Wie wohl kein anderes Bauteil halten Balkon und Loggia eine Mittlerposition inne: Sie sind sowohl der Wohnung im Sinne eines privaten Aussenraums als auch der unmittelbaren Nachbarschaft zugehörig. Während im einen Fall Bedürfnisse der Aufenthaltsqualität und Intimität ausschlaggebend sind, dominieren im anderen die Fragen nach dem repräsentativen Ausdruck und wohlproportionierten Ausblick. An beiden Enden der Formatierungsskala von Balkonen und Loggien finden sich der gestapelte, mehr oder weniger an das Gebäude gebundene Aussenraum, der zwischen Schublade und Baumhaus changiert und als Gegenteil davon die komplett in den Wohnraum eingestülpte Loggia.

Neben der räumlichen Vermittlung nimmt der private Aussenraum auch eine konstruktive Schlüsselstelle ein: Energieverbrauch in Produktion und Betrieb sowie die saubere Ausbildung von Schichten und Statik sind die Stichworte für den Lackmustest der gelungenen Konstruktion. Wenn darüber hinaus Lärmschutzgrenzwerte – es ist kein Wohnraum an der Fassade möglich! – und Marketingvorgaben – die 20 m²-Loggia ist schon verkauft! – zu Gestaltern werden, scheinen die entwurflichen Themen hintan gestellt.

Antworten auf diese mannigfaltigen Anforderungen an eines der komplexesten Bauteile der Architektur offeriert in diesem Heft das Gespräch unter Praktikern des Wohnungsbaus. In seiner Auslegeordnung lässt Lukas Imhof einen bunten Reigen an Beispielen als historische Referenzen und aus der zeitgenössischen Praxis auftreten. Als Vorläufer, lange vor der Erfindung der Brandschutzbalkone, die den Trend zu kleinteiligen Schulraumgrundrissen heute ermöglichen, ist mit der Laube ein eigener Typus entstanden, dessen Entwicklung Robert Walker am Beispiel des Berner Bauernhauses beleuchtet. In ihm vereinigen sich schon früh funktionale und repräsentative Aspekte. Gleichfalls als raumhaltige Schicht ausgebildet, jedoch nicht zur Erschliessung, sondern zur zeichenhaften Valorisierung ist der Baukörper von Valerio Olgiati in Zug mit einem roten Betongitter eingefasst. Die loggiaseitig in die Betondecken geschnittenen Leerstellen weiten den privaten Aussenwohnraum aus und halten die Umgebung gleichzeitig auf Distanz. Loggien von Lüscher Bucher Theiler + Hans Lauber in Lenzburg krönen die ausgreifenden Finger ihrer Wohnstruktur, finden je nach Situation eine differenzierte Ausprägung und leiten die Blicke mit kuratorischer Finesse in die Tiefen des umgebenden Grüns. Im Unterschied dazu verleihen die privaten Aussenräume der Siedlung Frohheim in Zürich-Affoltern von EM2N/Müller Siegrist den punktförmigen Körpern skulpturale Kraft. Ihre Balkone schälen sich aus der gebänderten Fassade heraus, ihre versetzte Anordnung schafft doppelt hohe Zonen. Als Rückzugsraum dazu trifft man auf die bewährte, halb eingeschobene Loggia.
Die Redaktion

Lukas Imhof
Geschützte Exponiertheit: Private Aussenräume in der Stadt

Jana Vuilleumier-Scheibner
Inszenierte Struktur: Ein Wohnhaus von Valerio Olgiati in Zug

Kornel Ringli
Feudales Balkonien: Siedlung Frohheim in Zürich-Affoltern von Müller Sigrist Architekten und EM2N Architekten

Barbara Wiskemann
Lichtspagat: Wohnüberbauung Viehmarktareal in Lenzburg von Lüscher Bucher Theiler + Hans Lauber Architekten

Robert Walker
Ländliche Schatztruhen: Lauben am Berner Bauernhaus

Schwellenräume des Städtebaus
Thomas von Ballmoos, Jörg Koch und Frank Zierau im Gespräch mit Tibor Joanelly und Caspar Schärer

Forum
Orte: Eva Presenhuber
Material: Individuell hergestellte Keramik
Projektwettbewerb: Erneuerung Kunstmuseum St. Gallen
Zum werk-material: Wohnüberbauung Allmend, Baden von Burkard Meyer Architekten und Wohnbauten Densa-Areal in Basel-Nord von Luca Selva Architekten
Umbauten: Vier Reihenhäuser in Winterthur von Elias Leimbacher
Innenarchitektur: Hamam im Volkshaus Zürich von Felder Architektur
Bücer: Eine umfassende Studien zu Le Corbusiers Spätstil
Ausstellung: Zum Werk von John Pawson in München
Bauten: Büro- und Technikgebäude für Roche von Christ & Gantenbein
bauen rechnen: Autorenarchitektur und Werthaltigkeit
bauen rechten: Gratis entdichten
Service: Ausstellungen | Veranstaltungen | Neuerscheinungen | Produkte

werk-material
Luca Selva AG, Architekten ETH BSA SIA, Basel: Wohnüberbauung Densa Park, Basel
Burkard Meyer Architekten BSA, Baden: Wohnüberbauung Allmend, Baden, AG