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Grand Prix de l’urbanisme an Francis Cuiller

26. Januar 2007 - Kaye Geipel
In Frankreich ist der Städtebau, mehr als in Deutschland, ein öffentliches Thema. Ein Gradmesser, der über den Stand der Diskussion Auskunft gibt, ist der Grand Prix de l’urbanisme, der jedes Jahr an einen herausragenden Stadtplaner verliehen wird. In den zurückliegenden Jahren ging der Preis mehrmals an Planer, die sich mindestens ebenso sehr als gestaltende Architekten verstehen. 2004 erhielt ihn Christian de Portzamparc und 2005 Bernard Reichen. Der jetzt für 2006 an Francis Cuillier vergebene Preis stellt wieder ganz die strategischen und politischen Möglichkeiten der Stadtplanung in den Vordergrund.

Der Preisträger ist seit 1995 leitender Stadtplaner der Stadt Bordeaux und war die meiste Zeit im Dienst öffentlicher Planungsbehörden tätig. Cuillier beschreibt seinen beruflichen Weg in den zurückliegenden drei Jahrzehnten als „pelerinage“, als Pilgerweg. Tatsächlich war er in einer Art Tour de France in fast allen wichtigen Problemzonen des französischen Nachkriegsstädtebaus und seiner Industrien beteiligt. Er hat von Lille aus eine Forschungsgruppe für die Sanierung kleiner Bergbaustädte geführt; er gehörte zu den ersten Planern, die in der Region Saint-Etienne Pilotprojekte für die Modernisierung des 60er-Jahre-Großwohnbaus entwickelt haben – zusammen mit Christian Devilliers und Alexandre Chemetov. Er leitete in den 80er Jahren in der Lorraine die Transformation der schwindenden Bergbau- und Stahlindustrie; und er hat in Lorient an der Sanierung des Ha­fens – u.a. auch mit der Konversion der ehemali­gen deutschen U-Boot-Basis – gearbeitet.

Cuillier vertritt eine Generation von Planern, die mit einer gewissen Desillusion bezüglich der „grands projets“ wieder stärker die Bedürfnisse des Lokalen in den Vordergrund rücken. Die meisten Stadtbewohner, so Cuiller, betrachten urbane Veränderungen heute als eine Art Aggression. Das führe zu einer Blockade der Argumente und Auffassungen, vor allem aber zu einer immer weitergehenden Fragmentierung städtischer Funktionen. Lassen sich städtebauliche Ziele, die gemeinsam getragen werden, überhaupt erreichen? Cuillier hat sich in den letzten fünfzehn Jahren vor allem für ein Umdenken bei den öffentlichen Transportmitteln engagiert. Als Stadtbaudirektor von Straßburg 1990–95 war er einer der Pioniere der Renaissance der Straßenbahn. Er hat die später von vielen kopierten Konzepte für neue Linien umgesetzt und mit Hilfe von Architekturwettbewerben gleichzeitig für die Neugestaltung der Place Kleber und der Place de la Gare gesorgt. Zwei einfa­che Devisen hält Francis Cuillier bereit, wenn er gefragt wird, was man von seiner Arbeit lernen könne: Die Planungsbehörden müssten, was ihrem Wesen widerspreche, dazulernen; und dann sollten sie ihre Planungen so klar dokumentieren, dass sie von allen verstanden werden.

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