Zeitschrift

steeldoc 02/12
Hallenbau in der Praxis
steeldoc 02/12
zur Zeitschrift: Steeldoc
Herausgeber:in: Stahlbau Zentrum Schweiz

Spiel mit Transparenz und Spiegelungen

Laufen sie durch oder nicht? fragt sich wohl jeder Architekt, der die kühnen Träger aus der Glasfassade ragen sieht. Die Sporthalle in Burkertsmatt zeigt, wie solche Details im Zeitalter der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit gelöst werden. Ästhetischer Minimalismus mit viel technischem Know-how realisiert.

«Sport im Park», mit dieser Projektidee gewann Rolf Mühlethaler den Wettbewerb für das regionale Sport-, Freizeit- und Begegnungszentrum Burkertsmatt in Widen am Mutschellen. Der Gebäudekomplex mit seinen verschiedenen Aussenanlagen folgt der natürlichen Topographie des Hasenberges. Der präzis geschnittene Baukörper liegt am Fuss des Hanges und bildet mit dem gegenüberliegenden Islerenwald den Raum für die Leichtathletikanlage. Fussgänger- und Fahrradverbindungen, Hangmauern, Baumreihen und der offen gelegte Pflanzerbach gliedern das offene Gelände und verleihen dem Ort die gewünschte Identität als Park. Mit dem transparent gestalteten Baukörper lässt der Architekt Innen- und Aussenraum ineinander fliessen und schafft einheitliche Fassaden ohne ausgeprägte Vorder- und Rückseiten.

Über eine grosszügig angelegte Zugangsrampe gelangt man zum Halleneingang auf der öffentlichen Terrasse, der Bel Etage, von der man die Leichtathletikanlage, die Fussballfelder und das Beach-Volleyballfeld überblicken kann. Hier, im eigentlichen Obergeschoss, befinden sich das Foyer und die Vereinsküche sowie die Zuschauertribünen. Im Erdgeschoss sind die Sporthalle, die Garderobenanlagen, der Jugendbereich und die Technikräume untergebracht. Auf demselben Niveau befindet sich die Aussentribüne zur Leichtathletikanlage und zu den Fussballfeldern.

Dank der kompakten und zentralen Anordnung zwischen den Hallen- und Aussenanlagen können die Garderoben je nach Veranstaltungsdichte getrennt oder gemeinsam für Innen- und Aussenanlässe genutzt werden.

Ausgeklügelte Horizontalaussteifung

Die Tragkonstruktion der Sporthalle Burkertsmatt ist auf drei statische Hauptelemente reduziert: Hauptstützen (HEB 320), Blechträger (1400/300 mm) und Dachblech. Die über 50 Meter frei gespannten Dachträger liegen jeweils auf zwei 9 Meter hohen Stützen, die auf der Bodenplatte des Erdgeschosses fundiert und auf Niveau Obergeschoss in der Stahlbeton-Tribüne seitlich gehalten sind. Die Aussteifung der Konstruktion gegen horizontale Erdbeben- und Windkräfte wird über das als Scheibe ausgebildete Dachblech und die eingespannten Stützen erreicht. Tatsächlich stellte für den Ingenieur die Stabilisierung der schlanken Blechträger gegen das seitliche Ausknicken (Kippen) des Druckflansches bei der Tragwerkskonzeption die grösste Herausforderung dar. Um die Stabilisierung zu gewährleisten, wurde das Dach mit Trapezblech, Verlegehilfe-Blech und einem zusätzlichen Verstärkungs-Z-Blech als statische Scheibe ausgebildet. Träger, Dachbleche und die integrierten Verstärkungsbleche wurden mit Nieten und Nägeln statisch miteinander verbunden. Diese Scheibenkonstruktion dient nun zugleich der horizontalen Lastabtragung der Erdbeben und Windkräfte auf die eingespannten Stützen.

Die mit den Stützen verschraubten sichtbaren Blechträger wurden wegen ihrer Länge vor Ort jeweils an zwei Stellen verschweisst und die Montageschweissnähte mittels Ultraschall geprüft. Die Träger, die in der Mitte 120 Millimeter überhöht wurden, kragen auf der einen Hallenseite um 5, auf der gegenüberliegenden um 1,6 Meter über die nach innen versetzte Fassade hinaus. Dort, wo sie die Glasfassade durchdringen, sind die innenliegenden Träger von den auskragenden Partien mit einer Schicht Wärmedämmung getrennt und nur punktuell mit Stahlplatten und Schrauben verbunden. Zugstangen eben den Fassadenstützen minimieren die vertikalen Verformungen der Träger in diesem empfindlichen Bereich.

Dosierte Transparenz

Die Fassaden bestehen aus einer selbsttragenden Pfosten-Riegel-Konstruktion mit einer Rasterbreite von 1,68 Metern und einer Gesamthöhe von 6,83 Metern. An den Fassadenstützen (IPE 180) befinden sich auf einer Höhe von 2,3 Metern Fugenhalter in Form von Flachstahl-Auslegern. Auf ihnen ruhen die oberen Glaselemente. So können die Vertikallasten aus der Fassade in die Stahlbetonkonstruktion des Sockelgeschosses abgeleitet werden. Die Fassadenstützen sind im Randbereich der Dachkonstruktion so eingespannt, dass sie einen kleinen Teil der Dachlasten abtragen. Ausserdem übernehmen sie die auf die Fassadenpfosten wirkenden Windlasten.

Spezialverglasungen mit eingebautem Vlies aus Seidengespinnst in den unbeschatteten Ost- und Westfassaden verhindern störendes Blenden. Gleichzeitig lässt diese abgestufte Transparenz die Halle in Nord-Südrichtung um so offener und transparenter erscheinen. Die Landschaft fliesst förmlich durch das Gebäude hindurch.

Die Ruhe selbst

Grau- und Silbertöne prägen den Innenausbau sowie das äussere Erscheinungsbild. Nur der auf dem Betonsockel aufgesetzte Glaskörper hebt sich ab und spiegelt die Farben der Umgebung und des Himmels. Im Innern wurden die technischen Einrichtungen konsequent in die Wände und Decken integriert. So wirkt auch die vom Trapezblech profilierte Deckenuntersicht der Sporthalle äusserst ruhig und elegant. Ein Ort für Sport und Bewegung, der Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt.

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Für den Beitrag verantwortlich: Steeldoc

Ansprechpartner:in für diese Seite: Evelyn C. Frischinfo[at]szs.ch

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