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db deutsche bauzeitung 2021|04
Kulturbauten
db deutsche bauzeitung 2021|04

Echo der Stadt

Z33 – Haus für aktuelle Kunst, Design & Architektur, Hasselt (B)

Die Erweiterung des Ausstellungshauses Z33 orientiert sich an Platzfolgen und Raumverhältnissen der mittelalterlich geprägten Innenstadt. Neben dem Beginenhof erwies sich dabei auch der bestehende Gebäudeteil von 1958 als Inspirationsquelle für raumerlebnisreiche Rundgänge. Mit sorgfältigen Details bis hin zu speziell für das Projekt entwickelten Backsteinen wird das Haus zu einem Sonderfall unter den Kulturbauten.

1. April 2021 - Olaf Winkler
In einem Film auf der Website des Z33 spricht Francesca Torzo über ihre ­Gebäudeerweiterung. Der schimmernde Terrazzo ihres Genueser Büros ist zu sehen, das Meer in der Ferne. Dann nimmt sie einen der eigens für dieses Projekt geschaffenen, rautenförmigen Klinker in die Hand, hält den glatten Stein sanft an die Wange: »You can rest on it. This was a check – if it was gentle enough.« Torzos Architektur, das wird spätestens jetzt klar, ist eine der Körperlichkeit, der Sinnlichkeit. Im späteren Gespräch am Telefon bestätigt sich, dass diese Haltung weit über das sorgfältige Detail hinausreicht – und auf der präzisen Analyse des Kontexts fußt, räumlich wie historisch. Torzo redet über die gewachsene Struktur der flämischen Stadt, über Maßstab, Abgrenzung und Verbindung. Es geht um Fügung und Material, um Oberfläche, Raum und Bewegung.

Relation zur Stadt

Hasselt ist trotz manch uninspirierten Eingriffs bis heute eine mittelalterlich geprägte Stadt. Dunkler Ziegel herrscht vor in schmalen Straßen, ein Beginenhof blieb in Teilen erhalten. Eingebettet in dessen Randbebauung, nutzte das 2002 aus seinem Vorläufer PCBK hervorgegangene Kunstzentrum Z33 ein­zelne der historischen Häuschen mit. Größere Flächen bot ein Flügel von 1958, der mit vielfältigen Räumen und viel Licht zu den gelungenen Beispielen seiner Epoche zählt, aber für das breite Spektrum aktueller Kunstproduktion nicht mehr ausreichte.

Eine benachbarte Schule, die 2010 ihre Funktion verloren hatte, stand zur Disposition. Torzos im Wettbewerb 2012 siegreicher Entwurf schließt nach deren Abriss die Lücke wieder vollständig. Den zuvor im Hof gelegenen Eingang des Ausstellungshauses wendet er dabei erstmals zur Stadt. Dennoch durchbricht, abgesehen von einer Lieferzufahrt am gegenüberliegenden Ende, nur eine schmale, wie mit dem Messer eingeschnittene Öffnung die lange Mauer. Torzo setzte sich damit durch, obwohl die Pläne hermetisch wirkten. Heute zeigt sich, dass visuelle Zugänglichkeit auch eine Frage der Textur sein kann. Ebenjene Klinker im dunklen, der Stadt ringsum abgelauschten Rot verleihen der Wand eine angenehme Stofflichkeit. In ihrer ungewöhnlichen Rautenform enden die Steine jeweils ein Stück vor allen Kanten. Die freien Flächen sind mit gleichfarbigem Mörtel aufgefüllt: Eine kaum sichtbare Bordüre entsteht, die das Textilartige unterstreicht.

Durch die klare Setzung zur Straße gewinnt der Entwurf einen eigenständigen Raum – Raum für eine innere »Promenade architecturale«, die sich zur Stadt kaum öffnet, sich aber deren Prinzipien von Wegen, Platzfolgen und Lichtwechseln aneignet. So empfängt den Besucher zunächst ein Kleinst-Atrium, links folgt ein kleines Entree. Hat man schließlich das Foyer an der Schnittkante zum älteren Flügel erreicht, ist man bereits dreimal abgebogen. Ein inneres Fenster lenkt den Blick links in einen größeren Saal; statt direkt dorthin zu führen, verläuft der Weg weiter und biegt wiederum ab, folgt einem fensterlosen, 30 m langen, 11 m hohen, leicht geknickten, sich leicht öffnenden, leicht ansteigenden – ja, was eigentlich – Gang, Raum – ? Müßig, den Weg vollständig in Worte fassen zu wollen; erste Kunstwerke tauchen auf, eine Treppe, der man sich von hinten nähert, ein quadratischer hoher Raum mit Lichtdecke, ein weiteres Atrium, das Licht ins Gebäudezentrum holt.

Entscheidend ist: Der Besucher erschließt sich den neuen Flügel nicht über eine schnell zu begreifende Grundrissvorstellung, sondern wandernd, über Durchsichten. Erst in der oberen Etage öffnet sich der Blick auf den Beginengarten und Reste der im Krieg zerstörten Kirche. Die meiste Zeit bleibt man ganz bei sich und der Kunst – und bei der Architektur. Schimmernder Estrich hält einen Fingerbreit Abstand von den Wänden in sorgfältigem Putz, die Laibungen der Durchgänge laufen spitz zu, als wollten sie die Wand auf Membranstärke ausdünnen, während die Betondecken in einer Art Waffelmuster gegossen wurden, das erneut an Stoff erinnert und im OG sogar in Schwingung gerät.

