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werk, bauen + wohnen 10-18
Dorfbau
werk, bauen + wohnen 10-18
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Setzt man sich in ein beliebiges Postauto und fährt hinaus aufs Land, dann nimmt nicht nur das Auge die Stadt mit. Ganz egal, wie weit man sich von den Zentren entfernt: Überall machen sich die plumpen Mehrfamilienhäuser der Investorenarchitektur breit, aussengedämmt und mit grossen Fenstern zur ländlichen Kulisse. Dass die soziokulturelle «Urbanisierung der Landschaft» mehr ist als eine Fiktion des ETH-Studio Basel (der Soziologe Christian Schmid postulierte dies zusammen mit Marcel Meili vor 12 Jahren im städtebaulichen Porträt der Schweiz) beweisen diese allgegenwärtigen Einsprengsel von Agglo-Architektur auf dem Land.
Der Strukturwandel (sprich: das unaufhaltsame Schrumpfen) der Landwirtschaft, preiswert verfügbares Bauland, gut ausgebaute Strassen und ein Überschuss von anlagesuchendem Kapital wirken zusammen, um aus bäuerlichen Orten allmählich Pendlergemeinden zu machen: städtisch geprägte Wohnzonen. Unweigerlich bringen die Zuwanderer ihre städtisch mobile Lebensweise mit, vom Dorf bleibt nur sein Bild. Das Phänomen ist nicht neu, nur durch die anhaltende Hochkonjunktur sichtbarer geworden.
Umso mehr stellt sich die Frage, was «das Dorf» in der Zeit der Globalisierung überhaupt ausmacht – in städtebaulicher Hinsicht wie in wirtschaftlicher oder kultureller – und welches die Bedingungen sind, die gutes Bauen auf dem Land möglich machen: eine Architektur, die dem Dorf das zurückgibt, was es für gutes Geld oft bereitwillig veräussert: Selbstbewusstsein, Angemessenheit, Pragmatismus, Qualität, einen Bezug zum Ort und zu den Menschen, die ihn bewohnen. Dazu braucht es Anstrengungen auf allen Ebenen, vom Sitzungszimmer des Gemeinderats über das Raumplanungsbüro bis in die Werkstatt der Unternehmerin. Dann kommt die Architektur zum Zug.
Trotz solcher Bemühungen sind Dörfer in Randlage abseits der Zentren weiterhin von Abwanderung bedroht. Eben deshalb unternahm die Gemeinde Cressier die Anstrengung, mit neuen Mietwohnungen junge Menschen an den Ort zu binden. Doch von diesen stehen einige noch leer, ebenso wie in den anderen hier gezeigten Beispielen. In Zeiten niedriger Zinsen ist die Konkurrenz des Wohneigentums mächtig, ebenso wie die grösserer Zentren mit attraktiverer Infrastruktur.

Rekonstruktion des Ländlichen
Architektur erschaffen im verbindlichen Raum
Tibor Joanelly. Rasmus Norlander (Bilder)

Städtebau auf dem Dorf
Alt und Neu in Cressier FR von LVPH architectes
Dieter Schnell, Rolf Siegenthaler (Bilder)

Das Dörfliche kehrt heim
Siedlung Orenberg in Ossingen ZH von BDE Architekten
Benjamin Muschg, Roger Frei (Bilder)

Partizipativ planen
Ein exemplarisches Leitbild für den Umgang mit dem Weiler Kirchbühl
Daniel Kurz, HSLU – Technik und Architektur (Bilder)

Die essbare Landschaft
Schaukäserei Kaslab’n in Radenthein (A) von Hohengasser Wirnsberger Architekten
Albert Kirchengast, Christian Brandstätter (Bilder)

Verdichtung und Vermittlung
Sporthalle in Haiming D von Almannai Fischer mit Harald Fuchshuber
Florian Aicher, Sebastian Schels (Bilder)

Zudem:
werk-notiz: Die Landschaft steht unter Druck. Der erste Schweizer Landschaftskongress versucht dem mit den Mitteln der Aufklärung und Überzeugungsarbeit Rechnung zu tragen.
Debatte: Damit aus der Peripherie planerisch etwas wird, sind städtebauliche Mittel gefragt – allerdings andere als in der Agglomeration oder in der Stadt. Roman Hanimann vom Atelier van de Wetering ruft zum Überdenken der Planungsinstrumente auf.
Wettbewerb: Ein junges Team gewann den Wettbewerb Guggach 3 für preisgünstiges, «einfaches Wohnen» in Zürich. Philippe Jorisch erklärt, wie es den Architekturschaffenden gelungen ist, mit modernem Städtebau und einem «Münchner Zimmer» kostengerecht zu entwerfen.
Recht: Das Wegrecht ist eine Dienstbarkeit, die oft bei Abparzellierungen zur Anwendung kommt und nicht zuletzt dichteres Bauen möglich macht. Worauf man bei diesem Instrument achten muss, wenn man es weiter fassen möchte, erklärt Dominik Bachmann.
Bücher: Zwei unentbehrliche Publikationen für alle, die die neue Schule besser verstehen möchten.
Ausstellungen: Im Gewerbemuseum Winterthur fragt die Ausstellung Hello, Robot, ob es künftig überhaupt noch Gewerbe geben wird. Und in Stockholm zeigt Public Luxury, wie in der Zeit der Digitalisierung Öffentlichkeit hergestellt werden kann.
Film: Rem Koolhaas im Porträt.
Nachruf: Christian Menn (1927 – 2018)
Kolumne: Architektur ist ... miaau
Pendeln am Hang: Fünf Wände, dazwischen Treppen und nur der Raum. Die Architekten Christian Scheidegger und Jürg Keller haben mit dem Tessiner Bauingenieur Mario Monotti ein Haus gebaut. Darin verbinden sie das Konzeptionelle mit dem Kontextuellen.
Bar jeder Konkurrenz: In der Covadonga-Bar im Quartier Roma Norte treffen sich regelmässig sieben Architekturschaffende aus aller Welt, die in Mexiko einen Wirkungsort gefunden haben. Im Schwellenland sind die Aufgaben vielfältig und zahlreich – bei der Bewältigung hilft man sich gegenseitig.
werk-material: Hagmann-Areal in Winterthur-Seen von ARGE Hagmannareal weberbrunner architekten ag und soppelsa architekten gmbh, Zürich
werk-material: Mehrfamilienhaus Rigaud in Chêne-Bougeries von Bonhôte Zapata, Genève

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