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TEC21 2013|21
Bauen in Äthiopien
TEC21 2013|21
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Mission oder Austausch?

17. Mai 2013 - Danielle Fischer
Das Bauwesen in Äthiopien profitiert in vielfacher Hinsicht von der Entwicklungszusammenarbeit. So werden Infrastrukturprojekte und Gebäude erstellt, Städtebaukonzepte ausgearbeitet sowie Universitäten und Berufsschulen im Bau- und Technikbereich reorganisiert. Doch was einzelne Akteure wie multilaterale Organisationen – darunter die UN-Habitat, Agenturen wie die deutsche GIZ oder die chinesische Regierung – bauen, ist von unterschiedlicher Qualität. Es fehlt ein städtebaulicher Konsens. Und es stellt sich die Frage, ob die Abgänger aus Hochschulen, die aus Kooperationen zwischen afrikanischen, europäischen und chinesischen Partnern hervorgehen und grundverschiedene Berufsethiken vermittelt bekommen, gemeinsam einen übergreifenden Städtebau umsetzen können.

Die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba hat bei 9 Millionen Einwohnern eine Urbanisierungsrate von 4.3 %.[1] Die Regierung schätzt, dass gegenwärtig allein in den grösseren Städten eine Million neue Häuser nötig wären und nur 30 % der bestehenden Gebäude in gutem Zustand sind.[2] Es werden grosse Anstrengungen unternommen, um der Wohnungsnot zu begegnen und die Infrastruktur auszubauen. Allerdings lässt die Koordination oft zu wünschen übrig. Habitat for Humanity baut mit der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der äthiopischen Regierung seit 2005 im Eiltempo Condominiums für den Mittelstand. In der Umgebung der Hauptstadt entstanden effizient an die 170 000 Wohneinheiten. Teilweise befinden sich die Siedlungen aber abseits von Zentren, Arbeitsplätzen und Transportmitteln und sind qualitativ ungenügend. Beim Bau des Peace & Security Center für die African Union – es liegt neben deren neuem Hauptsitz, den die Chinesen gebaut haben – legt die GIZ dagegen Wert auf bauliche Qualität und erstellt es erdbebensicher und nach Deutscher Industrie-Norm. Neben der Koordination mangelt es an Nachhaltigkeit. Es stellt sich aber auch die Frage, wie schnell und effektiv angesichts dieser wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten alternative Baustrategien in den erforderlichen Dimensionen zur Problemlösung beitragen könnten.

Visionen der Nachhaltigkeit

Bei europäischen Agenturen, aber auch an Polytechniken und Hochschulen mit Bildungsaufträgen in Entwicklungsgebieten ist der Solidaritätsgedanke der EZA in neuerer Zeit in den Hintergrund gerückt. Übergeordnete Interessen spielen eine Rolle; zentral ist unter anderem das Thema Nachhaltigkeit. Diese jedoch kann in letzter Konsequenz nur dann wirksam sein, wenn sie global ist. Bekannt ist auch, dass in Europa ein Interesse an alternativer Material- und Typologieforschung besteht, obwohl es dafür neben der aktuellen Agenda der Forschungsthemen kaum Platz gibt. Die Forschungsrichtung in Europa wird durch politische und wirtschaftliche Strategien von Lobbys und Interessenverbänden mitbestimmt. Diese Gegebenheiten lassen die im Rahmen von Bildungsreformen entstandenen neuen Universitäten in Afrika zu attraktiven Partnern werden – gerade wenn die europäischen Bildungsinstitute selbst an deren Reformen beteiligt sind.

Das Engagement der ETH Zürich und anderer Hochschulen aus Europa innerhalb des ecbp-Programms (vgl. Kasten S. 18) ist aber auch eine Reaktion auf die negativen Folgen, die der Entwicklungsprozess in den vergangenen Jahrzehnten in Afrika zeitigte: Plastikverpackungen ohne Abfallentsorgung lassen Müllberge entstehen; gute Strassen ohne Verkehrsplanung und Abgasregelungen führen zu Staus, Emissionen und Blechschrott; medizinische Vorsorge ohne Familienplanung zu Überbevölkerung und Landflucht. Die ETH und andere internationale Partner arbeiten am EiABC (vgl. Kasten S. 18) im Bereich Materialforschung und studieren den Prozess der Wissensvermittlung alternativer Typologien und Materialien wie Lehm oder Stroh (vgl. «Comeback für Lehmhäuser» S. 19). Dirk Hebel, ehemaliger wissenschaftlicher Direktor des EiABC, befasst sich am FCL in Singapur (vgl. TEC21 15-16/2013, «Digitale Fabrikation für Hochhäuser») weiterhin mit dem Thema.

