Zeitschrift

db deutsche bauzeitung 2021|03
Putz
db deutsche bauzeitung 2021|03

Rau und fein

Einfamilienhaus in Bernau bei Berlin

Eigenständig, selbstbewusst und vielleicht ein wenig provozierend behauptet das Haus K seinen Platz in einem in gestalterischer Hinsicht ganz anders ausgerichteten Quartier. Putz spielt – nicht zuletzt im gelungenen Zusammenklang mit anderen Materialien – eine für die Erscheinung des Hauses entscheidende Rolle. Das gilt für die Fassade ebenso wie für die Innenräume.

9. März 2021 - Mathias Remmele
Das Allerbeste an diesem bemerkenswerten Haus – oder sagen wir so: das, was am Ende den stärksten Eindruck machte beim Rezensenten – ist seine Entstehungsgeschichte. Sie liest sich fast wie aus der guten alten Zeit: Ein junges Paar (sie selbst Architektin ohne entwerferische Ambitionen, er Maschinenbauer) erbt von der Großmutter ein Grundstück, möchte dort bauen und sucht mit Bedacht die passenden Architekten zur Umsetzung seiner ziemlich konkreten Pläne. Man sieht sich um, entdeckt ein junges Berliner Architekturbüro namens PAC (Project Architecture Company), das mit interessanten Wohnhäusern von sich reden gemacht hatte. Am Tag der Architektur, als eines dieser Projekte besichtigt werden konnte, nimmt man Kontakt auf. Auf Anhieb entsteht eine Verbindung, man trifft sich wieder, man redet und entscheidet schließlich, das Projekt »Haus K« gemeinsam zu wagen. Betonung liegt auf gemeinsam, denn was dann etwa zwei Jahre später fertig wurde, ist im besten Sinn ein Gemeinschaftswerk: Geboren aus den Wünschen und Ideen der Bauherrschaft – realisiert mit den Ideen, dem Know-How und den Problemlösungskompetenzen der Architekten. Am Ende steht da ein maßgeschneidertes Haus, das eine junge Familie beglückt. Ein Haus, das den Architekten als Referenzobjekt dient und – das ist ja keine Selbstverständlichkeit – den Glauben an die Sinnhaftigkeit ihres beruflichen Tuns stärkt. Ein Haus, das beispielhaft die alte Binsenweisheit illustriert, nach der überzeugende ­Architektur nur im Zusammenspiel von Architekt und Bauherrschaft entsteht. Ein Haus schließlich, das in Zeiten, in denen gefühlt etwa 98 % der neuen Einfamilienhäuser von der Stange kommen, wie ein flammendes Plädoyer für »Architektenhäuser« wirkt.

Ein Wunschhaus nach Maß

Bernau bei Berlin, eine nur wenige Kilometer nordöstlich der Hauptstadt gelegene Kleinstadt mit S-Bahn-Anschluss, gehört zu jenen Speckgürtel-Orten, über die man wirklich nicht viele Worte verlieren möchte. Auf der Landkarte der Architektur jedenfalls ist sie zu Recht ein weitgehend weißer Fleck – wenn man von der als »Bauhausdenkmal« beworbenen, ganz wunderbaren Bundesschule von Hannes Meyer einmal absieht. Hier also, an einer der Chausseen, die aus der Stadt hinaus und zum nächsten Dorf führen, steht das Haus K. Drum herum – freundlich formuliert – belanglose Einfamilien- und kleine Mehrfamilienhäuser, die meisten aus DDR-Zeiten, einige älter, ein paar neueren Datums, viele mit allerlei Anbauten und Aufhübschungen gesegnet – kurzum, die Lage ist alles andere als traumhaft, aber angesichts der mittlerweile auch in Bernau horrenden Baulandpreise und der familiär-emotionalen Verbindung zum Grundstück fand man, es sei doch der richtige Platz für das Wunschhaus der jungen Familie. Das von der Großmutter geerbte Fertighaus aus den 60er Jahren, das darauf stand, war nicht zu retten. Und der Keller vermochte keinen Neubau zu tragen.

Recht detailreich und entschieden war das Idealbild, das dem Paar für den Neubau vor Augen stand: Ein formal schlichtes, modernistisches Haus sollte es sein, ein kompakter Baukörper mit Flachdach und riesigen, stockwerkhohen Fensteröffnungen und am liebsten aus Sichtbeton, gerade so sauber und schön, wie man ihn aus der Schweiz kennt. Sodann ein weitgehend offener Grundriss, eine Galerie zwischen Wohnzimmer und Obergeschoss und kein abgetrenntes Entree zwischen Haustür und Wohnbereich. Wie ein Blick aufs und ins Haus K schnell offenbart, konnten viele, ja fast alle dieser Vorstellungen tatsächlich umgesetzt werden. Die wenigen Abweichungen von den ursprünglichen Vorstellungen – es sind im Wesentlichen nur zwei – gehen auf eine Entwurfsidee der Architekten bzw. auf die Limitierung des Baubudgets zurück. Sie sind freilich erheblich für die Erscheinung des Hauses.

