Zeitschrift

Bauwelt 40-41.06
Jenseits des Minimalismus
Bauwelt 40-41.06, Foto: Deutsches Architektur Zentrum DAZ
zur Zeitschrift: Bauwelt

Asmara – Afrikas heimliche Hauptstadt der Moderne

27. Oktober 2006 - Dagmar Hoetzel
Die Kolonialgeschichte Afrikas hat viele, manche mehr, manche weniger ausführlich beschriebene Kapitel – das der Architektur ist hierzulande so gut wie unbekannt. Umso verdienstvoller ist die derzeit im Deutschen Architektur Zentrum (DAZ) in Berlin
ge­zeigte Schau, die sich Asmara widmet. Im Stadtzentrum der im ostafrikanischen Hochland gelegenen Hauptstadt Eritreas befinden sich auf einer Fläche von etwa vier Quadratkilometern rund 400 Bauten, die zusammen eines der weltweit größten erhaltenen Ensembles der klassischen Moderne bilden, vergleichbar mit Tel Aviv oder Miami South Beach.

Ab 1900, als Asmara Hauptstadt der italieni­schen Kolonie Eritrea wurde, entstanden Verwaltungs-, Kultur- und Geschäftsbauten im Zeichen des Historismus, ähnlich wie in anderen Kolonialstädten. Der Großteil des Stadtzentrums wurde aber erst in den 30er Jahren errichtet. Zwischen 1935 und 1941 wuchs die Stadt explosionsartig; sie entwickelte sich von einer Provinzstadt zur afrikanischen Metropole europäischer Prägung mit Bauten in allen Facetten der italienischen Moderne. Zu den schönsten Gebäuden gehören sicher die futuristisch anmutende Tankstelle Fiat Tagliero, deren 30 Meter auskragende Betondächer an Flugzeugflügel erinnern, 1938 erbaut von Giuseppe Pettazzi, und das nur ein Jahr zuvor von Mario Messina errichtete „Cinema Impero“. Mit seiner sehr feinen, sachlich gestalteten Fassade und dem leicht ornamentalen Art-déco-Interieur mit afrikanischen Stuckmotiven gilt es als ein herausragen­des Beispiel der Kinoarchitektur jener Jahre.

Die eigens für die Schau im DAZ gefertigten Mo­delle dieser und drei weiterer Ikonen des italieni­schen Neuen Bauens in Asmara bereichern die Ausstellung, deren Bild- und Planmaterial im Wesentli­chen auf dem Buch „Asmara – Africa’s Secret Modernist City“ von Edward Denison, Guang Yu Ren und Naigzy Gebremedhin beruht. Anschaulich werden die Themen der Moderne (Wohnen, Arbeiten, Verkehr etc.) in Zusammenhang mit Asmara betrachtet, die Ge­nese der Stadt aufgezeigt und die architektonischen Ziele der italienischen Moderne beleuchtet, wobei auch deren Ambivalenz in Asmara reflektiert wird. So stehen die Stadtwerdung und das einzigartige architektonische Ensemble gleichzeitig für den Faschismus und die imperialistische Expansionspolitik Italiens. Mussolini wollte Asmara nach dem Vorbild Roms ausbauen, und der Städtebau diente zur Durchsetzung von ethnischer und sozialer Segregation. Dass die eritreische Bevölkerung die Stadt dennoch im Laufe der Zeit angenommen und eine kulturelle Versöhnung in Form einer nicht von Zerstörung begleiteten Adaption stattgefunden hat, beweist auch die Tatsache, dass das gesamte Stadtzentrum im Jahr 2001 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Darüber und über die Probleme, die bei der Instandsetzung und Restauration der Bauten auftreten – angefangen bei den Materialien, die oft aus Italien importiert worden waren, bis zu den Handwerkern, die mit den damals verwendeten Techniken nicht mehr vertraut sind – berichtet ein in der Schau gezeigter Film.

Die Ausstellung, initiiert von einer deutsch-eritreischen Kulturinitiative, wirft nicht nur Licht auf ein bislang kaum erforschtes Gebiet, sie soll vielmehr auch die Bemühungen unterstützen, Asmara in die Unesco-Welterbeliste aufzunehmen. Nicht zuletzt das könnte ein breiteres Interesse für die afrikanische Moderne in der Architektur wecken, wo es noch Vie­les zu entdecken gibt.

[ Deutsches Architektur Zentrum DAZ, bis 3. Dezember, Di–Fr 10–17, Sa, So 14–18 Uhr ]

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