Er sieht in dieser ökologischen Ausrichtung eine Chance für die Südhalbkugel. Entwicklungsgebiete könnten durch grüne Technologien unabhängig von teuren Importen aus dem Norden werden – gerade bei Entwicklungen mit Bambus bestehe ein enormes Potenzial. Ziel sei eine Gesellschaft, die nachhaltig produziere, ohne die Umwelt zu belasten. An der EiABC wird eine Denkweise vermittelt, die globale Fragen mit lokalen Situationen verknüpft und daraus situationsspezifischen Städtebau generiert. Allerdings stossen alternative Bautechnologien und Materialien, die unter Akademikern Anerkennung finden, in der Bevölkerung auf Akzeptanzprobleme. Nach fast 100 Jahren auch von Europa propagierter Stahl-Beton-Bauten ist es schwierig, das Bild dieser Moderne durch Lehmhäuser mit traditionelleren Grundrissen zu ersetzen. Veränderung im Denken und Handeln braucht Zeit.

Geschäftspartner

Auch die chinesische Regierung engagiert sich in Äthiopien im Bildungsbereich. Sie errichtete 2005 für 14 Millionen Dollar das Ethio-China Polytechnic College[3] (ECPC) für Technische Berufsausbildung. Dort werden gegenwärtig nicht nur 1000 Lehrer ausgebildet, die Absolventen sollen zudem dereinst von chinesischen Firmen ausgeführte Infrastruktur- und Bauprojekte umsetzen. Die Fachleute kommen zurzeit noch aus Asien. Sie erstellten zwischen 1998 und 2004 unter anderem die Ringstrasse um Addis Abeba oder die Wereta-Weldiya-Strasse durch das Rift Valley; vor zwei Jahren wurde der neue Hauptsitz der African Union für 200 Millionen Dollar eröffnet; und bis 2015 werden im Auftrag der äthiopischen Regierung 2600 km Eisenbahnlinien verlegt. Grösse und zeitliche Umsetzung der Projekte beeindrucken – doch ob sie nachhaltig sind, ist zu bezweifeln. Das erstaunt nicht. Die Handelsbeziehungen zwischen China und Ostafrika bestehen seit Jahrhunderten.

China verbindet mit seinen Bildungsaufträgen in Afrika seine durch wirtschaftliche Interessen begründete Präsenz. Über «soft loans» werden Projekte finanziert, die nicht als Entwicklungshilfe, sondern als wirtschaftliche Zusammenarbeit verstanden werden: Die asiatische Grossmacht gewährt afrikanischen Ländern wie Äthiopien oder Tansania Kredite[4] mit Absatzgarantien auf deren Exportartikel. Mit dem Geld lassen die afrikanischen Regierungen meist von chinesischen Privatfirmen Infrastruktur bauen.

Die Strategien des EiABC und des chinesischen ECPC zeigen nur einen Teil des Spektrums auf. Die EiABC und die Technische Fakultät der AAU haben zahlreiche Partnerschaften mit europäischen Universitäten, jedoch kaum welche mit chinesischen – und umgekehrt die von China gegründeten keine mit europäischen Instituten. Fraglich ist, ob das der afrikanischen Städteplanung zuträglich ist, für die die Absolventen dieser Schulen faktisch gemeinsam zuständig sein werden. Wenn Städtebau in Afrika zukünftig nachhaltig und effizient sein soll, dann müssen afrikanische Länder ihre baulichen Aktivitäten und den angrenzenden Bildungsbereich mit allen ausländischen Partnern koordinieren. Letztlich müssen der Wissensaustausch Nord-Süd und die Koordination seiner Mittel und Ziele eine globale Dimension anstreben und auch vermehrt die Ost-West-Richtung umfassen. Gerade in Afrika können europäische und chinesische Partner voneinander lernen.


Anmerkungen:
[01] Die Urbanisierungsrate bezeichnet den jährlichen Zuwachs des Anteils der Stadt- an der Gesamtbevölkerung.
[02] Condominium Housing in Ethiopia: The Integrated Housing Development Programme, UN-Habitat.
[03] http://en.tute.edu.cn/index/International_Cooperation/Ethio_China_Polytechnic_College.htm
Das College ist Teil des «20 20 Project» unter der China-Africa Cooperation, lanciert vom Ministerium für Bildung in China. Es schafft Partnerschaften von je 20 afrikanischen mit chinesischen Universitäten.
[04] Zu Libor-Konditionen plus 1.5 %; vgl. Deborah Brautigam: The Dragon’s Gift. Oxford 2009.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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