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werk, bauen + wohnen 05-24
Partizipation
werk, bauen + wohnen 05-24
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Klar: Häuser und Städte sind für Menschen errichtet. Aber welche Stimme hat die breite Bevölkerung als zukünftige Bewohnerinnen und Nutzer in Architektur und Städtebau? Wie lässt sich das eigene Lebensumfeld mitgestalten? Partizipation lautet hier das Schlüsselwort. Ortsplanungen lassen sich kaum noch ohne vorgelagerten Mitwirkungsprozess umsetzen, bei genossenschaftlichen Wohnsiedlungen ist die Mitsprache künftiger Mieterinnen und Mieter schon Standard.

Dennoch bestehen viele Vorurteile. Hier die Kritik: Architekturschaffende glauben, allwissend zu sein, und planen dabei Häuser, in denen sie selbst nicht wohnen würden. Dort die Überzeugung: Partizipation sei ein leeres Versprechen, das Bauprozesse bloss verkompliziere. Tatsächlich kann Partizipation aber auf Probleme hinweisen, die Planende vielleicht übersehen, und ungeahnte Lösungen bereithalten. Sie kann Kreativität freisetzen, Kommunikation fördern und zu lebenswerten und inklusiven Städten beitragen. Um vom Wissen der Vielen zu profitieren, müssen Prozesse klug gestaltet sein. Planende müssen die richtigen Fragen stellen, Darstellungen und Formate finden, die verständlich sind und Spass machen. Dafür sind neue Fertigkeiten gefragt. Fachleute, die ergebnisoffen und interdisziplinär arbeiten, die sowohl vermitteln und moderieren als auch zuhören, aushandeln und aushalten können. Das bereichert auch das Berufsbild der Architektur mit neuen Aufgaben und Kooperationen.

Ganz neu sind diese Ideen nicht: Bereits im Social Turn der 1970er Jahre erfanden Architekten wie Simone und Lucien Kroll ihre eigene Rolle neu, sahen sich selbst mehr als Mediatoren statt als Autorität. Beim Entwurf eines Wohnheims in Woluwe-Saint-Lambert bei Brüssel definierten sie ein Raster, in dem die Studierenden ihre Wohnräume in Eigeninitiative zusammenbauen konnten. Heute ist Partizipation gänzlich in der Planung angekommen: von der gemeinschaftlichen Ausgestaltung von Freiräumen über gespielte Stadtplanung bis hin zur Mitgestaltung von Lernräumen durch Schulkinder. Auch die E-Partizipation steht in den Startlöchern. Digitale Stadtmodelle, die über künftige Projekte informieren und von allen kommentiert werden können, sind erst der Anfang.

Learning from Dietikon
Partizipative Stadtentwicklung in der Zürcher Agglo
Jasmin Kunst

Freiheiten gewinnen fürs Kollektiv
Gespräch über Partizipation im genossenschaftlichen Wohnungsbau
Claudia Thiesen und Yves Dreier im Gespräch mit Roland Züger

Das Leben, zusammengebaut
Partizipative Wohnprojekte im Belgien der 1970er Jahre
Lucia Gratz, Elodie Degavre (Filmstills)

Vom Federturm zur Lernlandschaft
Partizipativer Umbau der Schule Erlen in Glarus
Mirjam Kupferschmid, drumrum Raumschule/Barbara Bühler (Bilder)

Gespielter Dialog
Play the City mit Ekim Tan
Maxime Zaugg, Play the City (Bilder)

Zudem:
werk-notiz: Riken Yamamoto erhält den Pritzker-Preis 2024. Bei aller Kritik am Juryvotum für einen männlichen Preisträger, hat er Eindrückliches gebaut: Jan Geipel würdigt das Werk des Japaners.

Debatte: Umweltschonende und energiesparende Bauten sind das Gebot der Stunde. Sie müssen nicht neuerfunden werden. Der Blick in die jüngere Vergangenheit reicht schon aus. Unsere Vorgängergeneration hatte bereits gute Gedanken zum schon damals drängenden Thema.

Wettbewerb: Am Aeschenplatz in Basel soll einem einstigen Bürokoloss der UBS neues Leben eingehaucht werden. Wie lässt sich der Bau aus dem Jahr 1988 geschickt zur Stadt öffnen? Die Arbeitsgemeinschaft von Staufer & Hasler mit Graser Troxler hat das Monster gezähmt – mit erstaunlich einfachen Mitteln und Liebe zur Substanz.

Ausstellungen: Die Ausstellung The Gift – Grosszügigkeit und Gewalt in der Architektur thematisiert geschenkte Bauwerke. Aus dem Architekturmuseum München berichtet Sabine von Fischer von ungewollten Präsenten und grassierendem Philantrokapitalismus. Zudem kann man in Bordeaux Walt Disneys Welten bestaunen und sich in Genf über die Verbindung von Stadt, Architektur und Pflege informieren.

Bücher: Neben unseren Lesetipps nonconform Lesebuch sowie Architektur und Automobil setzt sich Martin Klopfenstein kritisch mit dem Büchlein Gegen Wegwerfarchitektur auseinander. In Vittorio Magnago Lampugnanis jüngstem Manifest fand er das Altbewährte im opportunen Gewand der Ökologie.

Nachruf: Michele Arnaboldi 1953 – 2024

Junge Architektur Schweiz: Norma Tollmann: Einst kam sie in die Schweiz, um hier Architektur zu lernen. Sie blieb und führt mittlerweile in Basel ihr eigenes Büro. Mit ihrem Erstling emanzipiert sich Norma Tollmann vom Einfluss, den sie für ihre Lehrjahre als Glücksfall bezeichnet.

Sprechend und vielversprechend zugleich: Neben dem Dampfer des transformierten Coop-Weinlagers im Basler Areal Lysbüchel liegt die Lyse-Lotte vor Anker. Beim Besuch des neuen Wohn- und Gewerbebaus vom Atelier Clauss Kahl Merz kam unserem Autor die Schiffmetapher gleich mehrfach in den Sinn.

À point: Die Holzwohnbauten in Riehen von Harry Gugger Studio durften kein opulentes Festmahl werden. Jenny Keller besichtigte die gelungene Verdichtung und stellte fest, dass Bauten genau dann geschmackvoll sind, wenn sie mit wenigen Zutaten auf den Punkt zubereitet werden.

werk-material: FCZ-Trainingszentrum Heerenschürli in Zürich von Rolf Mühlethaler

werk-material: Sportzentrum Kerenzerberg in Filzbach GL von Burkard Meyer

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