Zeitschrift

werk, bauen + wohnen 10-23
Weiterbauen
werk, bauen + wohnen 10-23
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
Es ist nicht unserer Zeit vorbehalten, den Bestand für die Architektur zu entdecken. Schon in den 1970er Jahren machte der damalige Paradigmenwechsel im Architekturdiskurs das Weiterbauen an der Stadt zu einem bestimmenden Thema. Anders als damals sind heute Klimawandel und damit verbunden die Ressourcenverschwendung und der CO₂-Verbrauch des Neubaus sowie die Innenverdichtung wichtige gesellschaftliche Treiber für die Auseinandersetzung mit bestehenden Strukturen und deren Neuinterpretation. Auch die Schauplätze haben sich verlagert: Das Weiterbauen im suburbanen Kontext spielt immenses Potenzial frei, stellt Planende aber auch vor neuartige Herausforderungen. Nur selten handelt es sich um geschichtsträchtige Orte. Vielmehr sind diese geprägt durch Fragmentierung, schnelles Wachstum, städtebauliche Apathie und den grossen Massstab. Stadtreparatur und Weiterbauen werden so zu einem grundsätzlichen Auftrag, um lebenswerte Räume zu schaffen.

Weiterbauen schliesst auch die Sorge um das Bestehende mit ein, seine materiellen und ideellen Werte. Mehr geht es jedoch um den transformativen Anteil, das Anknüpfen und Umgestalten, das nutzbar und erlebbar machen für unsere Zeit und – so das ehrenwerte, doch ungewisse Ziel – auch für die Zukunft. Ob in französischen Kleinstädten, dem Basler Westen oder der belgischen Stadt Charleroi – Schauplätze des Weiterbauens an bestehenden baulichen und sozialen Strukturen sind vielfältig, in sich komplex und deshalb nicht mit standardisierten Rezepten zu bewältigen. Es braucht geeignete, vielleicht auch experimentelle Planungsprozesse, die unterschiedliche Akteure und Interessen miteinzubeziehen vermögen; ein echtes Weiterbauen an der Stadt kann nur als demokratischer, inklusiver Prozess gelingen. Architekturschaffende sollten diesem mit einer gehörigen Portion Neugierde, Offenheit und Experimentierfreude begegnen. Daneben stellt sich auch die Frage nach der Umsetzung in räumliche Qualitäten, die für sich wirken, aber auch als Teil eines grösseren Ganzen. Wahrscheinlich erinnert sich dabei die eine oder der andere an Luigi Snozzis Rat: «Baust du einen Weg, ein Haus, ein Quartier, dann denke an die Stadt.»

Die Unvollendete
Umbau Messezentrum in Charleroi von AgwA mit A JDVIV Jan De Vylder Inge Vinck
Jenny Keller, Severin Kuhn, Filip Dujardin (Bilder)

Die Vergangenheit als Muse
Weiterbauen, ein Epochenthema der 1970er und 1980er Jahre
Lucia Gratz

Ohne Titel
BAST (Bureau d’architecture sans titre), Toulouse
Paul Bouet, BAST (Bilder)

Zweites Leben
Umbau des Felix Platter Spitals von Müller Sigrist und Rapp Architekten
Roland Züger, Ariel Huber (Bilder)

Zudem:
werknotiz: Nach zehn Jahren als Geschäftsführerin verlässt Katrin Zbinden den Verlag Werk. Daniel Kurz sagt Adieu und erinnert an ihr Schaffen. Als Nachfolger heissen wir Alexander Felix bei werk, bauen+wohnen willkommen und stellen ihn vor.

Debatte: Hochhausplanungen unterliegen einer besonderen Sorgfaltspflicht. Zu deren Kontrolle gebe es griffige Instrumente, meint Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister von Basel-Stadt, und erklärt, warum die Clusterbildung in Basel sinnvoll ist.

Wettbewerb: Beim Bahnhof SBB in Basel sollen weitere Hochhäuser in den Himmel wachsen. SBB und Post spannen auf dem Areal Nauentor zusammen. Die siegreiche Arbeitsgemeinschaft von Bruther mit Jan Kinsbergen und Truwant + Rodet nutzt geschickt grosse Teile vom Gerüst des alten rostroten Postverteilzentrums und sattelt ihm neue Geschosse auf. Die Krone bildet ein öffentlicher Dachgarten mit Blick über die Gleise.

Ausstellungen: Annette Spiro hat die Eröffnung der Doppelausstellung zum Werk von Paolo Mendes da Rocha in Matosinhos besucht und kam begeistert von der Schau mit diesem Text zurück. Daneben weisen wir auf zwei weitere Ausstellungen hin: Zu Recycling und Re-use in Dornbirn und zum Krankhausbau in München.

Bücher: Denise Scott Brown war eine vielseitige Architektin und wurde in der Vergangenheit zu Unrecht übersehen. Das neue Buch von Frida Grahn rückt das nun gerade. Daniel Walser hat es für uns gelesen. Zudem empfielt die Redaktion zwei weitere Bücher: Ein Buch zum Limmattal von Helene Arnet, Bruno Meier und Urs Tremp sowie Upgrade von Silke Langenberg.

Junge Architektur Schweiz: Cabinet: Das junge Genfer Büro Cabinet von Fanny Noël
und Diogo Lopes hat einen heiteren Erstling realisiert, die Maison des Jardiniers an der Allée Belle Terre in Thônex.

Stadt der hängenden Gärten: Der neue Flughafen von Singapur empfängt seine Besuchenden mit einer Dschungelwelt samt Wasserfall. In der Stadt zeigen jüngere Hochhäuser den lustvollen Einsatz von Grün, das im tropischen Klima ideal gedeiht. Auch von den offenen Erdgeschossen der Türme könnte man sich hierzulande einiges abschauen.

Alte Ziegel, neuer Beton: Im ruppigen Neukölln in Berlin haben AFF Architekten am Rand eines alten Friedhofs einen Neubau für eine Stiftung errichtet. Nicht nur der Städtebau und die kräftige Kubatur bringen unseren Autor ins Schwärmen, sondern auch die Experimente mit gebrauchten Ziegeln und einer ressourcensparenden Rippendecke.

werkmaterial: Generationenwohnhaus in Langnau i. E. von werk.Architekten

werkmaterial: Kreislaufhaus in Zürich von Graser Troxler Architekten

teilen auf

Weiterführende Links:
Verlag Werk AG

Tools: