Zeitschrift

TEC21 2015|51-52
Tessiner Träume
TEC21 2015|51-52
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Ersatzneubau in San Nazzaro, Gambarogno

Clavuot Architekten

18. Dezember 2015 - Andrea Pedrazzini
Das von Conradin Clavuot entworfene Ferienhaus in San Nazzaro befindet sich direkt unter der Kantonsstrasse und neben dem öffentlichen Lido. Es steht vom Boden abgehoben auf einer Stahlbetonplatte und bleibt so von den allfälligen Hochwassern des Lago Maggiore unberührt. Seine äussere Form und die schwebende Position sind ein überraschender Blickfang am See.

Der Charakter des Hauses ist stark vom Tragwerkskonzept geprägt. Die zwei Betondecken, die die Wohn­ebene definieren, kragen von einem zentralen Gebäudekern bis zu 3.50 m in Richtung der Fassaden aus. Ihre Form folgt der Logik der Kräfteverteilung: Im Zentrum, wo sie eingespannt sind, sind sie 75 cm, am äussersten Punkt der Auskragung, wo die Kräfte gering sind, nur noch 20 cm stark. Die zwei horizontalen Tragelemente sind identisch, aber spiegelverkehrt: Die ebenen Flächen liegen innen, wo sie als Boden und Decke dienen. Die aussen liegenden, geneigten Flächen bilden die Dachschrägen bzw. die Form des schwebenden Schiffsrumpfs. Der starre Körper ruht auf zwei rechteckigen Stützen, die zentral in der Längsachse des Hauses angeordnet sind. Aufgrund des wenig tragfähigen Baugrunds wurden für die Fundierung der Stützen sechs Mikropfähle eingesetzt, die die einwirkenden Kräfte in den Untergrund ableiten.

Das Tragwerksverhalten gegenüber ständigen Einwirkungen ist in­tuitiv erfassbar, das Gleichgewicht bei veränderlichen vertikalen und horizontalen Einwirkungen gestaltet sich hingegen deutlich komplexer. In Längsrichtung wird die Stabilität durch die Rahmenwirkung der zwei Stützen im Zusammenspiel mit der steifen unteren Betonplatte gewährleistet. In Querrichtung können die zwei Stützen die asymmetrischen horizontalen und vertikalen Einwirkungen jedoch nicht vollständig ­aufnehmen. Deshalb ist die untere Betonplatte auf Höhe der Stützenköpfe über einen Horizontalbalken mit einem entlang der Steinmauerkrone erstellten Ankergewicht verbunden. Obwohl das Eigengewicht der neuen Mauerkrone aus Stahlbeton gering ist, verhindert es dank deren Position ein Kippen des Hauses. Bei horizontalen Einwirkungen nehmen die Horizontalbalken nicht nur Biege-, sondern auch Zug- und/oder Druckkräfte auf und entlasten so die Stützen von den Biegebeanspruchungen. Zudem ist die Mauerkrone monolithisch mit der Aussentreppe und diese wiederum mit der Decke des entlang der Kantonsstrasse liegenden Parkhauses verbunden. So werden die horizontalen Einwirkungen auf das Tragwerk des Hauses über die Scheibenwirkung der Treppe auf die Stützen des Parkhauses und auf den Körper des darunterliegenden kleinen Lagers übertragen, was die Horizontalstabilität des Gebäudes gewährleistet.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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