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anthos 2018/04
Landwirtschaft & Nahrung
anthos 2018/04
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Grosse Vielfalt auf kleiner Fläche

Mit dem Postauto nur eine gute Viertelstunde von Zürich entfernt, liegt das Dorf Oberwil-Lieli idyllisch eingebettet in die hügelige Landschaft östlich des Reusstals. Hier leistet ein Landwirtschaftsbetrieb Pionierarbeit: Der Birchhof der Familie Gündel betreibt auf einem Drittel der Betriebsfläche Permakultur.

23. November 2018 - Dania Genini
Alles begann mit einer Vision. Vor gut fünf Jahren konnte der Bio-Birchhof ein Stück Land erwerben, welches nach und nach in einen Permakulturgarten verwandelt wurde. Heute sind die Permakulturelemente ein fester Bestandteil des Betriebes. Auf einer Fläche von insgesamt rund fünf Hektaren (2,7 Hektaren in eigenem Besitz) wachsen Kräuter, Gemüse, Obst und Weihnachtsbäume in Mischkulturen.

Förderpflanzen helfen Nutzpflanzen

Das Prinzip der Permakultur vereint die verschiedenen Funktionen der Pflanzen in drei Vegetationsschichten (Bäume, Sträucher, Wildkräuter). Neben den eigentlichen Nutzpflanzen (Obst, Nuss, Gemüse, Getreide, Holz) wachsen Förderpflanzen für die Stickstoffbindung (Lupinen, Bohnen, Erbsen), die Förderung von Mineralsalzen aus tiefen Schichten (Beinwell) oder die Gründüngung. Ergänzt werden diese artenreichen Biotope mit Tümpeln, Ast- und Steinhaufen. Mit dieser gezielten Nützlingsförderung werden das gesamte Ökosystem stabilisiert und die einzelnen Elemente und Flächen vernetzt.

Nachhaltigkeit braucht Zeit

Damit die Massnahmen nachhaltig greifen können, braucht es Zeit. Im Gegensatz zu den Monokulturen der industrialisierten Landwirtschaft werden hier beispielsweise Bäume gepflanzt, die erst einmal ein paar Jahre benötigen, um sich auf der Fläche zu etablieren.

Die Nachhaltigkeit ist neben der Diversität der Kulturen ein weiterer Grundgedanke. Und wenn der Bewirtschafter einer Fläche nicht auch Eigentümer derselben Fläche ist, muss er Überzeugungsarbeit leisten: Tümpel oder Hochstammobstbäume sind langfristige Investitionen. Dies ist laut Birchhof-Betreiber Roger Gündel eine der grossen Schwierigkeiten der Permakultur und wohl ein Grund, weshalb nicht viele Betriebe so wirtschaften. Nur wenige Grundeigentümer lassen sich auf langfristige Verträge ein, welche mit einer Umgestaltung der Fläche in einen Permakulturgarten einhergehen.

Betrachtet man die Vorteile, wie sie Gündel ausführt, klingt eine Umstellung zukunftsweisend. Mit den Techniken der industrialisierten Landwirtschaft schreitet der Humusabbau unaufhaltsam voran (ein Zentimeter Humusaufbau benötigt 100 Jahre!) und es werden unverhältnismässig viele Ressourcen verbraucht. Die überall initiierten Bodenverbesserungsprojekte stellen eher eine Symptombekämpfung dar, denn solange an der Bewirtschaftung nichts geändert wird, bleibt auch das Problem bestehen.

Gegen Humusabbau

Mit den Methoden der Permakultur kann die Ursache des Humusabbaus beseitigt werden. Neben Bodenverbesserung kann auch eine -vermehrung erreicht werden. Dass die Massnahmen auf dem Birchhof bereits erste positive Auswirkungen haben, zeigen Messungen der Berner Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL: Für landwirtschaftliche Nutzflächen weist der Boden eine unüblich hohe Anzahl an Mykorrhizapilzen auf. Dies bedeutet für die Pflanzen Nährstoffe und Wasser, aber auch Schutz vor Schädlingen, Infektionen und Trockenheit.

Permakultur-Massnahmen werden auf dem Birchhof kombiniert mit einer reduzierten Bodenbearbeitung. Damit spricht Gündel gleich auch den grossen Nachteil an: Der Arbeitsaufwand für eine Produktion von nachhaltigen Gemüsekulturen bedeutet einen grossen Mehraufwand, es kommen kleinere Maschinen zum Einsatz und es wird mehr von Hand gearbeitet. Daraus resultieren für die Produkte höhere Preise.

Vertrieb

Der Birchhof experimentiert auf den neuen Flächen mit Arten und Sorten. Neben den bekannten Produkten wird das unentdeckte Obst und Gemüse mit Gemüseabos – aktuell an rund 100 KundInnen – vertrieben. Neben den Abonnements werden die Produkte im Hofladen und auf drei Wochenmärkten verkauft. Der Birchhof ist momentan auf Spenden angewiesen, um wachsen zu können. Zusätzlich arbeiten viele Helfer ehrenamtlich auf dem Hof mit. Der Ertrag aus der Produktion deckt den Aufwand, aber grössere Investitionen können nicht gemacht werden.

Die zukünftige Entwicklung der Landwirtschaft ist mit der abgelehnten schweizweiten Abstimmung zur Volksinitiative am 23. September «Für Ernährungssouveränität. Die Landwirtschaft betrifft uns alle» wieder offener. Egal, wie lokal also gewirtschaftet wird: Die Politik – und damit wir KonsumentInnen! – hat einen grossen Einfluss auf die Zukunft unserer Landwirtschaft und unserer Ernährung.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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