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Metamorphose 06/11
Wohnen im Denkmal
Metamorphose 06/11
zur Zeitschrift: Metamorphose
Fokus: Wohnen im Denkmal

„Nur wem ein Werk der früheren Zeit lebendige Gegenwart ist, wer gelernt hat, seine Sprache zu hören und ihr mit dem eigenen Werke zu antworten, wird ihm gerecht. (…) Ihm ist Denkmalpflege keine Behörde, mit der man sich zankt.“
(Rudolf Schwarz, 1958 [1])


Als Architekt sitzt man häufig zwischen den Stühlen, wenn es um bewohnte Denkmale geht. Dem öffentlichen Interesse am möglichst authentischen Erhalt eines Bauwerks steht das private Interesse des Eigentümers nach zeitgemäßen Wohnstandards und vertretbaren Instandsetzungskosten gegenüber. Im Interview erläutert Rechtsanwalt Klaus Füßer, was Planer aus rechtlicher Sicht beachten sollten.

> Herr Füßer, wie viel Eigentumsschutz verträgt der Denkmalschutz? Wie lässt sich beides vereinbaren?
Die Verhältnisse sind hier seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1999 geklärt, und zwar genau umgekehrt, als es Ihre Frage andeutet: Weil das Eigentum nach Artikel 14 des Grundgesetzes verfassungsrechtlichen Schutz genießt, sind dem staatlichen Zugriff Grenzen gesetzt. Zwar kann der Staat für besonders gewichtige Gemeinwohlbelange das Eigentum sogar enteignen. Er muss den Betroffenen dann aber entschädigen, was regelmäßig durch Geldzahlung in Höhe des Verkehrswerts des entzogenen Objekts geschieht. Auch ansonsten müssen sich die Eigentümer im Rahmen der sogenannten Sozialpflichtigkeit ihres Eigentums gefallen lassen, dass ihnen der Gesetzgeber Lasten auferlegt, also ihre Gestaltungsfreiheit einschränkt. Dies geschieht im Bereich des Grundeigentums beispielsweise durch Vorschriften des Bauplanungs-, Bauordnungs-, Naturschutz- oder eben des Denkmalrechts.

> Wie sehen diese Einschränkungen durch das Denkmalrecht im Einzelnen aus?
Es gibt Ge- und Verbote für den Erhalt und die Umgestaltung eines Bauwerks, wenn es unter eine der „Denkmalkategorien“ fällt, die im jeweiligen Landesdenkmalschutzgesetz definiert sind. Den stärksten Einschränkungen unterliegt ein Gebäude, wenn es aus bau- oder architekturgeschichtlichen Gründen denkmalfachlich bedeutsam erscheint und diese Bedeutung es rechtfertigt, den weitgehend unveränderten Erhalt des Baudenkmals zu fordern. Das nennt man dann Substanzschutz. Es gibt aber auch Vorschriften, die sich darauf beziehen, dass das Baudenkmal als Teil eines bestimmten städtebaulichen Ensembles in eine „Denkmalzone“ einbezogen wird und dann vor allem in seiner äußeren Erscheinung geschützt werden muss. Schließlich regeln Vorschriften des Umgebungsschutzes, dass auch im räumlichen Umfeld von Baudenkmalen nicht so gebaut werden darf, dass es zu einer indirekten Beeinträchtigung des Denkmals kommt, indem ihm gleichsam der Wirkraum genommen oder dieser verunstaltet wird. Bei all dem soll natürlich das Interesse des Eigentümers an seiner Gestaltungsfreiheit nicht unbotmäßig „unter die Räder kommen“ – man nennt das den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

