Zeitschrift

werk, bauen + wohnen 07/08-20
Grand Paris
werk, bauen + wohnen 07/08-20
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
«Réinventer Paris!», «Réinventer nos places !» – Paris wagt es unter der Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die Stadt, ihre öffentlichen Räume und die Bebauung der letzten verfügbaren Parzellen radikal neu zu denken. Das extrem vom Autoverkehr dominierte Paris mausert sich zu einem Paradies für Fussgänger und Radfahrende; zentrale Verkehrsknoten und die Ufer der Seine verwandeln sich in öffentliche Freiräume.
Paris ist eine Stadt im Umbruch: Immer häufiger haben wir in den letzten Jahren neugierig nach Frankreich geblickt, wo sich im Schatten des allgegenwärtigen Bling-Bling neue, ganz eigenständige Ansätze einer ernsthaften Architektur abzeichneten: Bauten von Eric Lapierre (wbw 5 – 2018), Bruther (wbw 6 – 2017), Muoto (wbw 3 – 2018) oder Barrault-Pressacco (wbw 3 –2020) machten mit einer äusserst reduzierten, aus der Konstruktion und einem sozialen Konzept heraus gedachten Architektursprache auf sich aufmerksam: Tektonik ist auf einmal wichtiger als äussere Bewegtheit, eine gewisse Nüchternheit des Ausdrucks wird zum Programm, soziale und ökologische Glaubwürdigkeit stehen im Zentrum.
Junge und innovative Architekturschaffende haben es jedoch nicht leicht in einem Land, wo die gesamte Immobilienwirtschaft in den Händen weniger mächtiger Entwicklungsgesellschaften liegt. Mit dem gross angelegten Innovationswettbewerb Réinventer Paris hat Anne Hidalgo nicht nur junge Architekturansätze, sondern auch ungewohnte Projektträgerschaften gefördert; in ihrem Auftrag schaffen die städtischen Liegenschaftenverwaltungen (RIVP, Paris Habitat) und sogar das ÖV-Unternehmen RATP auf den letzten verbleibenden Nischengrundstücken Freiräume für neue Architektur.
Das schwelende Problem der französischen Hauptstadt, die tiefe Kluft zwischen der schicken, von Airbnb geplagten Kernstadt, und der sehr viel grösseren Banlieue, wo Millionen von Menschen von der globalisierten Wirtschaft kaum mehr gebraucht werden (manche Gemeinden kennen Arbeitslosenquoten von 35 bis 40 Prozent), diese Kluft wird auch mit dem zentralstaatlichen Grand Paris-Projekt nicht kleiner – denn dieses zielt primär auf den globalen Städtewettbewerb. Es zeichnet sich ab, dass die Benachteiligten auch weiterhin das Nachsehen haben.

Der Wille zur Grösse
Grand Paris als Fiktion und Realität
Günter Liehr, Emmanuel Pinard (Bilder)

Die neuen Plätze von Paris
Aus Verkehrswüsten wird öffentlicher Raum
Susanne Stacher, Giaime Meloni (Bilder)

Städtebau am Übergang?
ZAC Clichy-Batignolles
Dominique Boudet

Paris im Kleinen
Möglichkeitsraum statt Projektionsfläche
Yves Dreier, Julia Tournaire

Bauten und Projekte
Architektonische Reise durch Grand Paris
Jenny Keller

Zudem:
werk-notizen: Die Eingabefrist unseres Nachwuchswettbewerbs «Erstling» läuft neu bis zum 30. September, der FAS Ticino lanciert einen Nachwuchswettbewerb und werk-material.online hat ein neues Release erhalten.
Nachruf: Justus Dahinden 1925 – 2020
Bücher: Der Schlüssel zum günstigen Wohnen liegt bekanntlich vor allem im Grundstückspreis. So wird dieser Tage wieder öfter die Wohnungsfrage als Bodenfrage debattiert – unter anderem am Lehrstuhl für Architektur der Universität Luxemburg. Florian Hertweck hat den Tagungsband Positionen und Modelle zur Bodenfrage als Buch herausgebracht. Für Reisen nach Paris empfehlen wir wärmstens den Reiseführer Grand Paris unseres Autors Günter Liehr – und für Ferien in der Schweiz die Wandervorschläge Für Stadt und Dorf vom Schweizer Heimatschutz.
Ausstellungen: Die Museen sind aus dem Corona-Schlaf erwacht: Wir empfehlen einen Blick in die Schau zur Tiroler Architektur der 1970er Jahre in Innsbruck und eine Vertiefung in den Pariser Stadtumbau der Verkehrsräume. Geschichte und Zukunft der Champs-Élysées sind im Pavillon de l’Arsenal und als virtuelle Ausstellung zu geniessen.
Junge Architektur Schweiz PO4 Seiler + Den Hartog: Alexa den Hartog und Yves Seiler entwickeln mit ihrem Büro PO4 Projekte auf eigene Faust.
Akustik als Erbschaft: Horisberger Wagen und Stehrenberger Architektur schufen einen stattlichen Rahmen für die mittelalterliche Anlage des Landenberghauses in Greifensee, inklusive feiner Klänge im Detail.
Stechuhr mit Pearcing: Es bedurfte einer Bürgerbewegung, um die Luzerner Zentralbibliothek von Otto Dreyer zu retten. Lussi + Halter erneuerten den Bau und programmierten ihn neu.
Eleganz eines Ozeanriesen: Nicht weniger als drei Geschosse setzten Lacroix Chessex als Aufstockung auf einen Wohnblock in Genf – dank Tragwerkreserven des Bestands und eines Wettbewerbs, der Türen öffnete.
werk-material: Mehrzweckhalle in Léchelles (FR) Joud Vergély Beaudoin Architectes
werk-material: Mehrzweckhalle in Muolen (SG) Frei + Saarinen Architekten

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