Zeitschrift

werk, bauen + wohnen 12-18
Giancarlo De Carlo
werk, bauen + wohnen 12-18
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
Während der Recherche zu diesem Heft begegneten wir in der Schweiz erstaunlich vielen Architekturschaffenden, die in irgendeiner Form einen Bezug zu Giancarlo De Carlo haben: Sei es, dass sie als Studierende an einem der ILAU-Workshops in Urbino oder den Sitzungen des Team X teilgenommen hatten oder dass sie den italienischen Architekten noch persönlich kannten. De Carlo gehört zu den einflussreichsten Architekten Italiens im vergangenen Jahrhundert. Dass sein Werk für viele Jüngere aber erst zu entdecken ist, erstaunt nicht. Denn es liegt sozusagen im toten Winkel der Deutschschweizer Tendenzen. Jene sind stark geprägt vom Denken Aldo Rossis und den Werken «neorealistischer» Italiener. De Carlo, geboren 1919 und verstorben 2005, gilt als einer der wichtigsten Vertreter einer partizipativen Architektur. Schon sehr früh hat er aus einer auch für den «Neorealismo» typischen Neigung heraus versucht, die Bedürfnisse der einfachen Menschen, der Nutzer seiner Architektur in den Entwurf miteinzubeziehen. Dass ihm der Dialog dazu als das richtige Mittel erschien, und dass er diesen nicht scheute, hat sicher auch mit seiner anarcho-libertären Gesinnung zu tun. Grundlegend dafür waren De Carlos grosses Interesse am Aushandeln und sein Bekenntnis zur Eigeninitiative. Dass Partizipation zu einer besseren Architektur beitragen kann, widerspricht einem weit verbreiteten Vorurteil. Die Methoden, die De Carlo für die Planung seiner bekanntesten Wohnbauprojekte entwickelt hat, weichen um einiges von der heutigen Praxis partizipativer Prozesse ab und sind noch stark von Schlagworten wie «Wissenschaftlichkeit» und «Fortschritt» geprägt. Dennoch bieten sie heute Anschauung für die Frage nach dem Verhältnis von Prozess und Form, von Gesellschaft und Architektur. Für De Carlo gehörte beides unauflösbar zusammen, er suchte in seiner architektonischen Praxis Wege aus der Autonomie der Architektur. Dass Aushandeln und Entwerfen dabei auch unterhaltsam, kreativ und «eine Strasse zur Freude» sein sollten, sieht man der enormen räumlichen Qualität seiner Bauten an. Es ist also höchste Zeit für einen Blick in den Rückspiegel.

Lernen von Urbino
Giancarlo De Carlo und seine Blickregie
Roland Züger und Tibor Joanelly, Anna Positano, Gaia Cambiaggi (Bilder)

Geschichte als Gegenwart
Urbino und Team X
Luca Molinari

Das endlose Seminar
Wohnsiedlung Villaggio Matteotti in Terni
Paolo Vitali, Anna Positano, Gaia Cambiaggi (Bilder)

Biografie und Werkverzeichnis

Zudem:
Debatte: Die Forscherin Sabine von Fischer hinterfragt in Anknüpfung an das Heft Im Klimawandel (wbw 7/8–2018) die gängige Logik der Energieeffizienz. Die Vereinfachung der funktionalen Zusammenhänge eines Gebäudes in Analogie zu einem Kühlschrank engt die Architektur unzulässig ein.
Recht: Zur Eigentumswohnung gehört meist auch mindestens ein Autoabstellplatz in der Tiefgarage. Doch für die Sicherung der Nutzungsrechte und die Gestaltung der Übertragbarkeit dieser Plätze gibt es viele mögliche Szenarien.
Nachruf: René Haubensak, 1931–2018
Ausstellung: Das Pariser Musée des Arts Décoratifs verschaffte Gio Ponti 1925 erste Anerkennung. Nun würdigt das Kunstgewerbemuseum das Werk des Italieners, der Objekte von der Kaffeemaschine bis zum Wolkenkratzer designte, in einer umfangreichen Retrospektive. Im Zürcher Museum für Gestaltung zeigt die Ausstellung Social Design, welchen politischen Hebel Bauprojekte haben können.
Neu im BSA 2018: 27 neue Mitglieder und 6 Assoziierte hat der Bund Schweizer Architekten 2018 aufgenommen.
Kolumne: Architektur ist ... isländisches Brot
Suspense! Die imposante äussere Erscheinung der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz von pool Architekten steigert die Erwartungen, indem sie vom Innenleben wenig preisgibt. Eine grossartige Raumsequenz führt über den Park des neuen Campus zum atemberaubenden Atrium. Darüber hängt eine dicht gepackte Hochhausstadt.
Angst vor der Grossmassstäblichkeit? Das Hochhaus der Fachhochschule ist ein statischer Kraftakt. Sein achtstöckiger Mitteltrakt ruht auf einem geschosshohen Brückentragwerk, das zwischen den Auflagern 35 Meter überspannt und so die enormen Dimensionen des Atriumraums ermöglicht. Die inneren Fassaden suggerieren dennoch die rationale Alltäglichkeit eines konventionellen Skelettbaus.
werk-material: Kantonale Notrufzentrale in Bellinzona von der Arbeitsgemeinschaft Pessina Tocchetti, Lugano-Zürich
werk-material: Verwaltungsgebäude der Kantonspolizei Freiburg von Deillon Delley architectes, Bulle

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