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Seelenlandschaft

Totenkapelle und Erweiterung des Friedhofs in Katharinaberg (I)

In einem Dorf im Südtiroler Schnalstal wurde der Friedhof erweitert und um eine Totenkapelle ergänzt. Entstanden ist ein bemerkenswerter Ort, der durch klare Formen und zurückhaltende Gestaltung Ruhe und Konzentration ausstrahlt. Ein Platz für Trauer und Abschiednahme – ohne Pathos und bedrückende Schwere.

1. Dezember 2015 - Ulrike Kunkel
Das Dorf Katharinaberg im Schnalstal liegt recht spektakulär auf einem Bergsporn in 1 245 m Höhe. Von Meran kommend, erschließt sich das ca. 22 km lange Tal rechter Hand nach Nordwesten. Durch einen Tunnel gelangt man in die felsige Eingangsschlucht, passiert zunächst das Schloss Juval und erreicht nach einiger Zeit den Abzweig Richtung Katharinaberg. Die schmale Straße schlängelt sich auf den ca. 200-Seelen-Ort zu und gibt in der einen oder anderen Biege bereits den Blick auf den Kirchberg mit neuer Friedhofserweiterung und -einfassung sowie Totenkapelle preis. Durch die steile Hanglage und das damit einhergehende hohe »Fundament«, ragt die Kapelle aus dieser Perspektive doppelt so hoch auf, wie auf der Eingangsseite zur Kirche hin. Die Pfarrkirche St. Katharina im Hintergrund behauptet sie sich also durchaus selbstbewusst vor ihrem Nachbarn.

Bisher hatte die Gemeinde Schnals, zu der neben Katharinaberg noch vier weitere Ortschaften gehören, keine Totenkapelle, da die dreitägige Aufbahrung vor dem Begräbnis traditionell zu Hause stattfand. Durch veränderte Wohn- und Lebensformen kommt man allerdings auch hier mehr und mehr davon ab, sodass eine Kapelle für die Aufbahrung erforderlich wurde. Der kleine, in Form und Gestaltung bestechend simple und zurückhaltende Bau bietet nun den angemessenen Rahmen für die stille und persönliche Trauer und Verabschiedung, aber auch für die gemeinschaftliche am Tag der Beerdigung, an dem sich die Trauergemeinde auf der Rasenfläche vor der Kapelle versammelt.

Bei nicht einmal 1 300 Einwohnern im gesamten Schnalstal, überrascht es zunächst, dass auch eine Friedhofserweiterung notwendig wurde. Doch die Erklärung liegt in einer Besonderheit des Schnalstals: Jeder Verstorbene bekommt hier eine neue Grabstelle, sodass alle Familien mehrere Gräber haben, und das erfordert Platz. Daher wurde der Friedhof bereits einmal vergrößert und mit einer Stützmauer eingefasst. Nun stand eine neuerliche Erweiterung an und ein geeignetes Terrain musste gefunden werden. Den Bereich direkt an der Kirche zu nutzen kam nicht in Frage, da wegen des sehr steinigen Bodens die mögliche Aushubtiefe nach heutigen Anforderungen zu gering gewesen wäre. Also folgte die Gemeinde der Idee des Architekten, um die erste Ringerweiterung einen zweiten Ring zu legen; ebenfalls befestigt durch eine verputzte Mauer. Diese wird auf der westlichen Hangseite von einer Treppe begleitet, die einen wieder auf das Geländeniveau der Kirche und auf die Rasenfläche davor, einem alten Gräberfeld, bringt. Von hier aus ist auch die neue Totenkapelle zugänglich. Die kleine Kapelle ist als Teil der Einfriedungsmauer zu lesen und wächst quasi aus dieser heraus. Beide sind in Betonkonstruktion errichtet und einheitlich mit einem verriebenen, grobkörnigen Putz verputzt. Die Dachfläche aus Lärchenholz unterstreicht die Verbundenheit mit der Natur, farblich hat sich das silber-grau gewordene Holz inzwischen der hellen Farbe des Putzes angeglichen. Die Sparren aus Lärchenholz sind im Innenraum sichtbar; darüber liegt eine Schalung, auf der Schalung eine PVC-Haut, die das Wasser in die Dachrinne führt, darüber, mit einigem Abstand, die Holzbretter. So kann die Dachrinne versteckt liegen und nichts stört die klare, einfache Linie.

Ein Ort der Helligkeit

Durch ein großes zweiflügliges Tor, das in die Eingangsseite aus Lärchenholz eingeschnitten ist, betritt man das Innere des Aufbahrungsraums. Die hellen, glatt verputzten Wände, der offene Dachraum und der polierte Betonestrich prägen den nahezu undekorierten Raum. Und natürlich die Natur!

Die komplett verglaste Stirnseite öffnet sich zum Tal hin und holt die grandiose Landschaft in das Gebäude hinein. Der Blick zu den Bergen, den Wäldern und in den Himmel spendet den Trauernden Trost. Im Vordergrund lediglich ein minimalistisches Kreuz. Der neutral gehaltene Raum und der Bezug zur Natur berühren die Sinne und schaffen einen friedlichen Ort der Ruhe und der Einkehr. Eine »Stube«, die Platz für den schwierigen Prozess des Abschiednehmens bietet und Nähe zum Verstorbenen zulässt.

Trauer und Tod architektonisch eben nicht mit Dunkelheit, Schwere und üppiger Symbolik gleichzusetzen, das war dem Architekten Arnold Gapp ein wichtiges Anliegen. Dass Architektur im Falle der Trauer unterstützend wirken kann, diesen Eindruck vermittelt der kleine Bau durchaus eindrucksvoll.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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