Zeitschrift

steeldoc 02/12
Hallenbau in der Praxis
steeldoc 02/12
zur Zeitschrift: Steeldoc
Herausgeber:in: Stahlbau Zentrum Schweiz

Ein «Blütenblatt» aus Stahl und Glas

Die 60 Meter lange Halle neben der Autobahn bei Saint-Maurice beherbergt ein Kontrollzentrum für den Schwerverkehr. Unter der Blechverkleidung versteckt sich ein ausserordentlich komplexes und dichtes Stahltragwerk. Das Gebäude entspricht dem Minergiestandard und den Normen für erdbebengerechtes Bauen.

Ein grossflächiger Schwarzbelag, darauf ein siebeneckiges begrüntes Flachdach mit Oberlichtern, die scheinbar zufällig wie Konfettis darüber gestreut sind, und am Boden verteilt ein paar Blumen. So ungefähr präsentiert sich die Projektidee für das Fahrzeugkontrollzentrum in Saint-Maurice (VS). Das Projekt ging aus einem Architekturwettbewerb hervor, den das Büro meier + associés aus Genf gewann. Übertragen in den Massstab eins zu eins, stellt die asphaltierte Ebene einen grossen Parkplatz für Lastwagen dar. Die «grünen Blumen», die den Asphalt durchdringen, sollen als Naturflächen die Versickerung des Meteorwassers sicher stellen, und unter dem grossen Dach befinden sich die diversen Räumlichkeiten des Kontrollzentrums. Das Raumprogramm war breit gefächert: Ein Kontrollzentrum für Lastwagen, die auf dem Walliser Strassennetz verkehren, sowie Abstellplätze, auf denen diese Fahrzeuge im Falle von Unwetter in den Alpen warten können. Ausserdem waren eine Halle für periodische Kontrollen der leichten und schweren Fahrzeuge für das Unterwallis sowie ein regionaler Polizeiposten verlangt. Im Schnitt macht das Gebäude den auf dem Gelände vorhandenen Höhenunterschied zum Thema, das auch mit der Raumaufteilung im Innern wieder aufgenommen wird. Im Nordwesten, im höher gelegenen Teil, befindet sich der Eingang zu den Büros des regionalen Fahrzeugkontrollzentrums. Von diesem Bereich aus überschaut man die über zwei Geschosse reichende Kontrollhalle, die eine Spannweite von 21,5 Metern aufweist und im Süden von den Räumlichkeiten der Polizei begrenzt wird.

Ein Präzisionspuzzle

Das Stahlskelett des Gebäudes beeindruckt mit seinen imposanten Dimensionen. Besonders faszinierend war das Dach, dessen Träger der Primärkonstruktion eine maximale Höhe von 1700 Millimetern und eine Länge von etwas mehr als 60 Metern aufweisen, während der Bauphase. Für das Stahlbauunternehmen bedeutete der Transport dieser Träger eine grosse logistische Herausforderung. Sie wurden in der Werkstatt in je zwei ungefähr 30 Meter langen Teilen vorfabriziert.

Das Tragsystem besteht aus ausbetonierten Stahlstützen, Zwischendecken aus Beton sowie aus geschweissten Blechträgern von variabler Höhe. Um die Erdbebensicherheit des Tragwerks zu gewährleisten, waren zwei Aussteifungsebenen notwendig. Die eine übernimmt die einwirkenden Kräfte der Pfetten auf der Ebene des Dachblechs, welches das Substrat der Dachbegrünung trägt, die andere, im unteren Bereich der Dachträger, kanalisiert die Belastungen der durchlaufenden Balken und leitet sie in die vertikalen Tragelemente ein. Frédéric Rossoz von der Firma Sottas betont denn auch: «Wir haben viel Zeit für die Planung aufgewendet, denn nicht nur das Tragwerk war komplex, zusätzlich mussten wir die Leitungen der technischen Installationen in die Trägerebene einbauen.» Tatsächlich sind in den Stegen der Träger Löcher mit verschiedenen Durchmessern, die genau auf die Leitungsführung der Haustechnik abgestimmt sind.

Für den Ingenieur bestand eine der grössten Herausforderungen darin, eine «einfache» Tragstruktur zu entwerfen, welche die komplexen geometrischen Ansprüche erfüllt und in der konstruktiven Ausbildung die verschiedenen architektonischen Aspekte berücksichtigt. Äusserst anspruchsvoll war es auch, mit ein und derselben Aussteifung im Dach sowohl die Stabilität der hohen Träger als auch die Erdbebensicherheit der Tragstruktur gewährleisten zu können.

Im Hinblick auf die geforderten Spannweiten, die Tragwerksform und die grossen Auskragungen drängte sich der Stahlbau für dieses Projekt auf.

Korrosionsschutz

Der Stahl wurde mit Sandstrahlen und zwei Anstrichen im Innern, bzw. drei Anstrichen im Bereich des Vordachs vor Korrosion geschützt. Die Werkstattschweissnähte bei den Verbindungsplatten der Hauptträger und den Kopfplatten der Aussteifungselementen sind QB geprüft. Das Tragwerk ist jedoch nur noch im Bereich des Vordachs sichtbar, da die inneren Oberflächen mit Metallkassetten verkleidet sind. Damit soll der industrielle Charakter des Gebäudes unterstrichen werden. Aussen wurden die Fassaden mit einer Haut aus verzinktem Streckmetall umhüllt.

Schwebende Grünfläche

Baubeginn war im März 2010 und Fertigstellung genau nach Plan im Dezember 2011. Die Montage des Stahlbaus dauerte neun Wochen, dazu kamen vier Wochen für das Verlegen der Dachbleche. Der Stahl-Glaskomplex mit seinem Dach, das wie ein Stück des natürlichen, nach oben verschobenen Bodens über der künstlichen Oberfläche schwebt, soll von der Autobahn aus als Aushängeschild der neuen Institution wahrgenommen werden.

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Für den Beitrag verantwortlich: Steeldoc

Ansprechpartner:in für diese Seite: Evelyn C. Frischinfo[at]szs.ch

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