Inspiration im Bestand

All diese Details wirken nicht manieriert, sondern als Respektbezeugung gegenüber der Architektur: Hier hat sich ihr jemand tatsächlich gewidmet. Kuratorisch bespielen lassen sich die Räume ohnehin, wie die ersten Ausstellungen mit unterschiedlichen Installationen einschließlich medialer Werke bewiesen haben. Fast für jeden Wunsch lassen sich die richtige Großzügigkeit oder Intimität, Schatten oder Lichteinfall finden. Ein weiterer Effekt zeigt sich, wenn man im OG weitergeht, vom neuen »Vleugel 19« in den bestehenden »Vleugel 58«: Plötzlich fällt auf, dass Torzo viele ihrer Referenzen direkt im Bestand gefunden hat. Das gilt für die Kombination unterschiedlicher Säle, für den wechselvollen Umgang mit Fenstern und Lichtdecken. Es gilt für den Treppenraum, der in der neuen, weiter innen liegenden Treppe bis ins Geländer hinein ein Echo findet. Und für weitere Details: Auch der damalige Architekt, Gustaaf Daniëls, ließ Ende der 50er-Jahre über seiner Treppe eine profilierte Decke schweben. Ebenso entschied bereits er sich für verfeinerte, sich getreppt verjüngende Türlaibungen.

Auch wegen dieser Qualitäten griff Torzo kaum in den Bestand ein. Eine Ausnahme bildet der weiter in den Hof reichende Trakt, der nun das Café aufnimmt. Um zum angrenzenden Neubau überzuleiten, den die Architektin um zwölf Stufen niedriger anlegte als den aufgesockelten Altbau, senkte sie den Boden bereits hier ab. Den Höhenversprung umspielt sie mehrfach: mit einer wegartigen Treppe zwischen zwei Foyerzonen, mit einer Empore im Café, mit einer dieser Empore vorgelagerten neuen Terrasse im Hof. Die verschiedenen Parterrehöhen – bei durchlaufendem OG – erlaubten nicht nur mehr Varianz der Raumhöhen im neuen Flügel, sondern auch ein Zwischengeschoss für einen Teil der nicht öffentlichen Bereiche. Tatsächlich umfasst die Erweiterung zahlreiche Nebenfunktionen, die v. a. entlang der Hoffassade aufgereiht sind. Neben Büroplätzen gehören dazu etwa Werkstätten und Depots sowie Räume für Artists in Residence, mit schützend umfangener Dachterrasse.

Langer Atem

Dass Francesca Torzo, die zuvor u. a. bei Peter Zumthor tätig war, überhaupt die Möglichkeit zu solcher Durcharbeitung erhielt, ist ungewöhnlich. So wollte sie etwa die 37 mm dicken Klinker keinesfalls einfach vor die Betonwand ­hängen, sondern entwarf sie als »ehrliche«, sich über den Mörtel mit den dahinterliegenden bewehrten Mauersteinen zu einer tragenden Einheit verbindende Schicht. 12 cm Dämmung trennen diese von der innen liegenden, 20 cm dicken Betonwand. Es gibt nur zwei Dehnfugen, jeweils an einem ­Gebäudeknick. Aus der größten, etwa 35 m messenden Teilstrecke müssen sie jeweils Längenänderungen von bis zu 5 mm aufnehmen.

Die – letzten Endes in Dänemark produzierten – Steine in der nötigen Präzision zu entwickeln, dauerte samt baulicher Zulassung mehrere Jahre. Die Architektin »profitierte« dabei von anderen Verzögerungen: Bis zum Baubeginn vergingen fünf Jahre, auch weil sich die kulturelle Zuständigkeit in dieser Zeit von der Provinz zur Flämischen Gemeinschaft verlagerte.

Was schließlich auch zum Garten überleitet: Direkter Nachbar ist das städtische Jenevermuseum; jenseits davon werden im gemeinsamen Auftrag der Provinz, der Stadt und der Universität Hasselt derzeit weitere Teile des Beginenhofs von einem Team aus vier Büros für die Universität und als öffentlicher Raum umgeplant. Deren Projekt schließt den ans Z33 grenzenden Freibereich mit ein. Spannend wäre es gewesen, wenn Torzo auch dafür verantwortlich gezeichnet hätte, gerade weil sie auch auf dieser Seite, angelehnt an historische Typologien, auf eine großzügige Öffnung des Hauses verzichtet. In den Hof, schon früher vom Z33 mitgenutzt, gelangt man nicht direkt aus den Sälen, sondern über den ursprünglichen Eingang oder über eine mäandernde Rampe von der neuen Terrasse aus. Innerhalb des Entwurfs ist das konsequent, weil es den Freibereich genauso behandelt wie das System aus Wegen und Orten im Inneren. Es bedeutet allerdings auch, dass künftige Hofnutzungen des Z33 ausreichend Eigengewicht entwickeln müssen, um als vollwertiger Teil des Gesamtzusammenhangs zu funktionieren.

In einer kleinen Publikation des Z33 wird das neu geschaffene Raumgefüge als positive Herausforderung für Besucher, Kuratoren und Künstler beschrieben. In der Tat: Die Architektur ist selbstbewusst – aber nie diktatorisch.

V. a. macht sie Angebote, räumlich und atmosphärisch, die weiter reichen, als ein White Cube es leisten könnte. Gleichzeitig enthält sich das Haus des gezielten Clashs mit der Stadt: Es hält sie draußen (in diesem Sinne ist es eher konservativ), aber es weiß um sie, ist Resonanzraum der Stadt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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