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tec21 2006|46
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zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Elektrizität im Hochbau

Die neue, in revidierter Form vorliegende Norm SIA 380/4 «Elektrische Energie im Hochbau» soll zu einer rationellen Verwendung von Elektrizität in Bauten und Anlagen beitragen. Neue SIA-Tools helfen bei der Berechnung und erleichtern die Anwendung.

13. November 2006
1977 hat der SIA erstmals eine Empfehlung herausgegeben mit dem Ziel, in Gebäuden Heizenergie rationeller einzusetzen. Die Empfehlung SIA 180/1 Nachweis des mittleren k-Wertes der Gebäudehülle wurde in der Zwischenzeit abgelöst durch die Empfehlung SIA 380/1 Thermische Energie im Hochbau. Die meisten Kantone haben diese Empfehlungen und Normen für Baubewilligungen als verbindlich erklärt. Dadurch konnte der ­Heizenergiebedarf von Neubauten um einen Faktor 2 bis 3 gesenkt werden. Auch bei bestehenden Bauten ergibt sich – entsprechend dem Erneuerungsrhythmus – eine Senkung des Heizenergiebedarfs. Noch tiefere Werte werden durch den Minergie- und den Minergie-P-Standard erreicht. Bauten nach Minergie-P benötigen für die Beheizung lediglich 1.5 Liter Heizöl je Quadratmeter und Jahr. Die Minderung des spezifischen Heizenergiebedarfs in den letzten 30 Jahren ist zweifelsohne ein grosser Erfolg, ganz im Gegensatz zur Entwicklung des Stromverbrauches. 1995 publizierte der SIA erstmals die Norm 380/4 «Elektrische Energie im Hochbau», die jedoch wenig Anwendung fand. Die meisten Bauprojekte wurden ohne Einbezug der Norm realisiert. Eine Verbesserung lässt die revidierte Fassung erwarten: Weniger Lücken in den Berechnungsmethoden, praxisgerechtere Anforderungen, umfassender im Inhalt und eine hohe Tauglichkeit für den Planungsalltag sind die wichtigsten Merkmale. Falls die Kantone Teile dieser Norm als verbindlich erklären, dann findet sie in Zukunft eine ebenso breite Anwendung wie die Norm SIA 380/1 und trägt damit zu den dringend notwendigen Einsparungen bei der elektrischen Energie bei.

Verwendungszwecke

Die neue Norm unterscheidet weiterhin die folgenden Verwendungszwecke: Betriebseinrichtungen, Beleuchtung, Lüftung / Klimatisierung, diverse Gebäudetechnik und Wärme. Dies zeigt die vielseitige Anwendbarkeit von Elektrizität. Die neue SIA 380/4 ist daher zwangsläufig komplexer als die Norm zur thermischen Energie. Dazu kommt, dass der Elektrizitätsverbrauch in den meisten Verwendungszwecken stark vom Benutzerverhalten abhängt. Darauf nimmt die Formulierung der Anforderungen mit Hilfe eines Vergleichprojektes Rücksicht.

Raumnutzungen

Statt den bisherigen zehn Raumnutzungen werden deren 44 angeboten. Damit wird ein grosser Teil der möglichen Nutzungen abgedeckt. Im neuen SIA-Merkblatt 2024, das auf der älteren SWKI-Richtlinie 95-3 basiert, sind für alle Raumnutzungen die Bedingungen definiert, welche bei Berechnungen in der Energie- und Haustechnik massgebend: Personenbelegung, Gerätebenutzung, Raumtemperatur, Beleuchtungsstärke, Aussenluftvolumenstrom und viele weitere Parameter. Diese Nutzungsdaten sollen in allen verwandten Normen Anwendung finden. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Harmonisierung innerhalb des Normenwerkes geleistet.

