Zeitschrift

werk, bauen + wohnen 10-11
Ordnung - Unordnung
werk, bauen + wohnen 10-11
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
«Architecturer c’est mettre en ordre.» Le Corbusiers geflügeltes Wort stellt nicht nur die moderne Architektur in einen Bezug zu den antiken Säulenordnungen, sondern es proklamiert vor allem, dass der Architekt mit hoher Moral Ordnung ins Chaos der Welt bringt. Dieser weltenschöpferische Anspruch lag um 1930 auf der Hand. Besieht man sich eine Baustelle, den eigenen Arbeitstisch oder die Entwicklung einer Stadt heute in Schnappschüssen, so halten sich Unordnung und Ordnung stets gegenseitig in Schach – und auch über längere Zeit betrachtet steht der Wettstreit unentschieden. Heute und angesichts dieser Feststellung wirkt Le Corbusiers Ausspruch wie eine Donquichotterie. Gerade die Technikwissenschaften, auf die sich Le Corbusier demonstrativ berief, zeigen, dass sich die Komplexität der Welt nicht durch blosses Aufräumen meistern lässt. Komplexe Gegenstände – und hier sind Bauten wie Städte mitzuzählen – gehorchen Mechanismen, die jeder für sich eine eigene Geschichte haben und die deshalb zur Eigendynamik neigen. Um alle Eventualitäten bei der Konzeption eines Bauwerks berücksichtigen zu können, ist Entwerfen also besser als ein evolutionärer Prozess zu verstehen, der keinem im Voraus definierten Ziel und somit keiner vorher bekannten Ordnung folgen kann. Mit anderen Worten: Für jede Aufgabe in der Architektur muss im Laufe des Prozesses selber ein bestimmtes Verhältnis zwischen Unordnung und Ordnung gefunden werden.
Das vorliegende Heft trägt dieser Suche Rechnung, indem es in einem imaginären Koordinatensystem zwischen den Polen Individuum und Gesellschaft sowie Bau und Werk nach einem kritischen Verhältnis zwischen Ordnung und Unordnung forscht – kritisch im Sinne einer kritischen Spannung, ab der eine Kettenreaktion in Richtung Architektur einsetzt. Der einleitende Beitrag von Andreas La Roche und Tibor Joanelly sucht dieses Moment auf gesellschaftlicher Ebene im Streit zwischen technischen Normen und kreativer Freiheit, während Wolfgang Ullrich nach den Ausprägungen privater Unordnung fragt. Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker zeigen anhand einiger Bauten in ihrem Werk, wie zwischen bewusster Entwurfsstrategie und intuitivem Suchen ein organisches Ganzes entstehen kann. Axel Sowa forscht im Frühwerk von David Chipperfield nach den Anteilen an Spezifischem und Allgemeinem, um einen Punkt des Common Sense festzumachen. Anhand zweier Bauten zeigen wir, wie bestimmte Aspekte von Unordnung ihre in Beton gegossene Ordnung finden. Und Christian Salewski untersucht das für eine nachhaltige und lebendige Stadt kritische Grössenverhältnis einzelner Parzellen.
Allen Beiträgen gemein ist, dass in den beschriebenen Gegenständen auf das jeweils spezifische Verhältnis zwischen Ordnung und Unordnung eingegangen wird. Frei nach Le Corbusier müsste man also heute sagen: «Architecturer c’est negocier l’ordre».

Andreas La Roche und Tibor Joanelly
Ordnung von unten: Fünf Freiheiten einer Architektur in Zeiten zunehmender Normierung

Thomas von Ballmoos und Bruno Krucker
Raumform und Bauform: Zum Potenzial «befreiter» Grundrisse

Christian Salewski
Pluralismus und Parzellen: Der Stadtgrundriss als Ordnungssystem

Axel Sowa
Bewegungsraum und Erlebnisdichte: Zu David Chipperfields Frühwerk

Caspar Schärer
Kontrollierte Verbrennung: Brandhaus II in Opfikon von Staufer & Hasler Architekten

Anna Schindler
Baugesetz wird Gestalt: Wohnhaus in Zürich von Fuhrimann Hächler Architekten

Wolfgang Ullrich
Formen der Unordnung

Forum
Orte: Alex Hanimann
EFH: Wohnhaus in Giswil 2010 von Huggenbergerfries Architekten, Zürich
Wettbewerb: Musée Cantonal des Beaux-Arts, Lausanne
Zum werk-material: Neubau Alters- und Pflegezentrum in Stäfa und Résidence et Domaine Le Littoral in Bevaix
Umbau der Tour Moinat in Echandens VD durch 2b architectes
Innenarchitektur: Shop-Konzept von migrolino
Bücher: Eine foto-ethnografische Untersuchung in Berlin, Shanghai, Tokyo und Zürich
Ausbildung: «WohnRaum» – Ein Lehrmittel für die Schule
Ausstellung «Zürcher Baumeisterhäuser» im Haus Zum Rech, Zürich
In eigener Sache: Ein Dank an Anna Schindler
Ausstellung: Ernst May (1886-1970). Neue Städte auf drei Kontinenten. DAM
bauen rechnen: Wachstumstrends in der Dienstleistungsbranche
bauen rechten: Varianten der Baupflicht
Service: Ausstellungen | Veranstaltungen | Produkte

werk-material
GeninascaDelefortrie SA: Résidence et Domaine Le Littoral, Bevaix
Bob Gysind Partner BGP Architekten: Alterszentrum Lanzeln, Stäfa

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Verlag Werk AG

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