32 Wohnungen wird in Neuhausen am Rheinfall entstehen. Die Baueingabe wird Mitte Mai eingereicht. Konkrete Verhandlungen für weitere Grundstückskäufe bestehen im Raum Schaffhausen. Daneben arbeitet die Zapco mit Tobias Nissen zusammen für ein Projekt in Schweden. In Wien soll es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis ein geeignetes Grundstück von einem österreichischen Partner gefunden wird, das auch mit einem „Pile up“ bebaut werden kann.

Verletzung des Patentschutzes?

Noch hängig ist der Fall, in dem Hans Zwimpfer dem atelier 10:8 vorwirft, es habe im Wettbewerb für die Wohnüberbauung Guggach in Zürich die Idee des „Pile up“ in wesentlichen Punkten kopiert. Das Büro von Georg Rinderknecht, Katrin Schubiger und Jürg Senn hatte mit seinem Vorschlag den zweiten Preis erhalten. Zwimpfer ärgert sich, weil sein Büro sich mit der „Pile up“-Wohnüberbauung in Rheinfelden um die Teilnahme am Wettbewerb beworben hatte, in der Präqualifikation aber ausschied. „Im Nachhinein - in Anbetracht der erfolgten Jurierung - scheinen uns die Kriterien der Vorauswahl äusserst fragwürdig“, schreiben Hans Zwimpfer und Tina Puffert in einem Brief an die Redaktion. Jürg Senn vom atelier 10:8 sagt gegenüber tec21, dass sie das Projekt von Hans Zwimpfer nicht gekannt hätten und durch den Vorwurf des Patentmissbrauchs vor den Kopf gestossen wurden. Für den Wettbewerb hätten sie eine eigene, ortsspezifische Lösung entwickelt, die in Schnitt und Grundriss kaum Gemeinsamkeiten mit dem System „Pile up“ aufweise. Zwischen den Parteien findet ein Vermittlungsgespräch statt.


Zusatz:

Aus der Europäischen Patentschrift EP1455033B1
"Wohnhaus mit gestaffelten Wohnungen basierend auf der Bauweise mit einer Gebäudehülle und einer durch Säulen und Tragbalken geprägten Konstruktion; welche Geschossflächen und Dach trägt und einem räumlichen, mehrfach staffelbaren Angebot für Wohnungen mit offenem Grundriss und für jede Wohneinheit individuellen Wünschen anpassbarer Wohnfläche, dadurch gekennzeichnet, dass…

1) …eine Wohnung aus einem eingeschossigen Wohnungsteil und einem zweigeschossigen Wohnungsteil besteht, wobei die Grundfläche des eingeschossigen Wohnungsteiles mindestens die Fläche der Grundfläche des zweigeschossigen Wohnungsteiles aufweist und letzterer aus einem einer Fassade zugewandten Aussenraum und einem Innenraum besteht.

2) …in einem Wohnhaus der zweigeschossige Wohnungsteil aller gestaffelten Geschosswohnungen die gleiche Grundfläche aufweist.

3) …jeweils über einem eingeschosssigen Wohnungsteil mit derselben Wohnfläche der eingeschossige Wohnungsteil der darüber liegenden Wohneinheit angeordnet ist.

4) …die Grundfläche einer Wohneinheit des eingeschossigen Wohnungsteiles beliebig erweitert werden kann, wobei die darüber liegende Wohnung dieselbe Fläche des eingeschossigen Wohnungsteiles aufweist.

5) …im Erdgeschoss über die ganze Fläche ein offener Grundriss und gleiche Deckenhöhe vorgesehen ist.

6) …die unteren Stockwerke über die ganze Fläche einen offenen Grundriss und über jeweils ein Stockwerk gleiche Deckenhöhe aufweisen.

7) …über den unteren Stockwerken, welche jeweils pro Stockwerk gleiche Deckenhöhe aufweisen, gestaffelte Geschosswohnungen aufgebaut sind."

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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