Zeitschrift

TEC21 2014|14
Das Modell
TEC21 2014|14
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Nahtlose Planung

Das dreidimensionale, digitale Gebäudemodell soll das Bauwerk verketten: vom Wettbewerb über die Werk­planung bis hin zum Facility Management. Die Zürcher Firma Kaulquappe GmbH hilft bei der Umsetzung.

Das digitale 3-D-Gebäudemodell weist zwei Kerneigenschaften auf, die es von traditionellen CAD-Zeichnungen unterscheiden: Zum einen besteht es aus dreidimensionalen Geometrieelementen, die zusätzlich Metainformationen aufnehmen können. Zum anderen sind diese Elemente in einen hierarchischen Kontext (Grundstück, Gebäude, Geschoss, Wand, Aussparung) eingebettet.

Im Gegensatz zum isoliert gezeichneten, digitalen Grundriss entstehen die digitalen Gebäudemodelle in einem parametrischen Modellierprozess. Der Planer definiert beispielsweise eine Wand nicht nur durch ­einen Linienzug im Grundriss, sondern durch ein geometrisches Objekt «Wand» mitsamt dessen Eigenschaften wie Schichtaufbau, Materialien und Angaben zu konstruktiven Zusammenhängen mit angrenzenden Bauteilen. So kann die Geometrie einer Stütze in Abhängigkeit von den benachbarten Bauteilen definiert werden: von der Oberkante der Bodenplatte bis zur Unterkante der Decke. Durch die Eingliederung der einzelnen Objekte in den hierarchischen Geschossaufbau entsteht eine strukturierte, dreidimensionale Abbildung, die die Informationen verschiedener Planer ­transportieren kann und Konflikte sichtbar macht. Der Spielraum für Missverständnisse sinkt, und die Zu­sammenarbeit über die Fachdisziplinen wird erleichtert, da räumliche Begrenzungen stets drei­dimensional vorhanden sind und nicht aus zweidimensionalen, separaten Plänen interpretiert werden müssen.

Umsichtig parametrisiert

Der Einsatz dieser digitalen Gebäudemodelle gegenüber den gewohnten Planungsmethoden erscheint im ­Moment häufig als zu komplex, aufwendig oder daten­intensiv (vgl. TEC21 45/2013 «Schafft BIM Ordnung?»). Dabei wird ein wichtiger Aspekt übersehen: Die parametrischen Modelle basieren auf dem Konzept typisierter «Platzreservation» (Abb. oben links). Mit einfachen geometrischen Elementen lässt sich zu Beginn ein schlanker Grundentwurf aufbauen, der noch ohne Details auskommt. Mit fortschreitendem Planungsstand werden die einzelnen Elemente des Modells – wo nötig – im Informationsgehalt (LOD = Level of Detail) verdichtet, bis schlussendlich ein für die Ausführung geeigneter Detaillierungsgrad erreicht ist. An diesem Punkt können auch zweidimensionale Pläne wieder eine Rolle spielen: Das Regeldetail muss nicht zwingend dreidimensional modelliert werden. Im Dialog zwischen den Planern müssen zudem diejenigen Bereiche identifiziert werden, bei denen es sich lohnt, den Aufwand für die Modellierung zu betreiben. Im Holzbau werden zum Beispiel die digitalen Informationen nahtlos in die Arbeitsvorbereitung eingespeist – bis in die Produktionsmaschinen. Die «digitale Kette» wird bis zur Werkplanung weitergeführt.

Jede Bauaufgabe profitiert in unterschiedlichem Mass vom Einsatz eines digitalen Gebäudemodells. Bei geometrisch einfacheren Typologien lässt sich insbesondere die Planung beschleunigen: Aufbauten und Schichtenrisse können dynamisch angepasst, Schnitte neu generiert und Ausmasse direkt ermittelt werden. Für die Integration der Haustechnik in die Rohbauplanung helfen bereits rudimentäre digitale Gebäudemodelle. Sie steigern die Kosten- und Planungssicherheit und stellen eine kohärente Basis für die Ausführung auf der Baustelle dar.

Bei Gebäuden mit komplexer Geometrie wird das Korsett der üblichen BIM-Softwares zu eng. Ihre Komplexität kann nur bewältigt werden, indem eine parametrische Vorgabe die Bauteile generiert. Die digitale Kette wird hier mit speziellen Aufbaumodulen der gängigen CAD-Programme gewährleistet. Späte Änderungen am Entwurf sind in der traditionellen ­Planung problematisch. Solche Fälle können durch das digitale Gebäudemodell bewältigt werden, da Entwurf und Produktion näher zusammenrücken. Nach heutigem Stand der Technik ist die Arbeit an einem einzigen, gemeinsamen und zentralen Modell wegen der heterogenen Softwareumgebung noch nicht praxistauglich. Dennoch lassen sich Teilmodelle der einzelnen Disziplinen zusammenführen. Hier liegt eine der Kernaufgaben des neuen Berufsfelds «BIM-Koordinator»: Er muss den Transfer prüfen und ihn ohne wesentliche Informationsverluste gewährleisten können. Eine dritte Möglichkeit bietet die Arbeit an gewerkspezifischen Modellen, die das Gesamtmodell referenzieren (Abb. oben rechts). Dieser Ansatz ermöglicht die gewohnten klaren Verhältnisse in Bezug auf Leistungen, Verantwortlichkeiten und Haftung.

Das digitale Gebäudemodell ist im Planeralltag angekommen. Mit unterschiedlichen Tiefen der Inte­gration bietet es die Möglichkeit, auf die Gepflogenheiten der Schweizer Planungskultur einzugehen. Als neues Werkzeug regt es auch an, Planungsabläufe zu etablieren, in denen die Vorteile der Methode besser zur Geltung kommen. Diese Entwicklung wird erst durch eine langfristige, schrittweise Aneigung des Werkzeugs erfolgen. Mit seinem logischen Aufbau fordert das parametrisierte Modell die Planer heraus, ihre Konzepte klar zu strukturieren – und unterstützt sie dabei, komplexe Bauaufgaben zu konstruieren und umzusetzen.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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