Berechnung des Elektrizitätsbedarfs

In der früheren Version fehlten Angaben zur Berechnung von Projektwerten. In der neuen Fassung ist für alle Verwendungszwecke dazu ein Berechnungsverfahren enthalten. Meist wird zwischen einem vereinfachten Berechnungsverfahren für die Vorprojektphase und einer Berechnung aufgrund der effektiv installierten Anlagen und Geräte in der Projektphase unterschieden. Für Beleuchtungen findet sich neu ein Verfahren zur Berechnung der notwendigen elektrischen Leistung aufgrund der Beleuchtungsstärke, der Leuchten-Lichtausbeute sowie der Dimensionen und des Reflexionsgrades des Raumes. Für die Berechnung der Volllaststunden aufgrund der Tageslichtnutzung steht ein stark differenziertes Verfahren zur Verfügung, das alle massgebenden Einflussfaktoren einbezieht. Das Berechnungsverfahren für Lüftung / Klimatisierung basiert jetzt auf der neuen EN 13790, genauer auf dem dort definierten Stundenmodell zur Berechnung der Kühlenergie. Ganz neu ist schliesslich das Verfahren zur Berechnung des Energiebedarfs von Aufzügen.

Anforderungen

Die Norm unterscheidet analog zu SIA 380/1 zwischen Einzelanforderungen und Systemanforderungen. Die Einzelanforderungen beziehen sich auf die Eigenschaften einzelner Geräte und Anlagenbestandteile. Systemanforderungen legen Grenz- und Zielwerte für den jährlichen Elektrizitätsbedarf fest, bezogen auf die Nettogeschossfläche. Für Betriebseinrichtungen gibt es nur Anforderungen an Haushaltgeräte auf Basis der Energieetikette. Für Beleuchtungen gelten Einzelanforderungen an die Leuchten-Lichtausbeute und an die Schaltung. Für Anlagen der Lüftung respektive Klimatisierung beziehen sich die Einzelanforderungen auf die spezifische Ventilatorleistung, die Regelung und die Arbeitszahl der Kältemaschine. In beiden Bereichen sind die Systemanforderungen aufgrund eines Vergleichsprojektes definiert, bei welchem für die vom Planer nicht beeinflussbaren Parameter die projektspezifischen Werte und für die beeinflussbaren Parameter Standardannahmen einzusetzen sind. Dadurch wird eine ganzheitliche Optimierung ermöglicht. Weitere Einzelanforderungen betreffen den Wirkungsgrad von Heizungspumpen und die Leistungsziffer von Wärmepumpen.
Mit der neuen Fassung der Norm 380/4 haben Bauherrschaften die Möglichkeit, dem Planerteam klare Vorgaben über den Elektrizitätsbedarf zu machen, diesen im Planungsprozess laufend zu überprüfen und mit andern Objekten derselben Nutzungskategorie zu vergleichen. Der Planer kann mit Hilfe der Berechnungsmethoden und Rechenhilfen den Elektrizitätsbedarf umfassend und phasengerecht optimieren. Mit den genauer definierten Berechnungsverfahren und den neuen Einzelanforderungen wurden die Voraussetzungen für einen behördlichen Vollzug wesentlich verbessert.

Zusatz:
Hilfsmittel für die Anwendung
Die vollständig neue Dokumentation unterstützt Planer bei der Anwendung der neuen Norm und illustriert dies an einem Beispiel. Die Dokumentation ist insbesondere zum Selbststudium geeignet und dient als Nachschlagewerk bei der Anwendung an konkreten Objekten. Zur Einführung der neuen Norm sind Kurse geplant. Für Bauherrschaften, Architekten und Vollzugsorgane eignet sich eine zweistündige allgemeine Einführung. Elektroplaner, Beleuchtungsplaner und Architekten sind das Zielpublikum einer detaillierten Einführung in den Beleuchtungsteil mit Anwendung des Beleuchtungstools. Der Klimateil ist Thema eines weiteren Moduls. Beide Fachkurse erstrecken sich über zwei halbe Tage. Das SIA-Tool Beleuchtung wurde der neuen Norm angepasst, insbesondere zur differenzierteren Berücksichtigung der Taglichtnutzung. Das SIA-Tool Lüftung/Klimatisierung ist vollständig neu. Die Berechnung beruht jetzt auf der vereinfachten Stundenmethode nach prEN 13790. Das Tool befindet sich bis Ende 2006 in einer Testphase. Die beiden Tools können gegen eine jährliche Lizenzgebühr von
100 Fr. respektive 300 Fr. von www.energycodes.ch heruntergeladen werden. Eine Testversion ist gratis. (Text: Martin Lenzlinger)

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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