Zeitschrift

Bauwelt 40-41.06
Jenseits des Minimalismus
Bauwelt 40-41.06, Schaubild: Soeters Van Eldonk Ponec architecten
zur Zeitschrift: Bauwelt

Rathaus in Gouda

27. Oktober 2006 - Doris Kleilein
Ende September konnten die Bürger von Gouda zwi­schen zwei Entwürfen für ein neues Rathaus wählen. Sie haben sich für den Vorschlag von Soeters van Eldonk Penec entschieden, der mit einer Reihe von populistischen Argumenten die subtile Arbeit von Claus en Kaan auf den zweiten Platz verwies.

„Wähl Dein eigenes Rathaus!“ – mit diesem Slogan warb Bürgermeister Wim Cornelis um hohe Wahlbeteiligung. Gewählt wurden nicht die Abgeordneten, sondern die Architekten, die das neue Repräsentationsgebäude der Stadt bauen sollen. Das historische Stadthuis, eines der ältesten gotischen Rathäuser des Landes, ist ein Wahrzeichen Goudas: ein Solitär auf dem Marktplatz mit Glockenturm und roten Fensterläden. Das neue „Huis van der Stadt“ soll nördlich des Hauptbahnhofs an der Gleistrasse stehen, wiederum als zeichenhafter Solitär, der die Entwicklung ei­nes neuen Stadtviertels und die Transparenz der Verwaltung selbstbewusst verkündet.

Ein begrenzt offener Realisierungswettbewerb war dem Plebiszit vorausgegangen – 36 Büros bewar­ben sich, fünf wurden eingeladen. Die Jury unter Vorsitz von Jomien Buitenhuis wählte zwei Finalisten; wer von den beiden das 46,5-Millionen-Euro-Projekt bauen wird, darüber sollte nicht das Fachpublikum, sondern das Volk entscheiden. Die Abstimmung trug denn sowohl die Züge einer politischen Wahl wie die einer Fernsehshow. Stimmzettel wurden an alle Haushalte verteilt; wahlberechtigt war, wer in Gouda einen festen Wohnsitz hat und über 14 Jahre alt ist. Die Entwürfe waren an zentraler Stelle zu besichtigen, die Stimmabgabe erfolgte per Briefwahl oder an mehreren öffentlichen Orten. Zu gewinnen gab es ei­nen tragbaren DVD-Player, einen Ipod und einen Restaurantgutschein im Wert von 100 Euro. Eine Sendung auf „Gouwestad TV“ verbreitete das Ergebnis: Entwurf B (Soeters van Eldonc Penek) lag mit 4421 Stimmen vor Entwurf A (3460 Stimmen) von Claus en Kaan – bei 70.000 Einwohnern eine eher geringe Wahlbeteiligung.

Liest man den Erläuterungsbericht der Architekten, so fragt man sich, ob es der Entwurf war, der die Bürger überzeugte, oder die Entwurfsrhetorik. Gewinner Jos van Eldonk scheut sich nicht vor publikumswirksamen Phrasen: Das Rathaus sei ein „echtes Haus“, das mit seiner Backsteinfassade Wärme und Geborgenheit ausstrahle. Zudem sei es transparent (Glasfassade, öffentliche Einrichtungen im EG) und würde der Demokratie zurück zu ihren Wurzeln verhelfen mittels eines frei im Atrium stehenden, ovalen, nach oben offenen Sitzungssaals, dessen farblich wechselnde Hülle die Vielfarbigkeit der Gesellschaft repräsentiere; die griechische Pnyx, ein Ver­samm­lungs­raum unter freiem Himmel, stand Pate. Die „Stroopwaffel“, wie der Entwurf auch genannt wird (das Fassadenmuster ist eine Referenz an das 1784 in Gouda erfundene niederländische Nationalgebäck), erinnert tatsächlich eher an mittelprächtige norddeutsche Kaufhausarchitektur, hat aber vielleicht gerade deshalb ihre Anhänger gefunden.

Auch dem Entwurf von Claus en Kaan hat der Volksmund bereits einen Namen verpasst: Die „Kugelbahn“, ein Hinweis auf die Rampe, die sich hinter der Südfassade ganz nach oben schlängelt und das Rathaus zum Bahnhof hin mit einem „dynamischen Stadtfoyer“ öffnet. Von den Gleisen aus kann das Le­ben im Rathaus beobachtet werden, zugleich ist die Rampe Lärmpuffer für die Büros, die U-fömig an den dem Bahnhof abgewandten Seiten ein Atrium und in den oberen Geschossen Wintergärten umschließen. Besonders überzeugt der Entwurf durch die Fassade, die aus einer unregelmäßigen horizontalen Schichtung aus Glas und dem ortsüblichen Naturstein besteht. Auch dies ist eine Referenz an die Stadt, allerdings übersetzt in eine unaufgeregte architektoni­sche Sprache – wie es scheint, zu leise für das große Publikum.

[ Begrenzt offener Realisierungswettbewerb
Preisträger: Claus en Kaan Architecten, Rotterdam | Soeters van
Eldonk Penec Architecten, Amsterdam
Weitere Teilnehmer: De Jong Gortemaker Algra Architecten, Gouda | Rudy Uytenhaak Architectenbureau, Amsterdam | Van den Oever, Zaaijer & Partners Architecten, Amsterdam ]

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