> Was gilt denn als verhältnismäßig – und was nicht?
Keineswegs ist es so – auch wenn übereifrige Behördenmitarbeiter das manchmal glauben machen wollen –, dass fast jegliche bauliche oder gestalterische Veränderung des Baudenkmals verboten ist. Zunächst einmal darf die Behörde – wie die Verwaltungsgerichte immer wieder betonen – nur diejenigen Veränderungen untersagen, die im Lichte der Gründe der Unterschutzstellung überhaupt von Relevanz sind. Genießt ein Gebäude beispielsweise lediglich wegen seiner stadtbildprägenden Bedeutung Schutz, so sind Veränderungen im Gebäudeinneren weniger kritisch. Soll das Denkmal hingegen das Wirken eines bestimmten Baumeisters dokumentieren, kann die Behörde viel weiterreichende Forderungen stellen. Insofern ist es wichtig, sich vor der Planung genau über die Gründe zu informieren, die zur Unterschutzstellung geführt haben.
Dazu kommt, dass die Denkmalbehörde keineswegs verpflichtet ist, alle Änderungen des Baudenkmals oder seiner Umgebung abzulehnen – manchmal muss man freilich auch dies den Mitarbeitern erst erklären. Vielmehr haben die Behörden sogar im Bereich der denkmalschädlichen Veränderung einen Ermessensspielraum, d. h. sie können die betreffende Veränderung eines Baudenkmals untersagen, müssen es aber nicht; und der Betroffene kann verlangen, dass sie ihr Ermessen sorgfältig ausüben. Hier können sich Planer profilieren: Sie haben die Möglichkeit, durch eine gelungene Planung „im Sinne der zentralen Aussage des Denkmals“ Überzeugungsarbeit zu leisten. Hilfreich können hier auch „Gegengeschäfte“ sein: Da der Eigentümer rechtlich nicht zur Verbesserung des Baudenkmals verpflichtet ist, kann er anbieten, dem Denkmal freiwillig etwas Gutes zu tun, indem er bestimmte Wünsche der Denkmalpflege zur aktiven Restaurierung erfüllt; dieses Angebot wiederum kann die Denkmalbehörde dann zum Anlass nehmen, an anderer Stelle einen Kompromiss einzugehen, etwa eine umstrittene Dachgaube zuzulassen.

> In den Denkmalschutzgesetzen der Bundesländer findet sich eine Klausel, dass der Erhalt des Denkmals für den Eigentümer „wirtschaftlich zumutbar“ sein muss. Diese Formulierung bietet reichlich Interpretationsspielraum und lädt beide Seiten ein, sie jeweils im eigenen Sinne auszulegen. Lässt sich hier eine präzise Grenze ziehen? Was ist dem Eigentümer zuzumuten und was nicht?
Das Schlagwort der „wirtschaftlichen Unzumutbarkeit“ ist im Kontext des eingangs Gesagten zu sehen. Das Bundesverfassungsgericht hat seinerzeit Eines verdeutlicht: Das Resultat der dem Staat zustehenden Inhaltsausgestaltung des Eigentums im Denkmalschutz darf nicht darauf hinauslaufen, dass dem Eigentümer sein Eigentum gleichsam nur noch als „leere Hülle“ bzw. reine Last verbleibt, mit der er praktisch nichts mehr anfangen kann. In der Alltagspraxis haben das manche Behörden gerade im Bereich des Denkmalschutzes so verstanden, als reiche es, wenn der Eigentümer mit dem Denkmal irgendetwas anfangen könne und sei es auch in einer Weise, die sich im Vergleich zu anderen Lösungen – zum Beispiel der anderweitigen Befriedigung des Wohnbedürfnisses – als komplett unwirtschaftlich darstellt. In weiteren Entscheidungen zu anderen Bereichen, etwa dem Naturschutz, Bodenschutz und Mietrecht, hat das Gericht aber verdeutlicht, dass es damit eine ökonomische Betrachtungsweise meint, die sich im Übrigen nicht auf den Eigentümer als Person bezieht, sondern auf die betreffende Liegenschaft.
Die ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte folgt dem. Sie betont aber zunehmend, dass es nicht auf die jeweilige Momentsituation des Marktes, sondern auf eine eher langfristige, nachhaltige Betrachtung ankommt. Danach darf mit Respekt vor Artikel 14 des Grundgesetzes dem Eigentümer nicht zugemutet werden, über eine Immobilie zu verfügen, die nachhaltig auf ein Verlustgeschäft hinausläuft, z. B. mit Blick auf anfallende öffentliche Abgaben und Unterhaltslasten, denen keine Perspektive von Erträgen gegenübersteht.

