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tec21 2006|46
Lärmschutz
tec21 2006|46
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Lärmschutz mit Drain-Asphalt

Bei der Erneuerung der A2 zwischen Erstfeld und Amsteg im Kanton Uri wird der Betonbelag aus den 1970er-Jahren durch einen «leisen» Drain-Asphalt ersetzt. Die Prognosen gehen von einer Lärmreduktion von bis zu 8 dB A aus. An exponierten Lagen sind weiterhin Lärmschutzwände nötig. Einige dieser Mauern bilden, zusammen mit dem Autobahntrassee und einem Tunnel, gleichzeitig einen Hochwasserentlastungskorridor.

13. November 2006
Die A2 im Kanton Uri gehört zu den wichtigsten europäischen Transitstrecken. An Spitzentagen verkehren auf der Gotthard-Strecke bis zu 46 000 Fahrzeuge, im täglichen Durchschnitt sind es rund 20 000 mit einem Schwerverkehrsanteil von ca. 16 %. Zwischen Erstfeld und Amsteg rollt der Verkehr bis heute über die Betonfahrbahn aus den 1970er-Jahren. Die Verbindungsdübel zwischen den Betonplatten sind an vielen Stellen gebrochen, es haben sich Stufen an den Fugen gebildet (Bild 1). Das führt nicht nur zu dem bekannten «Holpereffekt», den viele Reisende von der Gotthard-Autobahn kennen, sondern auch zu einem unangenehm klopfenden Geräusch. In grösseren Teilen der Gemeinden Silenen und Amsteg liegt der Lärmpegel am Tag über 60 dB A, dem Schweizer Immissionsgrenzwert für reine Wohnzonen. Zentrales Ziel der Erneuerungsarbeiten zwischen Erstfeld und Amsteg, die bis Juli 2007 andauern, ist deshalb die Lärmsanierung. Die Baumassnahmen mit einem Investitionsvolumen von 180 Millionen Franken umfassen die Kompletterneuerung des Trassees, die Sanierung der Kunstbauten sowie drei neue Strassenabwasser-Behandlungsanlagen (Bild 3).

Lärm an der Quelle bekämpfen

Im Reusstal ist Lärm nicht nur punktuell, sondern flächenhaft ein Problem. Lärmschutzwände machen aufgrund der Tallage nur an bestimmten, besonders belasteten Orten Sinn. Um eine deutliche Verbesserung der Lärmsituation zu erzielen, muss der Lärm an der Quelle bekämpft werden. Bereits ab einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km / h verursacht das Rollgeräusch von PW einen höheren Lärmpegel als das Motorengeräusch. Vor allem entlang von Nationalstrassen, wo der Verkehr mit hoher Geschwindigkeit fliesst, können deshalb Drain beläge, auch offenporige Asphalte genannt, für eine deutliche Lärmminderung sorgen. Sie verfügen über ein relativ grosses Hohlraumvolumen und absorbieren so den Lärm bereits am Entstehungsort. Wie aus ihrem Namen hervorgeht, leiten sie gleichzeitig das Wasser von der Fahrbahn ab und reduzieren die Sprühfahnenbildung sowie die Gefahr von Aquaplaning.

Um die Lärmsituation im Reusstal realistisch abzubilden, wurden im Auftrag des Kantons Uri Lärmbelastungspläne sowohl für den Ist-Zustand (Betonfahrbahn, Bild4a) als auch für einen zukünftigen Zustand mit Drainasphalt (Bild 4b) erstellt. Danach bringt der Drain-
asphalt eine deutliche Entlastung: Die Lärmminderung beträgt im überwiegenden Teil des Tals bis zu 8 dB A gegenüber dem heutigen Betonbelag – das entspricht in etwa einer Halbierung des wahrgenommenen Lärms. Neben Drainasphalt wurde auch ein Splittmastixasphalt untersucht. Er brachte in der Modellrechnung jedoch lediglich eine Verbesserung von 2 bis 4 dB A gegenüber der heutigen Situation.

Erfahrungen mit Drain-Asphalt

Bevor sich der Kanton Uri für den Drainasphalt entschied, wurden alle bisherigen Erfahrungen mit dem «Flüster-Belag» ausgewertet: In der Schweiz wurde der erste Drainbelag 1991 im Kanton Waadt eingebaut und seitdem auf rund 250 Autobahnkilometern eingesetzt. Messungen in den Kantonen Waadt und Aargau zeigten, dass Drainasphalt auch über Jahre nur wenig von seiner lärmmindernden Wirkung verliert. Ursprünglich hatte man angenommen, dass offenporige Beläge im Lauf der Zeit durch Ablagerungen verstopft werden und so ihre lärmreduzierende Wirkung verlieren. Die Erfahrungen in der Schweiz zeigten jedoch, dass die hohen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge offenbar zu einer ausreichenden Selbstreinigung des Belags führen. Seine «akustische Lebensdauer» entspricht damit durchaus seiner technischen, die bei 12 bis 15 Jahren liegt. So sind auch grossräumige Lärmsanierungen ohne kilometerlange und sehr teure Lärmschutzwände möglich. Das Schweizer Bundesamt für Strassen (Astra) geht davon aus, dass die Lärmsanierung mit Drainasphalt im Vergleich zu Lärmschutzwänden schweizweit Einsparungen von mehreren hundert Millionen Franken ermöglicht. Gleichzeitig warnt es vor einer Drainasphalteuphorie, denn für einen langfristig wirksamen lärmreduzierenden Belag sind einige Rahmenbedingungen zu beachten: Drainasphalt ist aufgrund seiner porösen Struktur anfällig für mechanische Beschädigungen. Insbesondere Schneeketten haben auf einigen Schweizer Drainasphaltstrecken beträchtliche Schäden (Kornausbrüche) verursacht. Da die zahlreichen Hohlräume im Drainasphalt eine isolierende Wirkung haben, ist die Oberfläche der Fahrbahn im Winter kälter als bei dichteren Belägen. Schnee bleibt deshalb länger liegen. Zudem «verschwinden» Tausalze teilweise in den Hohlräumen des Belags. Der Winterdienst muss deshalb schneller reagieren und benötigt rund 40 % mehr Streusalz. Auf Brücken sollten Drainbeläge nur in besonderen Fällen und mit speziellen Entwässerungslösungen zum Einsatz kommen, bei 600 m ü. M. ist die Höhengrenze des Drainbelags erreicht.