Sechseck statt Rechteck

Die eine Abweichung betrifft die Grundform des Gebäudes. Wenn der Baukörper heute statt auf einem Rechteck auf einem Sechseck basiert, was dem Bau einen ganz eigenständigen Ausdruck verleiht, so wurde das durch den ebenso banalen wie nachvollziehbaren Wunsch der Bauherrschaft angeregt, von ihrem Schlafzimmer aus nicht direkt auf das (wenig reizvolle) Nachbarhaus blicken zu müssen. Zur Lösung des Problems schlugen PAC Architekten vor, die Fensterwand leicht nach außen zu kippen, um so der Blickachse eine ins Grüne abweichende Richtung zu geben. Die Idee mit dem leichten Knick in der einen Längsfassade des Baukörpers hatte Folgen: Würde man diesen Knick an der diagonal gegenüberliegenden Seite des Hauses wiederholen, entstände da ganz zwanglos eine Geste, die auf den Eingang hinweist und ­seine Platzierung rechtfertigt. Noch überzeugender fallen die Konsequenzen des Doppelknicks für den Grundriss und die Raumwirkung aus. Im EG, wo sich Essbereich, Küche, Wohnraum und Flur um einen »Kern« aus Technikraum, Gäste-WC, Garderobe und Treppe herum gruppieren, sorgen die schräg verlaufenden Außenwände für eine angenehme Dynamisierung des Raums, der zugleich viel großzügiger erscheint, als man es in Anbetracht seiner bescheidenen Grundfläche erwarten würde. Verstärkt, um nicht zu sagen, potenziert wird dieser optische Effekt durch die großen raumhohen Fensteröffnungen. Ihre Wirkung, die sich durch die Fotografien leider nicht wirklich transportiert, ist schlicht großartig.

Die zweite Abweichung von den ursprünglichen Wünschen betrifft die Materialisierung bzw. Konstruktion des Hauses. Ganz aus Dämmbeton hatten sich die Bauherren ihr Eigenheim erträumt. Nicht zu bezahlen, wussten die Architekten und davon einmal abgesehen: in der gewünschten Qualität von berlin-brandenburgischen Baufirmen selbst mit viel Geld praktisch nicht zu bekommen. Putz, so lautete ihr Alternativvorschlag: ökonomischer und ästhetisch gerade so schön, womöglich sogar noch interessanter, weil vielseitig in seinen Möglichkeiten. Man ließ sich überzeugen, und so blieben vom Sichtbeton gerade noch die Bodenplatte, der Gebäudekern und die Geschossdecken übrig. Recht rau fallen diese Ortbeton-Oberflächen aus, ehrlich – wenn man so sagen will – und voller Spuren eher nachlässig betriebenen Handwerks (eindrücklich und amüsant sind die Schuhsohlen-Abdrücke, die da und dort unabsichtlich für eine halbe Ewigkeit konserviert wurden). In wohltuendem Kontrast dazu steht der feingefilzte, seidig-glatte Gipsputz der weiß gestrichenen Innenwände, der den Räumen im Zusammenspiel mit dem geölten Eschenholz-Parkett eine wohnlich-warme Atmosphäre verleiht. Die tragenden, in Kalksteinmauerwerk ausgeführten Außenwände des Hauses wurden, ebenso wie die Stirnseiten der Geschossdecken, mit mineralischen Dämmplatten eingekleidet. Auf Unterputz und Armierung folgt als äußere Gebäudehaut ein durchgefärbter mineralischer Außenputz, bei dem man sich für einen warmen, hellen Grauton entschied. Das passt zum schlicht-nüchternen Stil des Hauses und ist vielleicht auch als kleine Reminiszenz an den Beton zu lesen. Bemerkenswert ist aber v. a. die vertikal ausgerichtete Besenstrich-Struktur des Putzes, die mitsamt ihren kleinen Unregelmäßigkeiten auf die Handwerklichkeit verweist und der Gebäudehülle, aus der Distanz betrachtet, eine fast samtene Anmutung verleiht. Und so wiederholt sich an der Putzoberfläche der Fassade das leitmotivische Wechselspiel von rau und fein, das schon die Oberflächengestaltung der Innenräume charakterisiert.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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