> Mit dieser Argumentation ist es doch ein Leichtes, nahezu jedes Denkmal totzurechnen.
Nein, der Eigentümer muss sich schon umfassende und kreative Gedanken machen, wie im Rahmen der vorgegebenen Restriktionen zumindest eine „schwarze Null“ möglich ist, er muss beispielsweise auch eventuell bestehende Fördermöglichkeiten in Anspruch nehmen. Zugemutet werden darf dem Eigentümer aber nur ein Umfang an denkmalrechtlichen Restriktionen, der insofern hinreichenden Spielraum belässt. In manchen Denkmalschutzgesetzen findet sich hierzu eine ausdrückliche Regelung, z. B. in § 7 Absatz 3 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes. Aber auch sonst werden diese Grundsätze – Juristen nennen das verfassungskonforme Interpretation – in das jeweilige einfache Gesetzesrecht einfach hineingelesen. Wird diese Schwelle überschritten, steht dem Eigentümer ein Anspruch auf den Abriss des Denkmals zu, sofern ihm weder die nötigen Veränderungen des Baudenkmals gewährt werden, noch eine angemessene Entschädigung gezahlt wird, mit der sich die übernommene Last in Höhe der zu erwartenden Verluste ausgleichen lässt, und sofern die öffentliche Hand auch nicht zur Übernahme des Denkmals bereit ist. Die Einzelheiten sind so kompliziert, dass es sich empfiehlt, im konkreten Fall einen mit solchen Fragen vertrauten Immobilienfachwirt, Bausachverständigen oder eben Fachanwalt zu konsultieren. Auch taktisch kann man in solchen Fällen viel falsch machen, daher ist anzuraten, schon frühzeitig einen Anwalt einzuschalten, spätestens sobald man den Ablehnungsbescheid der unteren Denkmalschutzbehörde (bzw. des Bauamtes) in Händen hält.

> Wie sieht es sonst mit für den Denkmalschutz hinzunehmenden Restriktionen aus? Welche rechtlichen Vorgaben muss man insbesondere als Planer im Vorfeld beachten, wenn man in einem Denkmal Wohnraum schaffen möchte?
Grundsätzlich stehen die verschiedenen öffentlichen Anforderungen an die bauliche Nutzung gleichrangig nebeneinander. Es gibt also nicht etwa ein absolutes „Prä“ für den Denkmalschutz in dem Sinne, dass er sich beispielsweise gegenüber Vorschriften des Bauordnungsrechts durchsetzen würde, etwa im Bereich geforderter Deckenhöhen, Tür- und Treppenbreiten, auch nicht gegenüber den Anforderungen des baulichen Brandschutzes oder im Bereich der Energieeinsparverordnung. Vielmehr müssen die verschiedenen, zum Teil konkurrierenden Anforderungen mit den legitimen Anforderungen des Denkmalschutzes durch die Gewährung von Ausnahmen und Befreiungen nach den jeweiligen Vorschriften zu einem vertretbaren Kompromiss geführt werden. Hierbei gilt: Je stärker und je dringlicher es bezogen auf die jeweils im Raum stehende Verordnung um Gefahrenabwehr geht, desto eher müssen dann auch denkmalrechtliche Vorgaben weichen.

> Vereinfacht ausgedrückt: Im Zweifel schlägt Brandschutz den Denkmalschutz.
Wenn Sie so wollen, ja. Diese Aufgabe, hier den richtigen Kompromiss zu finden, liegt aber nicht allein oder primär beim Bauherrn oder beim Planer. Auch die beteiligten Behörden müssen einen Beitrag leisten, ihre interne Beratung und Abstimmung ist gefordert. Um sie dazu zu zwingen, gibt es verfahrensrechtliche Kniffe, die dem erfahrenen Baujuristen bekannt sind. Schließlich gilt das zuvor Gesagte: Im Ergebnis darf für den Eigentümer maximal ein „Korsett“ an Restriktionen herauskommen, mit dem er auch aus Sicht der bereits genannten, rein wirtschaftlichen Betrachtung noch leben kann.

