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TEC21 2013|27-28
Geschütztes Moor
TEC21 2013|27-28
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Trocknen die Moore aus?

Moore sind wichtige Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten. Zudem speichern sie in ihrem Torf viel Kohlenstoff. Nach einem starken Rückgang der Schweizer Moore in den vergangenen Jahrzehnten sind die verbliebenen Reste rechtlich geschützt. Die bisherigen Schutzmassnahmen reichen aber nicht aus, um die Qualität der Moore zu erhalten.

Moore sind einzigartige Lebensräume. In den nassen und nährstoffarmen Biotopen gedeihen seltene und hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten. Dazu zählen etwa die Arktische Smaragdlibelle, die auf Kleinstgewässer in Mooren angewiesen ist, oder der Rundblättrige Sonnentau, eine Pflanze, die mit ihren Blättern kleine Insekten fängt. In Flachmooren wachsen auch zahlreiche Orchideenarten. Rund 600 Tier- und Pflanzenarten gelten in der Schweiz als Moorspezialisten.

Moore sind fragil. Sie sind auf einen intakten Wasserhaushalt angewiesen. Trocknet ein Moor aus, weil es zum Beispiel über Gräben entwässert wird, verschwinden die moortypischen Pflanzen.

Im globalen Kohlenstoffhaushalt spielen Moore eine wichtige Rolle. In intakten Mooren wird abgestorbenes Pflanzenmaterial als Torf abgelagert, da es in der feuchten Umgebung nicht vollständig zersetzt wird. Deshalb zählen Moore weltweit zu den wichtigsten Langzeitspeichern für organisch gebundenen Kohlenstoff. Moore bedecken zwar nur 3 % der Erdoberfläche, speichern jedoch fast ein Drittel des in den Böden gebundenen Kohlenstoffs.[1] Damit die Moore ihre CO2-Speicherfunktion erfüllen können, benötigen sie ganzjährig einen hohen Wasserstand. In austrocknenden Mooren baut sich der Torf wegen vermehrter Luftzufuhr ab; dabei entweicht CO2 in die Atmosphäre. Der Schutz der Moore gehört daher neben der Erhaltung der Wälder zu den wichtigsten Pfeilern im Klimaschutz im Bereich der Landnutzungsänderungen.

Der grosse Rückgang der Moore in der Schweiz

Bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde begonnen, in den Hochmooren und zum Teil auch in den Flachmooren Torf als Brennstoff abzubauen. In der Folge wurden zahlreiche Moore vollständig abgetorft. In den Kriegsjahren 1939–1945 wurden 2.5 Millionen Tonnen Torf für Heizzwecke verbrannt.[2]

Im 19. Jahrhundert wurden die ausgedehnten Flachmoore des Mittellands durch die grossen Meliorationen stark dezimiert. Man benötigte landwirtschaftlich nutzbare Flächen. So wurden zum Beispiel durch die Juragewässerkorrektion 1869–1888 zwischen dem Bieler-, Neuenburger- und Murtensee rund 400 km2 Moorfläche trockengelegt. Das Grosse Moos im Berner Seeland zählt heute zu den landwirtschaftlich am intensivsten genutzten Regionen der Schweiz. Infolge von Melioration und Torfabbau sind seit 1900 über 80 % der damals noch vorhandenen Moore verschwunden.[3]

Hoch- und Flachmoore

Nach der Annahme der Rothenthurm-Initiative 1987 wurden die national bedeutendsten Moore in Bundesinventare aufgenommen. Damit ein Moorobjekt nationale Bedeutung erlangt, muss eine gewisse Zahl moortypischer Pflanzen darin vorkommen, und die Moore müssen eine gewisse Mindestfläche aufweisen (Hochmoore: 625 m²; Flachmoore 1 ha). Im Bundesinventar der Hochmoore sind zurzeit 545 Moore mit einer Gesamtfläche von rund 1500 ha aufgelistet – das sind 0.04 % der Landesfläche. Im Bundesinventar der Flachmoore sind insgesamt 1171 Moore mit einer Gesamtfläche von fast 20 000 ha enthalten.[4]

Die Moore sind ungleichmässig über die Schweiz verteilt. Aufgrund des feuchtkühlen Klimas am Alpennordrand kommen sie dort besonders häufig vor. Zwei Drittel der Flachmoorfläche entfallen auf den nördlichen Alpenrand.

Das Projekt «Wirkungskontrolle Moorbiotope»

Für alle Moorobjekte gilt gemäss der Hoch- und Flachmoorverordnung, dass sie in Qualität und Quantität zu erhalten sind. Um festzustellen, ob die Schutzmassnahmen die gewünschte Wirkung erzielen, wurde mit der «Wirkungskontrolle Moorbiotope» ein Überwachungsprogramm ins Leben gerufen. Das Projekt wird von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) durchgeführt.