Hohe Qualitätsanforderungen

Aufgrund dieser Erfahrungen galten für den Drainasphalt im Kanton Uri folgende Anforderungen:
* hohe Qualität des Bindemittels: Ein gutes Haftverhalten muss auch über lange Zeiträume gewährleistet sein, um Kornausbrüche aufgrund von mechanischen Belastungen zu vermeiden. Deshalb sollen nur beste Bindemittel eingesetzt werden wie kunststoffmodifizierte Bindemittel Typ E (mit Elastomer).
* Die poröse Struktur des Drainbelags kommt durch den hohen Splittanteil zustande. Da die Lastübertragung vorwiegend über dieses Korngerüst erfolgt, muss der Splitt hohe petrografische Anforderungern erfüllen.
* Ein zu hoher Hohlraumgehalt vermindert die Oberflächenfestigkeit und Haltbarkeit des Drainasphalts. Gegenüber den früher üblichen Hohlraumvolumina von 22 % und mehr soll der Hohlraumgehalt auf der A2 im Kanton Uri bei maximal 20 – 22 % liegen. Aufgrund von Erfahrungen im Kanton Aargau strebt das (Astra) einen Mittelwert für den Hohlraumgehalt von nur noch 18 bis 20 % an.
Besondere Qualitätsansprüche gelten auch für die Einbauweise:
* Drainasphalt soll nur bei trockener Witterung und Lufttemperaturen über 15°C eingebaut werden.
* Um die Drainagewirkung in Querrichtung zu gewährleisten, muss der Belag fugenlos über die gesamte Fahrbahnbreite eingebaut werden (Bild 5). Etwaige Längsfugen würden den Wasserabfluss verhindern und zur Verstopfung der Hohlräume mit Ablagerungen führen. Damit würde nicht nur die Drainageleistung, sondern auch die akustische Wirkung beeinträchtigt.
* An den Fahrbahnrändern sind spezielle Entwässerungslösungen nötig. Der Drainbelag auf der A2 wird am Fahrbahnrand nicht bis zum Randstein durchgezogen. So entsteht eine Rinne, durch die das Wasser aus dem Deckbelag abfliessen kann. Um eine optimale Entwässerung zu gewährleisten, wird der Belagsrand zudem abgeschrägt. Im Bereich des Mittelstreifens schliesst der Deckbelag direkt an eine Rinne an, die mit Drainasphalt aufgefüllt ist und das Wasser ableitet.
* Um sein Lärmminderungspotenzial voll zu nutzen, muss der offenporige Asphalt eine ebene, anregungsarme Oberfläche haben. Die Unebenheiten der Oberfläche dürfen innerhalb einer 4 m langen Messstrecke nicht mehr als 3 mm betragen.

Multifunktionale Lärmschutzwände

Da es auf Brücken im Winter besonders schnell zur Glatteisbildung kommt, hat sich der Kanton Uri entschieden, an diesen exponierten Lagen auf Drainasphalt zu verzichten. Auf allen drei grossen Autobahnbrücken über die Reuss kam ein herkömmlicher Gussasphalt zum Einsatz. Hier waren deshalb ergänzend Lärmschutzwände nötig (Bild 6).

Im hochwassergeplagten Kanton Uri wird nicht nur an den Lärmschutz gedacht, sondern auch an den Schutz vor den immer wiederkehrenden Fluten. Um Erstfeld besser vor Hochwasser zu schützen, dient die A2 als Überlaufventil, wenn die Reuss Hochwasser führt. Die Wassermassen werden dann südlich der Ortschaft auf die A2 geleitet, fliessen durch den Taubachtunnel und strömen hinter Erstfeld wieder ins Flussbett (Bild2). Entlang dieses «Bypass» wird das Wasser von Hochwasserschutzmauern gelenkt, die gleichzeitig auch als Lärmschutz dienen (Bild 7).

Zwischenbilanz

Verkehrslärm beeinträchtigt die Lebensqualität im Urner Reusstal. Der Drainasphalt wird die Region deutlich entlasten, gleichzeitig sorgt er für höhere Verkehrssicherheit vor allem bei Niederschlägen. Dank dem Drainasphalt sind auf der 9.4 km langen Sanierungsstrecke nur auf insgesamt 2.4 km Länge Lärmschutzwände nötig. Die Fahrbahn in Richtung Norden ist bereits fertig gestellt – die lärmreduzierende Wirkung ist jetzt sowohl in der Umgebung als auch im rollenden Fahrzeug selbst zu spüren. Messungen werden zeigen, ob die positiven Prognosen bestätigt werden. (Text: Andreas Steiger, Thomas Hirt)

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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