Zeitschrift

TEC21 2012|9
Vom Hopfen zum Bad
TEC21 2012|9
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Schlund über Gewölbe

Wie ein roter Faden zieht sich das Verständnis für die historischen Gebäude durch den Umbau der ehemaligen Brauerei Hürlimann in Zürich zu einem Hotel mit Spa. Und in den neuen Teilen überraschen Althammer Hochuli Architekten und die Innenarchitektin Ushi Tamborriello mit eigenständigen Architekturelementen, die sich subtil in die historischen Bauten einfügen.

24. Februar 2012 - Danielle Fischer
Die Brauerei Hürlimann in Zürich wurde 1997 stillgelegt. Der oberirdische Teil ihrer Kernanlage besteht aus Sudhaus, Maschinenhaus und Kühlschiff (vgl. Abb. 3 und 4 und «Wellness in der Brauerei» S. 18). In diesem historischen Ensemble wird bald ein Hotel eröffnet. Bereits in Betrieb ist das neue Thermalbad mit irisch-römischem Bad in den Gewölbekellern. Über dem Bad liegen die drei Stockwerke mit Hotelzimmern und – für die Badegäste durch einen Schnelllift mit dem Untergeschoss verbunden – das Restaurant (Abb. 2) sowie ein Aussenbad auf dem Dach (Abb. 1).

Vom Bestand ausgehend

In einer ersten Planungsphase gingen der Architekt René Hochuli, die Innenarchitektin Ushi Tamboriello und der Bauingenieur Bruno Patt während mehrerer Wochen durch die Räumlichkeiten und studierten die Altbausubstanz. Diese Begehungen waren notwendig, um eine konzeptionelle Grundhaltung zu entwickeln. Sie beschlossen, das bauliche Konglomerat, das sich schwerlich in seine Komponenten zerlegen liess, als eine Ganzheit zu betrachten und nicht einer bestimmten zeitlichen Schicht den Vorzug gegenüber einer anderen zu geben (vgl. «Wir sahen uns als Spurensucher», S. 26). Als Erstes liessen sie die Wände von Verputz und Verkleidungen befreien und ihre Grundsubstanz freigelegen (vgl. «Über einen Umweg ans Ziel», S. 30). Während des Umbaus musste dann bei jedem Eingriff entschieden werden, ob das jeweils betroffene Element für die künftige Nutzung wichtig und ob es historisch relevant war. Wo sich die Antworten auf diese Fragen nicht deckten, mussten manchmal nachträglich die Funktionen angepasst oder gar weggelassen werden. So wurde zum Beispiel aus Platzmangel auf Solarien verzichtet. Solche Änderungen erfolgten nicht in einem einmaligen Planungsschritt, sondern laufend während des gesamten Bauprozesses.

Integrativ mit Fugen

Formal heben sich die neuen architektonischen Eingriffe von der Altbausubstanz ab, zwischen Alt und Neu wird eine Fuge gesetzt, wie Ushi Tamboriello sagt. Im Unterschied zu Projekten, wie man sie aus den 1980er-Jahren kennt, die Alt und Neu einander didaktisch gegenüberstellen, fügen sich die Eingriffe bezüglich Haptik, Farb- und Materialwahl jedoch integrativ in die historischen Räume ein. Sie ergänzen diese und relativieren das gewählte Konzept des Sich-Abhebens. Die historische Substanz dient nicht als dekoratives Hintergrundbild, und die neuen Elemente treten nicht markant aus dem Gesamtbild hervor. Ein variantenreiches Thema sind die neuen Holzeinbauten in der ganzen Anlage, beispielsweise in der 30 000 Bücher fassenden Hotelbibliothek im Erdgeschoss. Ihre rund 9 m hohen Regale kleiden den gesamten Raum bis auf die Fenster aus. Im Spa sind die Garderoben («Wir sahen uns als Spurensucher», Abb. 2, S. 27) als schatullenartige Holzeinbauten mit Schränken und Spiegeltischen in die Gewölberäume eingefügt. Spektakulär sind die in den Gewölbekeller eingebauten Schwimmbottiche aus Lärchenholz, die an die einstigen Gärbottiche erinnern. Die mit Stramin bezogenen Wände im Hotel passen gut zu den historischen Bauten. Das Netzmaterial, das bis um die Jahrhundertwende für die Verkleidung von Wandflächen im Wohnungsbau verwendet wurde, wird heute noch als Basis für Gobelinstickereien hergestellt.

Ein Neues inneres System

Die Hotelzimmer im Sudhaus sind kranzartig entlang der denkmalgeschützen Fassade angelegt. Jedes Zimmer hat eine andere Grundfläche, Anzahl und Position der Fenster variieren. Die Nasszelle aus Bad, Toilette und Garderobe ist die einzige eingebaute Standardeinheit. In der Mitte des Sudhauses liegt ein Konferenzraum mit einem Lichtschacht darüber, dessen Grundriss ein unregelmässiges Polygon bildet. Seine Wände sind in jeder Etage unterschiedlich schräg. Über Fenster im Schacht sind Blickkontakte zu den anderen Etagen möglich. Ein Oberlicht, das mitten im Dachbad liegt und mit Badewasser geflutet ist, wirft ein bewegtes Lichtspiel auf die Schachtwände. Das Dachbad ist der schönste Teil der Anlage. Vom Wasser aus hat man einen Blick über die Stadt (vgl. äusseres Titelbild und Abb. 1). Von der Dachlandschaft (Abb. 1) führt ein hügelförmiges, mit Holzlatten verkleidetes Portal hinunter ins Restaurant. Das Becken ist ins Zentrum des darunter liegenden Stockwerks abgesenkt.

Dort gliedern Holzeinbauten, die die technischen Installationen enthalten, den Raum (Abb. 2). Dachbad, Lichtschacht und Restaurant bilden ein neues System, das sich von der übrigen Architektur, die weitgehend aus Altbausubstanz besteht, abhebt. Der gestalterische Grundton verleiht der Anlage eine angenehme atmosphärische Dichte. Die Eingriffe auf dem Dach und auf den Etagen erzeugen zusammen mit der städtischen Umgebung und der historischen Anlage vielfältige Situationen mit grossen räumlichen Qualitäten.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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