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Bauwelt 4.07
Hochschulen in Oberbayern und Ostwürttemberg
Bauwelt 4.07
zur Zeitschrift: Bauwelt

Hochschule für Technik und Wirtschaft in Aalen

Drei Erweiterungsbauten vor der Stadt: Mahler – Günster – Fuchs

19. Januar 2007 - Max Stemshorn
Drei große, am Waldrand aufgestellte Holzkisten ziehen schon von fern die Aufmerksamkeit auf sich, wenn man auf der Bundestraße 29 an der ostwürttembergischen Stadt Aalen vorbeifährt. Ein Relikt des groß angelegten Römerspektakels, das in Aalen, am ehemals größten Reiterkastell nördlich der Alpen, regelmäßig veranstaltet wird? Ein Museum? Oder gar eine Fabrik zur Herstellung von Holzwerkstoffen und Pellets? Nichts von alledem. Die hölzernen Kuben bergen Räume für die Studiengänge der Bereiche Elektronik, Optik und Informatik der Hochschule für Technik und Wirtschaft.

Ursprünglich war geplant, die Erweiterung der in den letzten Jahren kräftig gewachsenen Hochschule in einer aufgelassenen Fabrik oder in einer Aufstockung des 1969 eingeweihten Altbaus unterzubringen. Doch die Akteure um den rührigen Rektor der Hochschule konnten die Gremien davon überzeugen, dass es im Hinblick auf langfristige Perspektiven sinnvoller ist, das Gelände am Waldrand unweit des Altbaus für die Neubauten zu nutzen. Das exponiert gelegene Areal „Auf dem Burren“, das die Stadt hierfür dem Land abtrat, bietet nun auch langfristig genügend Potentiale für die Entwicklung des Hochschulstandorts.

In einem Realisierungswettbewerb setzten sich die Architekten Mahler-Günster-Fuchs mit einem überzeugenden und im besten Sinne einfachen Konzept durch. Drei schlanke Baukörper, zwei größere und ein kleinerer, wurden parallel zueinander in den leicht abfallenden Hang gesetzt. Vom Waldrand gleitet der Blick über die tiefer liegenden Neubauten bis zum Horizont der schwäbischen Landschaft. Die den Altbau und die Neubauten verbindende Straße mündet in einem zum Tal hin geschlossenen Platzraum, der seitlich von den Stirnseiten zweier Gebäude flankiert und hangabwärts von der Längsseite des dritten Traktes begrenzt wird. Über den Platz, der den Höhenunterschied des Geländes durch niedrige Betonmauern und Rampen geschickt überspielt, gelangt man in die querliegende, baumbestandene Erschließungsachse: ein betont urbaner Mittelpunkt der Gebäudegruppe, der als Kern einer kleinen „Stadt der Wissenschaft“ verstanden werden kann, die im Laufe der Jahre wachsen wird.

Die schon von weitem wahrnehmbare, die Gebäudeoberfläche belebende Komposition aus helleren und dunkleren Flächen entpuppt sich jetzt als ein dichtes Kleid aus durchbrochenen Holzläden, das den völlig verglasten Bau in sechzig Zentimeter Abstand umhüllt. Je nach Sonnenstand ändert sich das Fassadenbild. In geschlossenem Zustand bilden die aus unbehandeltem Lärchenholz gefertigten, lamellenartigen Fassadenelemente eine helle, rötlich schimmernde Fläche. Werden die Läden mit einem Drehmechanismus senkrecht gestellt, wird die dahinter liegende dunklere Fläche der Verglasung sichtbar, und die vorstehenden Kanten der Läden erzeugen vor der transparenten Hintergrundfolie ein kräftiges Relief. Da die Verschattungsanlage von den Nutzern raumbezogen gesteuert werden kann, ist je nach Stellung an den offenen oder geschlossenen Flächen die hinter der Hülle liegende Raumstruktur unterschiedlich ablesbar. Das Dunkel der Nacht birgt weitere Reize. Nach Einbruch der Dämmerung dringt Licht von innen durch die Ladenelemente und lässt die Kuben zu fast zerbrechlich wirkenden, irrlichternden Gebilden werden, die entfernt an großformatige Papierlaternen erinnern.

