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TEC21 2018|23
Bahnhofstrasse 53, Zürich
TEC21 2018|23
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Bleibt alles anders

Die Nutzungen ändern sich, die Substanz bleibt: Der Umbau des 1925 erstellten Baus an der Bahnhofstrasse 53 in Zürich durch Tilla Theus und Partner war ein Abwägen zwischen zeitgenössischen ­Bedürfnissen, baukulturellen Überlegungen und – passend zur ­Nachbarschaft – dem optimalen Verhältnis von Preis und Leistung.

8. Juni 2018 - Tina Cieslik
Im Jahr 1894 eröffnete die Schweizerische Volksbank ihre Filiale an der Bahnhofstrasse 53 in Zürich. Doch schon zwanzig Jahre später war der Bau zu klein, und die Volksbank veranstaltete einen Wettbewerb für einen Ersatzneubau.[1] Für die Ausführung taten sich der erstrangierte Architekt Otto Hon­egger und der viertrangierte Hans W. Moser in einer Architektengemeinschaft zusammen und kombinierten ihre Entwürfe. Das Resultat war ein Sandsteinbau mit zurückhaltender, strenger Fassade – ein typisches Beispiel eines auf Sicherheit und Seriosität ausgerichteten Bankhauses.

Für die Gestaltung zeichneten namhafte Künstler wie der Plastiker Otto Münch, der die Terrakottaverkleidung der Schalterhalle schuf, oder der Bildhauer Eduard Zimmermann verantwortlich. Er kreierte die beiden Bronzeskulpturen und die drei Steinmedaillons zwischen und über den drei Haupteingängen (Grundrisse).

1993 wurde die Volksbank Teil der Credit Suisse, die fünf Jahre später das Erdgeschoss an verschiedene Läden vermietete und in den oberen Etagen weiter Büros unterhielt. 2004 wurde der Bau unter Denkmalschutz gestellt. Acht Jahre später verkaufte die CS den Bau mit der attraktiven Adresse für kolportierte 300 bis 400 Mio. Franken an das Versicherungsunternehmen AXA, das ihn anschliessend gesamthaft instandsetzen liess.

Ausschlaggebend für den Kauf war eine Machbarkeitsstudie des Zürcher Architekturbüros Tilla Theus und Partner. Die Architekten hatten die Bestandspläne genau studiert und einen Kunstgriff zur Wertsteigerung vorgeschlagen: Die Decke des zweiten Untergeschosses wollte man absenken und dem 1. UG so wertvolle Raumhöhe schenken. Von knappen 2.50 m konnte diese damit auf attraktive 4.20 m (Rohbau) erhöht werden. Neben dem Optiker Visilab und der Modemarke Massimo Dutti im EG belegen heute der Flagship-Store der Mode­marke COS und das Bindella-Restaurant Ornellaia die Flächen.

Ein Hauch Extravaganz

Im Rahmen der Instandsetzung wurde 2015 der Unterschutzstellungsvertrag zwischen den Hauseigentümern und der Stadt Zürich angepasst und aktualisiert («Erhalten, ersetzt, ertüchtigt», Kasten unten). Das Büro Tilla Theus zeichnet verantwortlich für den Gesamt­umbau der Liegenschaft, den Innenausbau der Bürogeschosse 1 bis 6 und für jenen des Restaurants. Letzteres ist als Reminiszenz an einen toskanischen Innenhof konzipiert, mit gebrochenem Travertin an den Wänden, einer offenen Küche und einer Eiche, die allerdings mit der Krone nach unten von der Decke hängt.

Die schwierigen Proportionen des mit 23.4 m sehr langen und auch schmalen und hohen Raums werden etwas gelindert durch die abgeschrägten Verspiegelungen an den ebenfalls sehr hohen Fenstern. Deren Brüstungshöhe liegt auf 1.85 m, die Spiegel schaffen (verzerrten) Sichtkontakt nach aussen.

Neben überaus aufwendigen Eingriffen am Tragwerk inklusive Erdbebenertüchtigung (vgl. «Aufgefrischtes Äquivalent») waren zwei Schwerpunkte der Umbauarbeiten die vier Treppenhäuser und die Anpassungen bei den Fenstern. In den vertikalen Erschliessungen wurden die schmiedeeisernen Vergitterungen aufgefrischt oder ersetzt und die Stuckdecken sowie die originale Farbigkeit der Deckenfriese in ­Karminrot wiederhergestellt.

