Zeitschrift

db deutsche bauzeitung 04|2013
Trauer braucht Raum
db deutsche bauzeitung 04|2013

Der Tod gehört zum Leben

Bestattungshaus in Bludenz (A)

Das Bestattungshaus als Erweiterung des bestehenden Bestattungsinstituts bietet Räume für Abschiednahme und Trauergesellschaften. Das in sich gekehrte Gebäude, das nur wenige, meist indirekte Ausblicke zulässt und kaum Einblicke gewährt, ohne dabei abweisend zu wirken, kreiert einen Ort der Einkehr und der Ruhe – ganz ohne Pathos.

8. April 2013 - Ulrike Kunkel
Die Lage des neuen Bestattungshauses Feuerstein in Bludenz ist herausfordernd und gleichzeitig sehr gut, darin sind sich Bauherr und Architekt einig. Das Bestattungshaus, das kleinere Aufbahrungsräume für die stille Abschiednahme sowie einen Raum für größere Trauerfeiern bietet, liegt, wenn auch von der Straße nicht direkt einsehbar, mitten im 13 800 Seelen Ort Bludenz in Vorarlberg. »Sterben und Tod gehören ebenso wie Geburt zum Leben dazu und somit in die Gesellschaft hinein. Daher sollten wir auch die entsprechenden Räume und Institutionen nicht an den Stadtrand verbannen«, so der Architekt Eckhard Amann. Und auf die Frage hin, ob das Bauvorhaben an dieser Stelle auf Akzeptanzschwierigkeiten in der Bevölkerung gestoßen sei, meint der Bestattungsunternehmer und Bauherr Christoph Feuerstein: »Ganz und gar nicht. Im Gegenteil, man hat sogar den Eindruck, dass auf dieses Angebot gewartet wurde.« Und in der Tat, das Bestattungshaus bietet in weitem Umkreis bisher die einzige offizielle Möglichkeit, Trauerfeiern außerhalb des kirchlichen Rahmens abzuhalten. Noch bis 2005 war es in Österreich privaten Bestattern nicht einmal erlaubt, Aufbahrungsräume oder Trauerhallen zu errichten; dies war allein der Kirche und den Kommunen vorbehalten.

Für die Umsetzung des lange gereiften Wunschs, seinen Kunden für die Trauerfeiern konfessionslose Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, bot sich ein in Familienbesitz befindliches Grundstück etwa 80 m unterhalb des in der Innenstadt gelegenen Bestattungsinstituts an. Da, wie so oft, das Bestattungsunternehmen Feuerstein aus einer Familienschreinerei, die der Bruder inzwischen führt, hervorgegangen ist, bestand durch verschiedene gemeinsam realisierte Bauprojekte bereits der Kontakt zum Architekturbüro rainer + amann. »Die Bauaufgabe reizte uns sehr; die verschiedenen Nutzungen innerhalb der beengten, innerstädtischen Grundstückssituation überzeugend unterzubringen, war eine zusätzliche Herausforderung, der wir uns gerne stellten«, berichtet Eckhard Amann. Zum Raumprogramm gehören neben drei Verabschiedungsräumen ein Arbeitsbereich mit Thanatopraxie und Kühlraum, einem Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter mit angeschlossener, geschützter Terrasse, getrennte Sanitäreinrichtungen für Kunden und Mitarbeiter, eine Tiefgarage mit Waschplatz für die Fahrzeuge, ein Sarglager und eine Werkstatt, in der die Särge vorbereitet und ausgestattet werden sowie verschiedene andere Lagerräume. Büro und Besprechungsräume bedurfte es nicht, da die Verwaltung sowie der Kundenkontakt im ursprünglichen Bestattungsbüro verblieben sind. Architektonisch gesehen mag man das bedauerlich finden, nimmt es einem doch die Möglichkeit, ein ganzheitliches Gestaltungskonzept, das sowohl Räume für die Beratung und für Vorgespräche als auch die Verabschiedungsräume beinhaltet, umzusetzen. Im Alltag erweist sich die klare räumliche Trennung wohl als durchaus sinnvoll, da auf diese Weise diejenigen, bei denen die Erfahrung mit dem Tod und der Verlust eines geliebten Menschen noch ganz frisch ist, nicht in Kontakt mit denjenigen kommen, für die die Erfahrung schon ein wenig zurückliegt, die sich also bereits in einer anderen Phase der Trauer befinden.