In 125 zufällig ausgewählten Moorobjekten untersuchte die WSL die Vegetation. Dabei wurden die Vegetationserhebungen der ersten Periode (1997–2001) mit denjenigen der zweiten Periode (2002–2006) verglichen.[5] Aussagekräftige Indikatoren für die ökologische Entwicklung der Moore sind die Feuchtigkeit, die Nährstoffversorgung, der Humusgehalt und der Verbuschungsgrad (Gehölzanteil). Aus den ökologischen Zeigerwerten der vorgefundenen Arten konnte die Qualität des Standorts ermittelt werden. Dazu wurde der Mittelwert aus den Zeigerwerten aller auf einer bestimmten Fläche vorhandenen Pflanzen berechnet. Erhebungen im Feld und die Auswertung von Luftbildern erlaubten Aussagen über alle Moortypen in allen Höhenlagen und Regionen der Schweiz. Die Ergebnisse zeigen, dass die quantitativen Ziele des Moorschutzes erreicht wurden: Die Moore blieben in ihrer Fläche annähernd erhalten.

Die Qualität der Moore hat jedoch deutlich abgenommen. Dies betrifft vor allem Veränderungen des Wasserhaushalts sowie der Nährstoff- und Lichtverhältnisse.

– Über ein Viertel der Moore ist deutlich trockener geworden: Die in den vergangenen Jahrhunderten oder Jahrzehnten angelegten Entwässerungssysteme (Gräben und Drainageröhren) funktionieren immer noch und bewirken eine allgemeine Austrocknung der Moore.

– In einem Viertel der Moore hat die Nährstoffversorgung deutlich zugenommen: Dafür verantwortlich ist der Nährstoffeintrag aus angrenzendem Landwirtschaftsgebiet sowie der Stickstoffeintrag aus der Luft.

– In fast einem Drittel der Moore wachsen deutlich mehr Gehölzpflanzen: Davon betroffen sind nicht mehr landwirtschaftlich genutzte Flachmoore sowie Hochmoore mit Tendenz zur Austrocknung.

– Rund ein Fünftel der Moore weist gestörte Torfbildungsprozesse auf: Trockenere Moore sind besser durchlüftet, der Torf beginnt sich zu zersetzen, was zur Emission von Treibhausgasen führt.

In manchen Hochmooren waren die qualitativen Verluste beziehungsweise die Veränderung der Vegetationszusammensetzung so gross, dass die Hochmoorfläche in der Beobachtungsperiode um 10 % abgenommen hat. Der grösste Teil dieser Flächen wurde neu als Flachmoor klassifiziert. Bei den Flachmooren fand zudem eine Verschiebung von seltenen und naturschützerisch wertvollen Vegetationsgesellschaften zu häufiger vorkommenden statt, die aus Sicht des Naturschutzes eine geringere Qualität aufweisen.

Ausblick

Die in diesem Artikel präsentierten Ergebnisse bilden die Veränderungen zwischen 1997 und 2006 ab. Doch wie haben sich die Moore seither entwickelt? Die Erhebung des Zustands und der Entwicklung der Moore wird künftig im Projekt «Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz» weitergeführt.[6] In diesem von der WSL im Auftrag des Bafu Anfang 2011 gestarteten Projekt wird analysiert, wie sich alle Biotoptypen von nationaler Bedeutung – neben den Mooren auch Auen, Amphibienlaichgebiete sowie Trockenwiesen und -weiden – langfristig entwickeln. Mittels Luftbildanalysen werden grobe Veränderungen wie Verbuschung oder Umnutzung dokumentiert; mit detaillierten Felderhebungen werden subtilere Veränderungen wie das Verschwinden von Pflanzenarten erfasst. In den Amphibienlaichgebieten werden Angaben zu allen vorkommenden Amphibien gesammelt. Mithilfe dieser Daten sollen Veränderungen nicht nur aufgezeigt, sondern auch ökologisch und naturschutzfachlich bewertet werden.


Anmerkungen:
[01] Faizal Parish et al.: Assessment on Peatlands, Biodiversity and Climate Change: Main Report. Global Environment Centre, Kuala Lumpur and Wetlands International, Wageningen 2008. www.imcg.net/media/download_gallery/books/assessment_peatland.pdf
[02] Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft: Moore und Moorschutz in der Schweiz, 2002. www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00893
[03] Thibault Lachat et al.: «Verlust wertvoller Lebensräume» in: Wandel der Biodiversität in der Schweiz seit 1900 – Ist die Talsohle erreicht? Verlag Haupt, Bern 2010.
[04] Hotspot: Biodiversität in Feuchtgebieten, Forum Biodiversität Schweiz, Bern 2007 www.biodiversity.ch/downloads/Hotspot_15_2007dtWEB.pdf
[05] Bundesamt für Umwelt: Zustand und Entwicklung der Moore in der Schweiz. Ergebnisse der Erfolgskontrolle Moorschutz. 2007. www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00067
[06] Ariel Bergamini, Rolf Holderegger: «Die Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz: Ein Monitoringprogramm im Aufbau» in: N L Inside 1/12, S. 14–20, Konferenz der Beauftragten für Natur- und Landschaftsschutz, 2012. www.wsl.ch/biotopschutz

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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