Zeitschrift

TEC21 2013|37
Pier Luigi Nervi
TEC21 2013|37
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Die Bauwerke, die der italienische Ingenieur Pier Luigi Nervi (1891–1979) im Lauf seines rund 60 Jahre umfassenden Schaffens projektierte, faszinieren, weil in ihnen Form und Konstruktion aufeinander bezogen sind: Die in Rippen aufgelöste Kuppel beim Palazzetto dello Sport in Rom (1956–57) erzeugt eine zeltartige Wirkung; beim Stadio Berta in Florenz (1929–32) erwächst die Spannung aus dem «statischen Paradox»[1]; die formale Plastizität des Ponte del Risorgimento in Verona (1963–68) ist eine direkte Antwort auf die konstruktiven Probleme; und die emblematische Wirkung der St. Mary’s Cathedral in San Francisco (1966–71) machen acht auf einem griechischen Kreuz angeordnete hyperbolische Paraboloide aus.

Diese Kirche war indes auch der Schwanengesang – auf Nervis experimentelle Me­thode der Tragwerksprüfung und auf seine Firma: Die Untersuchungen am Modell, die der Ingenieur 1964–65 durchgeführt hatte und die seine Intuition bestätigten ­(«Experiment als Instrument»), wurden ihrerseits bald darauf durch Computerberechnungen überprüft und mithin obsolet gemacht. Aus ingegneria wurde engineering. Dieses besiegelte nicht nur das Ende des von Nervi als Familienbetrieb geführten Unternehmens, sondern auch eines ganzen Zeitalters des Bauingenieurwesens. Pier Luigi Nervi geriet nach seinem Tod zunächst in Vergessenheit – ehe seine Wiederentdeckung einsetzte. Entschlüsselt ist das Phänomen nach wie vor nicht, ist Carlo Olmo überzeugt («Neugier und Obsession»).

Der Kurator der Ausstellung, die ab 19. September an der ETH Zürich gezeigt wird, verweist u. a. auf Nervis vielfältige Inspira­tionsquellen – seine Sammlungen von Pflanzen und von Büchern über Mikroorga­nismen, aus denen sich seine organische Ader speiste.

Einen weiteren Schatz, den es noch zu heben gilt, sind seine zahlreichen Fotografien, auf denen er Bauwerke nahezu aller Epochen seit der griechischen Antike einfing. Eine Art musée imaginaire, in dem er «ad hoc fischte» (Olmo). Auf dem Weg «vom Stahl zum Beton» sind sie auszumachen, die Zitate und Anspielungen.

Bereits initiiert ist, von Nervi zu lernen, ihn als Vorbild zu etablieren. Die BLOCK ­Research Group revitalisiert seine Lehre, seine Experimente und seine Tragwerke: Während eines Jahres lernten Studierende von Gianni Birindelli nach Nervis gleich­namigem Buch «Costruire correttamente». Die grafische Statik wird digital nachge­bildet («Grafische Statik»), und die gewölbten Rippendecken des Palazzo del Lavoro in Turin (1959–60) und des Palazzetto dello Sport werden als Kombination beider Strukturen «modelliert» und ebenfalls in der Ausstellung präsentiert.

Dr. Rahel Hartmann Schweizer


Anmerkung:
[01] Pier Luigi Nervi, Architettura come Sfida, in: Palazzote 1525, 8.–25. 11. 2012, Mantua, o. S.

05 WETTBEWERBE
Saurer WerkZwei in Arbon

09 MAGAZIN
Hybride Landschaftsmodellierung | Ein Haus der Baukultur für Basel | Neubauten – in Kürze

16 NEUGIER UND OBSESSION
Rahel Hartmann Schweizer
Carlo Olmo, ­Professor am Politecnico von Turin, ­analysiert im Gespräch die komplexe ­Persönlichkeit Pier Luigi Nervis.

18 VOM STAHL ZUM BETON
Jürg Conzett
Zwischen den Fachwerken des 19. Jahrhunderts in Eisen und Stahl und Nervis filigranen Betontragwerken besteht ein überraschender Zusammenhang.

20 EXPERIMENT ALS INSTRUMENT
Gabriele Neri
Pier Luigi Nervi verliess sich nicht auf abstrakte konstruktionswissenschaftliche Berechnungen, sondern prüfte seine Tragwerke am Modell.

23 GRAFISCHE STATIK
Tom Van Mele, Claudia Ernst, Philippe Block
Lernen von Nervi könnte z. B. heissen, sich auf die grafische Statik zu besinnen. Die BLOCK Research Group an der ETH Zürich greift auf diese Methode zurück.

27 SIA
Fit für Wettbewerbe | Auftragsbestand in Rekordhöhe

31 FIRMEN
SVGG | DM Bau

37 IMPRESSUM

38 VERANSTALTUNGEN

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