Erdverbundenheit

Nähert man sich dem Gebäude über die schmale Zufahrt, gelangt man in einen Hof, der gleichzeitig der Vorplatz des Bestattungshauses ist und von diesem durch eine gold gelb schimmernde Stampflehmwand und einen mit gefalzten Kupferblechen bekleideten Gebäudeteil gefasst wird. Die Kupferhülle wird entlang der Tiefgaragenrampe und auf der Rückseite als perforiertes Blech weitergeführt. Durch die Lochung, die die Fassadenhülle durchlässig, aber nicht durchsichtig macht, ergibt sich nicht nur ein verblüffendes Spiel mit Licht und Schatten, sondern v. a. ist Diskretion bei der Anlieferung und Blickschutz für die Mitarbeiter bei gleichzeitigem Bezug zur Umgebung sichergestellt.

Durch einen verglasten Windfang betritt man das Bestattungshaus. Das Material der Außenhülle wird in diesem Bereich ins Gebäude hineingezogen; allerdings ist das hier verwendete Kupferblech bereits vorverwittert, damit sich mit der Zeit kein starker Kontrast zur Fassadenbekleidung ergibt. Die Lehmwand bildet das »Rückgrat« für den sich nun anschließenden Bereich für die Trauergesellschaften, gegliedert in eine Verweilzone und einen größeren Verabschiedungsraum, der sich durch eine mobile Trennwand abermals vergrößern lässt, sowie zwei kleine Aufbahrungs /Verabschiedungsräume. Die selbsttragende zwei schalige Stampflehmwand mit Wärmedämmung und Stahlverstärkung (zum Lastenabtrag der Oberlichter) ist etwa 55 cm dick; die gegenüberliegende Lehmwand ist nach außen als Sichtbetonwand ausgebildet, da das Nachbargrundstück bis an die Wand bebaut werden darf, zum Innenraum hin aber ebenfalls aus Stampflehm (18 cm dick). In dem gesamten Bereich gibt es keine direkten Blickbeziehungen nach draußen, nichts, was von der inneren Einkehr ablenken könnte. Die Belichtung erfolgt ausschließlich über Oberlichtbänder bzw. Fluter, die auf die Lehmwände gerichtet sind. Das über die gold gelben Wände einfallende Streiflicht hinterlässt immer wieder andere, flüchtige Zeichnungen auf der Wand und taucht die Räume in eine angenehme Lichtstimmung. Als weitere, prägende Materialien kommen Travertin für den Boden und Nussbaum für die Türen und mobilen Wandelemente zum Einsatz. Glatt gespachtelte Akustikdecken verstärken die gedämpfte Atmosphäre. Besonders intensiv ist der Eindruck in den beiden kleinen Aufbahrungsräumen. Bei geschlossener Tür kehrt ein Gefühl der Ruhe und Konzentration ein. Eine Raum Atmosphäre, von der man sich gut vorstellen kann, dass sie bei Trauer und Abschied unterstützend wirkt. Ein elektronisches Zugangssystem ermöglicht den Trauernden mit einem entsprechend programmierten Chip Tag und Nacht Zutritt zu den Aufbahrungsräumen.

Kühl aber nicht kalt

Während im öffentlichen Teil warme, erdverbundene Töne eingesetzt werden, herrscht im Arbeitsbereich technische Nüchternheit und Hygiene wie in einem Krankenhaus; tatsächlich ist der Raum, in dem der Körper hergerichtet wird (Thanatopraxie) ein vollwertiger OP Saal, in dem auch seziert werden kann. Direkt gegenüber liegt der Kühlraum für 12 Leichname. Böden, Wände und Decken sind in leicht getöntem Weiß gehalten und abwaschbar beschichtet. Die Oberlichter ermöglichen ein Arbeiten mit natürlichem Licht. Der Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter liegt auf der Südseite, hier lassen sich die gelochten Fassadenpaneele zur Seite schieben. Zu öffnen sind die Fenster nicht, da es sich um die »Brandwand« zur Nachbarparzelle handelt. Das ist insofern aber unproblematisch, denn hinter der Fassade, über der Tiefgaragenrampe, haben die Angestellten einen großzügigen Balkon zum Rauchen und frische Luft schnappen. Türen, Einbauten und Möbel sind im nicht öffentlichen Bereich in naturbelassener Eiche ausgeführt.

Geheizt und gekühlt wird das Bestattungshaus über eine Grundwasserwärmepumpe in Kombination mit Solarmodulen auf dem Dach. Sowohl der Verabschiedungs als auch der Arbeitsbereich können zusätzlich klimatisiert werden.

Mit dem Bestattungshaus in Bludenz ist es den Architekten über Materialwahl und geschickte Lichtführung gelungen, einen Ort zu schaffen, der Kunden und Mitarbeitern gut tut und dem man zutraut, dass er einem auch im Falle der Trauer und des Schmerzes Geborgenheit gibt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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