Bei den Fenstern entschieden sich die Planer für Holzrahmen nach historischem Vorbild. Eine Besonderheit sind die Schaufenster der Läden im Erdgeschoss: Dem Diskretions- und Sicherheits­bedürfnis der Bank folgend waren sie ursprünglich vergittert und lediglich mit einem kleinen Schaukasten versehen – zu unattraktiv für ein Ladengeschäft an bester Zürcher Lage. Die Gitter waren bereits bei den letzten Renovationsarbeiten 2004 entfernt worden. Nun schoben die Architekten die jetzt verglasten Schaukästen 80 cm nach vorn, bis zur Aussenkante der Gesimse, was die Sichtbarkeit der aus­gestellten Ware deutlich erhöht.

Bei den Büros wünschten es die Mieter, die Anwaltskanzlei Niederer Kraft & Frey, klassisch: Vorwiegend Einzelbüros reihen sich an den Aussenfassaden und hin zum Innenhof entlang des fünfeckigen Grundrisses. Die Materialisierung ist pragmatisch, mit weis­sen Tapeten und grauem Teppich. Eine Ausnahme bildet das 2. Obergeschoss, das als repräsentative Empfangs­ebene gestaltet ist: Die Wände der Korridore sind hier entweder mit tiefblau eloxierten Aluminiumplatten belegt oder mit weissem Stucco lustro verputzt, die Stützen beige marmoriert.

Der Boden aus bayrischem Fruchtschiefer und Hauteville-Marmor erinnert an den Belag der ­Schalterhalle. Dazu kommt das ehemalige Verwaltungsratszimmer, das sich mit Holztäfer, Lüster und einem barocken Kachelofen präsentiert. Unkonventionell ist der Aufzug in die Kanzlei: Mit trapez­förmigen Grundriss und voll verspiegelt soll er klaustrophoben Zeitgenossen die Angst vor der Enge nehmen. Das endlos gespiegelte Bildnis wirkte im Selbsttest allerdings eher verstörend.

Die Visitenkarte des Baus sind die weiterhin öffentlich zugängliche Schalterhalle im EG und der ­Tresorraum im UG – Shopping sei Dank. Tilla Theus setzte die Räume gemäss denkmalpflegerischen Kriterien instand. Die Schalterhalle erhält mit dem renovierten Dach aus Glasbausteinen wieder Tageslicht, bei Bedarf wird eine darunter eingesetzte Lichtdecke aktiviert. Bei den Böden gab es eine Überraschung: Gemäss historischen Quellen aus Solnhofener Kalk, handelte es sich gemäss Materialproben tatsächlich um Hauteville-Marmor, in Kombination mit bayrischem Fruchtschiefer.

Die Böden wurden aufgefrischt, die charakteristischen Terrakottaplatten der Pfeiler, Wandnischen und Türgewände, wo beschädigt, nachgegossen und ersetzt. Auch der Kundentresorraum im 1. UG wurde in den Originalzustand ver­setzt. Heute wie damals säumen Schliessfächer die Wände, den Raum selbst betritt man durch eine acht Tonnen schwere Tresortür. Wo einst Geld gehortet wurde, kann man es heute ausgeben: Die beiden Räume beherbergen nun die Niederlassung der schwedischen Modemarke COS.

Für den Ladenbau war an dieser Stelle ein Londoner Büro im Auftrag des Mieters zuständig. Es wusste die expressiven Räume nur bedingt zu nutzen: In der Schalterhalle mögen die grazilen Kleiderständer mit den soliden Stützen interessant kontrastieren, der überdimensionierte Kubus für die Garderoben im rückwärtigen Teil verstellt hingegen die Sicht auf die originalen Wandtafeln und verunklart den Raum. Bitter wird es beim Tresorraum: Während der Zugang durch den schön gestalteten Vorraum und die mächtige Tresortür spannungsvoll inszeniert ist, verstellte man die umlaufenden Schliessfächer an den Wänden mit den Kleiderständern – zu eng und zu viel für den Raum. Schade.


Anmerkung:
[01] Schweizerische Bauzeitung, 75–76/1920, Heft 4, S. 38 ff.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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