Völlig geschlossen sind dagegen die holzverkleideten Schmalseiten, bei denen jedoch ein das dreigeschossige Gebäude in voller Höhe durchmessender Schlitz die innere Struktur der Bauten andeutet. Die Gebäudezugänge liegen sinnfällig an der sympathisch zurückhaltend gestalteten Erschließungsachse. Nichts soll die Ruhe der großen Formen stören. Deshalb heben sich die vollverglasten Türen auch wenig von der Holzhülle der Quader ab. Ein ungefilterter Einblick ins Innere ist auch bei den Glastüren nicht erwünscht, weshalb die Architekten zwischen den Glasscheiben einen hölzernen Lamellenvorhang heruntergelassen haben. Erinnerungen an den traditionellen japanischen Holzbau werden wach, wo feingliedrige Paravents aus Holzlamellen oder Bambus Einblicke in die Häuser verhindern sollten. Die Architekten hatten das Ziel, mit dem gedämpften Licht, das den Eintretenden wie in alten japanischen Häusern umfängt, eine Atmosphäre der Konzentration und Kontemplation zu schaffen, die der Arbeit und Lehre in diesen Räumen förderlich sein dürfte. Dass man bei der Gestaltung der Innenräume auf jeglichen architektonischen Firlefanz verzichtete und sich auf das Wesentliche beschränkte, ist schlüssig. Der sich von dem Weiß der Trennwände absetzende Sichtbeton an den Decken und den statisch relevanten Wänden sowie die Bodenbeläge aus anthrazitgrauem Linoleum und Naturstein aus der Region, die das Grau des Sichtbetons aufnehmen, kontrastieren mit dem warmen Ton der hölzernen Lamellen, die sich außen vor den raumhohen Verglasungen ausbreiten. Dabei erzeugen die Läden in geschlossenem Zustand gerade so viel Intimität, dass auch die WC-Anlagen ohne Matt- oder Riffelglas auskommen und wie vollwertige Räume mit einem vielschichtigen, fein dosierten Ausblick auf die Umgebung aufwarten.

Die Fakultätsgebäude sind längs auseinander geschnitten. Die von oben beleuchtete Fuge birgt zwischen hohen Sichtbetonwänden zwei Treppenanlagen, deren Offenheit durch brandschutztechnische Zusatzmaßnahmen ermöglicht wurde, sowie drei nicht begehbare Leerräume: zwei extrem schmale, gangartige Räume an den Stirnseiten, die sich hier zu den überdimensionalen schlitzartigen Ausrufezeichen öffnen, und in der Gebäudemitte ein schachtartiger, dämmriger Raum, dessen Grund mit grauem Schotter bedeckt ist. Von den engen, ein wenig an die Architektur altägyptischer Tempelanlagen gemahnenden Grüfte führt die kaskadenartig ansteigende Treppe hinauf. Ganz oben, über der Brüstung schwebend, zeigt sich eine den hohen Raum abschließende, hell beleuchtete Fläche. Lockt diese „Himmelsleiter“ in eine elegante Bar? Nein. Aber immerhin läuft man nicht ins Leere, sondern wird mit einem berückenden Panorama auf die sanften Wellen der schwäbischen Ostalb belohnt.

Im weitgehend identischen Gebäude jenseits der Erschließungsachse installierte der Münchener Künstler Albert Hien in dem mittleren, ebenfalls aufgeschotterten Leerraum eine Sequenz aus vertikalen, schrägen und auch gebogenen Neonröhren. Wechselnd geschaltet, erzeugen sie in dem tiefen engen Raum eine Folge leuchtender, rätselhaft-kryptischer Zeichen, die auch die benachbarten Erschließungsflure in blaues und rotes Licht tauchen. Ob die Arbeit mit dem Titel „Mehr Licht“ den Mitarbeitern des angrenzenden Studentensekretariats vielleicht zu aufregend ist, oder ob ihnen die zurückhaltende Architektur zu karg erscheint – eine ganze Batterie unterschiedlicher Topfpflanzen und Dauergewächse in einer Variation von Übertöpfen, im Eingangsbereich auf die unteren Profile der raumhohen Flurverglasung gestellt, versucht hier jedenfalls schon nach wenigen Wochen Hochschulbetrieb eine andere Art Heimat zu erschaffen.

Wer will, kann sich auch in die Bibliothek der Hochschule zurückziehen, den kleinen Bruder der beiden Fakultätsgebäude. Der Bau bietet an der Schmalseite nach Süden in allen drei Geschossen eine offene „Laube“ mit Ausblick an – ein aufmerksames Geschenk an die Studierenden.

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Für den Beitrag verantwortlich: Bauwelt

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