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werk, bauen + wohnen 05-23
Ungewohnt
werk, bauen + wohnen 05-23
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
Die Projekte im Thementeil dieses Hefts übersteigen das Wohnen, wie es herkömmlich diskutiert wird. Denn sie weisen über Rentabilität, Typologien oder die Gebrauchsfunktionalität hinaus. Und dies geschieht wesentlich mit den Mitteln der Architektur, um nicht zu sagen: über den architektonischen Raum. Nicht ganz nebenbei liefert dieses Heft also drei verschiedene Antworten auf die Frage, was denn architektonischer Raum sein kann.

Zum Anfang der Konzeption von dieser Ausgabe liessen wir uns von einem Gefühl leiten: nämlich, dass die Beispiele alle in irgendeiner Form einem theatralischen Raumverständnis folgen – um damit direkt an das Heft «Tiefe» (wbw 3–2022) anzuschliessen. So verkörpert die Siedlung Vogelsang in Winterthur fast wörtlich ein bühnenhaftbarockes Architekturkonzept, indem die Entwerfenden das Wohnen als Komödie und die Architektur als Kulisse verstehen. In Ergänzung zu dieser Referenz an das Theater funktionieren die Bühnen von Edelaar Mosayebi Inderbitzin oder Sophie Delhay in einem modernistischen Sinn als «Maschinen», die das Wohnen performen. Im Wohnhaus von EMI in Zürich ist die Metapher direkt; bei Delhays zellu lären Grundrissen ihrer französischen Wohnanlagen funktioniert sie eher abstrakt und indem die Architektin einen regelbasiert-starren Bausatz von Räumen oder eben Bühnen vorgibt. Auf diesen Bühnen pulsiert das Leben. Kein Wunder, war für uns die grosse Entdeckung in diesem Heft eine gemeinsame literarische Referenz: Georges Perec. EMI und Delhay beziehen sich explizit auf dessen Spielanleitungen.

Und das Wohnen selbst? Die hier versammelten Beispiele demonstrieren durch ihre Spezifität exemplarisch, dass die Zeit der grossen Wohn-Erzählungen vorüber ist. An ihrer Stelle stehen heute post moderne Narrative. Damit Architektur gelten kann, muss sie Singularitäten schaffen, einzigartig, unverwechselbar sein – selbst für Genossenschaften. So hat das Ende des modernen Massenwohnungs baus auch sein Gutes, denn Masse produziert zu viel CO₂. Gerade jetzt, wo sich die Bauindustrie unter den Bannern von Kreislaufwirtschaft und Recycling neu aufstellt, sollte der Wohnungsbau zuerst bei Lösungen für ein ressourcenschonendes gutes Leben ansetzen und nicht bei Rezepten für mehr Wachtum.

Architektur, bewege mich!
Ein performatives Haus in Zürich führt Wohnen auf
Tibor Joanelly, Till Forrer und Severin Kuhn, Roland Bernath (Bilder)

Siedlung vom Webstuhl
Ein Gewebe aus Wohnhöfen strukturiert die Siedlung Vogelsang in Winterthur.
Roland Züger, Andrea Helbling (Bilder)

Wohnungsbau, eine Passion
Sophie Delhay baut anders
Susanne Stacher

Zudem:
werk-notiz: Seit einer Dekade liegt die Gestaltung der Covers dieser Zeitschrift für die Dauer eines Jahres in der Hand einer Künstlerin oder eines Künstlers. Zeit für einen Rückblick auf diese einzigartige Form der Zusammenarbeit.

Debatte: Der Landschaftsarchitekt Thomas Hauck fragt sich, ob wir uns die Pflege unserer tradierten Vegetationsbilder überhaupt noch leisten können. Gebrauch und Ästhetik stehen im Widerspruch zueinander, und die Herausforderung des Klimawandels macht einen anderen Umgang mit den Fussböden der Stadt dringend notwendig.

Wettbewerb: Auf dem Juchhof in Zürich will die Stadt einen Recyclinghof bauen und sich dabei in der Kreislaufwirtschaft üben. Das ist konzeptionell einleuchtend – aber ist es wirklich der richtige Ansatz?

Ausstellungen: Das Werk der pakistanischen Architektin Yasmeen Lari ist in Wien zu entdecken. In Weil am Rhein schaut man in die Zukunft der Gärten, während in Berlin mit dem Bauen im Nationalsozialismus die Vergangenheit und deren Rezeption aufgerollt werden.

Bücher: Ein neues Buch zum Wohnen wirft aktuelle sozialräumliche Fragen auf. Die Soziologin Stephanie Hering bespricht es für uns, während ein Buch zu Geoffrey Bawas Plänen an unser Heft über den Architekten aus Sri Lanka erinnert. Zudem empfehlen wir eine Publikation zum kreislaufgerechten Bauen.

Junge Architektur Schweiz: Coci Studio, Lausanne: Das Lausanner Duo schafft mit Farben, Formen und Ornamenten freudvolle Architektur. Das eigene Büro der glücklichen Architektinnen dient als Vorzeigeobjekt.

Atmosphäre tradieren: Das Café des Arcades in Freiburg ist eine Institution. Nach Sanierung und Umbau sind der Muff entsorgt, Betriebsabläufe optimiert und im Dachpavillon eine Bar eingerichtet.

Freilegen oder Freiräumen?: Im altehrwürdigen Freiburger Rathaus hat der Gebrauch der letzten fünf Jahrhunderte Spuren hinterlassen. Nun haben Aeby Aumann Emery das Denkmal umgebaut. Unser Autor Sylvain Malfroy ist den historischen Fährten nachgegangen.

werk-material: Sport und Freizeitanlage Rietwis in Wattwil von Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT GmbH

werk-material: Complexe sportif à Broc de Deillon Delley architectes

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