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werk, bauen + wohnen 03-13
et cetera Bovenbouw
werk, bauen + wohnen 03-13
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
Überschäumende Formen waren und sind in der Schweizer Architektur eher selten. Praktisch jeder Neubau steht in einem gebauten Kontext: überall ist jemand. Die autonome Form bleibt, mindestens im dicht besiedelten Mittelland somit eine Illusion.

Ausserdem wird hierzulande seit jeher das Gemässigte kultiviert und das prahlerisch Extravagante abgelehnt. Schon etliche schlaue Köpfe sind gegen diese zutiefst egalitäre Kultur angerannt; vergebens, sie ist der kollektiven DNA einbeschrieben. Die Globalisierung prägt jedoch auch die Schweiz stark, und der Zugang zu offenen Märkten bietet neue Verführungen, von denen das kleine Land sehr profitiert.

Dem einen oder anderen ist beim rastlosen Rennen nach immer mehr Wohlstand und Individualität der letzte Rest an Heimatgefühl abhandengekommen – ein Gefühl, das allerdings in den letzten Jahren mit aller Kraft zurück an die Oberfläche drängt. Das Freilichtmuseum Ballenberg ist kein Wallfahrtsort mehr bloss für die Liebhaber ländlicher Kultur, es wird wieder vermehrt in den (Schweizer) Bergen gewandert, und in den Wintermonaten häkeln und stricken auch und gerade junge Frauen Pullover und Schals für den Nachwuchs.

Mit der Besinnung auf das Eigene steht die Schweiz beileibe nicht allein in Europa. Der gesamte Süden rund um das Mittelmeer kämpft mit einer der grössten Wirtschaftskrisen seit langem und wird für einige Zeit mit deren Folgen beschäftigt bleiben, während der Norden zwar einigermassen erfolgreich bleibt, darob aber melancholisch geworden ist. Man mag sich gar nicht mehr freuen am Fortschritt, denn er hält ja nur die nächsten Probleme bereit. Unter diesen Umständen erstaunt es nicht weiter, dass sich in einer solchen gesellschaftlichen und kulturellen Stimmungslage auch die Architektur wieder an der Tradition orientiert. Rund um den Globus ist diese Sehnsucht nach dem Vertrauten zu beobachten, besonders stark scheint sie aber in Nordwest- und Mitteleuropa zu sein.

Mit Ausnahme einer Hommage an die Casa Canoas des im Dezember 2012 verstorbenen brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer knüpfen alle Beiträge im vorliegenden Heft an diese europäische Grossregion und das Verhältnis zur Tradition an: Anneke Bokern stellt das Antwerper Architekturbüro Bovenbouw vor, das an der letzten Biennale in Venedig einen bemerkenswerten Auftritt hatte; Thomas K. Keller zeigt in seinem Artikel über eine Schulhauserweiterung im luzernischen Ballwil auf, dass die Bezugnahme auf eine überlieferte Formensprache mehr bedeutet als Bilder in Architektur zu übersetzen; Peter Röllin stellt das aus Alt- und Neubauten gewobene Verwaltungszentrum am Oberen Graben in St. Gallen vor und Andreas Buss berichtet von einem Mehrfamilienhaus in Zürich-Oerlikon, dessen komplexes Raumgefüge von einem strengen, aus dem Industriebau entliehenen Fassadensystem zusammengehalten wird. Ein Gespräch mit dem belgischen Fotokünstler Pierre-Philippe Hofmann, der zu Fuss und mit seiner Kamera die überkontextuierte Schweizer Landschaft durchstreift, rundet dieses et cetera-Heft ab.
Die Redaktion

Anneke Bokern

Betörend wie verstörend: Zur eigenwilligen Architektur von Bovenbouw aus Antwerpen

Thomas K. Keller

Ort oder Surrogat: Die Schulraumerweiterung in Ballwil von Fiechter & Salzmann Architekten

Peter Röllin

Transitorische Leichtigkeit: Neue Gebäudefigur mit Altbauten

Andreas Buss

Arrangierte Systeme: Wohnhaus in Zürich von Jürg Graser

Caspar Schärer im Gespräch mit Pierre-Philippe Hofmann

Kein Niemandsland, nirgends: Von Landschaften und Siedlungsformen in Belgien und der Schweiz

Styliane Philippou
Die tanzenden Kurven des Casa das Canoas: Oscar Niemeyers Haus in Rio de Janeiro

Forum
Reise: Port Everglades, Fort Lauderdale, Florida, USA
Material: Marmor als Baumaterial
Wettbewerb: Hôtel judiciaire in La Chaux-de-Fonds
Wettbewerb: Debatte um die Qualität von Wettbewerben
Zum werk-material: Zwei Sternwarten in Schaffhausen und Le Sentier VD
Umbauten Musée Jenisch in Vevey von Bakker und Blanc
Um- und Neubau: Präparatorien und Werkstätten des Naturhistorischen Museums Basel
Bücher: Architekturlandschaft Zentralschweiz
Ausstellung: «Eyes on the City» im Graz Museum
Nachruf: Tita Carloni (1931–2012)
bauen rechnen: Umnutzung von Büros zu Wohnen
bauen rechten: Störung des Gleichgewichts
Service: Ausstellungen
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werk-material
Magdalena Rausser Jürg Zulauf Architekten, Bern: Observatorium Vallée de Joux, Le Sentier
Sandri Architekten, Schaffhausen: Sternwarte Schaffhausen

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Verlag Werk AG

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