> Wie steht es um den Einsatz von erneuerbaren Energien? Hat man als Bauherr einen „Rechtsanspruch“ darauf, an seinem Denkmal Solarkollektoren oder Photovoltaikanlagen zu installieren und dadurch Energie einzusparen?
Das ist spannend, gerade auch im Kontext der soeben angestellten Überlegungen: Nach stärkerer Zurückhaltung in der Vergangenheit sind momentan Anzeichen dafür erkennbar, dass die Verwaltungsgerichte in Zukunft eher dazu neigen dürften, hier den Denkmalen auch einmal mehr zuzumuten – wahrscheinlich im Sinne eines Beitrags zur effektiven Energiewende. Erst im September hat beispielsweise der Baden-Württembergische Verwaltungsgerichtshof eine Entscheidung getroffen, bei der man den erhobenen Zeigefinger gegenüber den Denkmalbehörden förmlich heraushört: Demnach sehe der „für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossene Durchschnittsbetrachter“, der für die Beurteilung maßgeblich ist, Photovoltaikanlagen nicht mehr als so kritisch an wie früher, das Empfinden habe sich insofern im Sinne größerer Toleranz gewandelt. Im Übrigen müsse auch der Umstand, dass Belange des Klimaschutzes inzwischen mit Verfassungsrang ausgestattet seien, bei der Abwägung durch die Denkmalbehörden berücksichtigt werden.
Es bleibt abzuwarten, ob die Oberverwaltungsgerichte anderer Länder dieser neuen Akzentsetzung folgen und wie die Denkmalbehörden hierauf reagieren. Im Übrigen spielt das Thema natürlich auch in die erwähnte denkmalrechtliche Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hinein: Bei Energiekosten, die vermutlich in den kommenden Jahren explodieren, wird es immer schwieriger werden, ineffiziente Gebäude am Mietmarkt zu platzieren, da für die Mieter die Warmmiete entscheidend ist. Wie gesagt: Dem Eigentümer kann nur zugemutet werden, ein Denkmal zu erhalten, wenn es sich auch bei Fremdnutzung am Markt platzieren lässt. Wollen die Denkmalbehörden verhindern, dass sie am Ende das geschützte Objekt ganz preisgeben müssen, liegt es an ihnen zu überlegen, an welcher Stelle sie im Rahmen einer Wiedernutzbarmachung oder Umgestaltung eines Denkmals „nachlassen“ wollen.


[Klaus Füßer ist seit 1995 als Rechtsanwalt tätig, 1997 gründete er seine eigene Kanzlei RAe Füßer & Kollegen in Leipzig. Er ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und engagiert sich seit vielen Jahren im Bereich des Denkmalrechts für Privatleute und Wohnungsbaugesellschaften. Daneben ist er publizistisch und in der Fortbildung tätig. Publikationen von Füßer zum Thema finden sich unter: www.fuesser.de]


Anmerkungen:
[1] Rudolf Schwarz: Gedächtnisausstellung des BDA Köln, gefördert von der Akademie der Künste Berlin. Ausstellungskatalog, Heidelberg 1963, S. 25

Bestandsaufnahme
06-09 | Dramatische Durchdringung: Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Dresden
10-15 | Aktuelles
16 | Bücher
17 | Termine

Wohnen im Denkmal
18-21 | Wohnen im Denkmal: Baurechtliche Fragen zum Denkmalschutz
22-27 | 01 Haus mit zwei Gesichtern: Einfamilienhaus, Driebergen (NL)
28-31 | 02 Der Parasit: Tour Moinat, Echandens (CH)
32-35 | 03 Wellengang unterm Dach: Zweifamilienhaus, Madulain (CH)
36-41 | 04 Fenster in die Vergangenheit: Altstadtgebäude, Passau
42-47 | 05 Wohnmaschine mit Glamour: Siedlung Park Hill, Sheffield (GB)

Technik
48-53 | Technik aktuell – Flexibel gestalten: Statische Optimierung von Holzkonstruktionen
54-57 | Energetische Sanierung – Sonne bunkern: Wärmespeichervermögen von Außenwänden
58-59 | Historische Bautechnik – Vom Profil zum Ornament: Stuckarbeiten an Fassaden und in Innenräumen

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