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werk, bauen + wohnen 05-21
Materialkreislauf
werk, bauen + wohnen 05-21
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
Wir kapitulieren vor Zahlen, die den Klimawandel illustrieren. Oder wie es Timothy Morton in Ökologisch sein beschreibt: Daten wecken nur Angst und Unsicherheit, sie führen nicht zu einem Wandel, sondern zu Schockstarre, oder noch schlimmer, zum Bedürfnis, sie zu leugnen. Umgekehrt heisst das: Es führt nichts am gebauten Experiment vorbei. Die abstrakten Zahlen werden nur durch eine gebaute Architektur veranschaulicht; erst im Gebäude mit Netto-Null Grauenergie wird deutlich, wie ein Bauen gegen den Klimawandel aussehen kann. Zudem wächst der Glaube an die Bewältigung der Klimakrise weniger mit unseren Vorsätzen als mit den Dingen, die wir tun.
Das grünste Gebäude ist immer dasjenige, das gar nie gebaut wurde –, doch wir wollen nicht das Ende der Profession ausrufen, sondern einen konstruktiven Weg aus dem Dilemma aufzeigen. Das bedeutet, dass es jetzt an der Zeit ist, mit möglichst vielen Bauten den Pfad der Norm, der Labels und des Wohlgefallens zu verlassen und Ungewöhnliches zu wagen. Und das erfordert ein Umdenken und Mut von allen Beteiligten – von Bauherrschaften und Ämtern ebenso wie von Architekten und Architektinnen. Die Strategien des Bauens im Klimawandel könnten unterschiedlicher nicht sein, doch etwas wollen wir betonen: Das Bauen von heute muss immer das Abbrechen und Wiederverwenden von morgen mit einplanen.
Bei aller Vielfalt der in diesem Heft angedeuteten Wege: Mit der Klimakrise geht es uns wie dem Kaninchen vor der Schlange. Der Blick wird starr in Erwartung des Unvermeidlichen. Der Imperativ «Vermeide CO₂!» engt ein, vor allem die Architektur. Mit diesem Heft sagen wir dem Kaninchen: Schau genau hin und handle! Eine gute Prioritätenliste bieten die «neun R» der Nachhaltigkeit: refuse (Verzicht auf die Nutzung von Rohstoffen), reduce (weniger Rohstoffe), reuse (durch die Verwendung von gebrauchten oder geteilten Produkten), repair (und Unterhalt), refurbish (Umbauen), remanufacture (Herstellung neuer Produkte aus den Bestandteilen alter), repurpose (Umwidmung), recycle (die mechanische oder chemische Umformung von Material), recover (das Wiedergewinnen von Energie). Nimmt man sich diese Reihenfolge zu Herzen, ist plötzlich wieder Luft zum Atmen da.

Das Bauteil bestimmt
Architektur muss klimaneutral werden – und sie kann dabei ganz verschieden aussehen
Tibor Joanelly, Jenny Keller, Martin Zeller (Bilder)

Kreativer Ungehorsam
K118 – Kopfbau Halle 118
Jenny Keller, Martin Zeller (Bilder)

Bricolage 1
Bauteilpass
Roland Züger

Bricolage 2
Bauteilbörse
Lukas Gruntz

Monument für ein Wochenendritual
Recyclingcenter Emmenbrücke von Huber Waser Mühlebach
Roland Züger, Roland Bernath (Bilder)

Holistische Architektur
BC Architects, BC Studies und BC Materials, Brüssel
Bart Tritsman

Bricolage 3
Nachwachsende Baustoffe
Jenny Keller

Bricolage 4
Kreislauftypologie
Jenny Keller

Wiederverwendbare Tragsysteme
Erwägung einer Neuauflage des Metabolismus
Tibor Joanelly

Zudem:
werk-notiz: Ein Nicht-Architekt als Kantonsbaumeister? Stadtbaumeister als subalterne Funktion? Daniel Kurz ist besorgt um die Entwicklung der öffentlichen Bauämter.
CAP talks: Der Climate Action Plan CAP der Klimastreik-Bewegung fordert einen umfassenden Umbau der Gesellschaft. Was heisst das für die Architektur? Ludovica Molo und Friederike Kluge geben erste Antworten in der gemeinsamen Serie von werk, bauen + wohnen mit Hochparterre.
Bücher: Die 1980er Jahre sind längst auch im Architekturdiskurs angekommen. Die Berliner Situation mit einer eigenen Programmatik im Ost- wie im Westtteil der Stadt ist einmalig und Gegenstand des lesenswerten Buchs Anything Goes?, das eine aktuelle Ausstellung begleitet. Das Buch Spolien ergänzt unser Heftthema um eine Facette der Architekturgeschichte.
Ausstellungen: Barbara Wiskemann hat sich für uns in der Schau Critical Care im Zentrum Architektur Zürich umgesehen. Zudem empfehlen wir die monografische Schau über Werner Düttmann in Berlin sowie Big City Life im Cartoonmuseum in Basel.
Doppelter Erstling: 1986 gewann das St. Galler Büro Benz Engeler mit der St. Galler Primarschule Hof seinen ersten Wettbewerb. Deren Ergänzung um neue Räume für die Betreuung war 2019 der Erstling von Hutter Zoller Architektur.
Ontograph im Supermarkt: Die Geschäftshäuser Gleis-Arena von Made In am Zürcher Hauptbahnhof faszinieren und irritieren mit ihrer erratischen Eigenart.
Urbaner Innenraum: Auf die Bewegung der vorbeifahrenden Gotthardzüge reagiert die Fachhochschule SUPSI in Mendrisio von Bassi Carella Morello. Ihr Inneres überrascht mit einem Atrium, das wie ein städtischer Strassenraum funktioniert und die versetzten Ebenen verbindet.
werk-material: Umbau und Aufstockung Zwinglistrasse in Zürich, Beat Nievergelt mit Burkhard & Fata
werk-material: Umbau Mehrfamilienhaus Eichweid in Wädenswil, Ressegatti Thalmann

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