Zeitschrift

dérive 26
Sofia, Banlieus, Broadacre City, Guantanamo, Kreative Milieus, Stadtaussenpolitik
dérive 26
zur Zeitschrift: dérive
Herausgeber:in: Christoph Laimer
Editorial

Nach einer ganzen Reihe von Schwerpunktheften ist das vorliegende Heft zur Abwechslung wieder einmal eine Sampler-Ausgabe mit einem bunten Mix von Artikeln. Wobei es ja auch Schwerpunkte gibt, die nicht in einem Heft abgehandelt werden, sondern ganz unauffällig und manchmal auch unbeabsichtigt über mehrere Hefte verteilt zu solchen werden.

Einer von diesen heimlichen Schwerpunkten ist Sofia gewidmet. Er hat in Heft 24 mit Ivaylo Ditchevs Artikel Sofia, fluide Stadt begonnen und wird in dieser Ausgabe mit dem Beitrag Stadtlaboratorium Sofia – Beobachtungen zur postsozialistischen Stadtentwicklung von Dagmar Grimm-Pretner und Philipp Rode, der die aktuelle Situation und Problemlagen der postsozialistischen Stadtplanung in Sofia mit Bezug auf die Freiräume zum Thema hat, fortgesetzt. Zwei weitere Texte über Sofia folgen in den nächsten Heften.

Jens Becker und Jascha Keller informieren uns in ihrem Beitrag Netzwerkbasierte Stadtaußenpolitik über die Ausbreitung staatlich-privater Netzwerke auf nationaler und transnationaler Ebene als Folge der um sich greifenden Vernetzungs-, Kooperations- und Konkurrenzlogik der postfordistischen Regulationsweise. Anhand der Stadtaußenpolitiken von Berlin, Wien, Budapest und Warschau, des Städtenetzwerkes Eurocities und an Beispielen einer tendenziell transnationalen Beschäftigungspolitik illustrieren sie einen „Überbau-Hokuspokus“, der nur wenig zu realen Problemlösungswegen, etwa in der Beschäftigungspolitik, beiträgt.

Denis Duclos schildert in seinem Beitrag Stolz auf den Beton die Rebellion der französischen Vorstadtjugend als Teil einer dynamischen Kultur. Duclos verharmlost nicht das Bandenunwesen, das „unerträglich“ sein mag, sieht aber auch die Chance auf eine neue gesellschaftliche Solidarität, die jedoch eine „echte Integrationspolitik“ voraussetzt.

André Krammer wirft mit Jenseits der Stadt auf Maggie´s Farm einen neuen Blick auf Frank Lloyd Wrights Stadtvisionen. Sein besonderes Augenmerk gilt dem Konzept der Broadacre City, die dem europäischen Denken aufgrund des fehlenden Zentrums stets fremd geblieben ist.

In Sie nennen es Arbeit stellt uns Oliver Frey sein Konzept der amalgamen Stadt vor. Frey hat sich in den letzten Jahren intensiv mit den kreativen Milieus und den Konzepten der Creative Industries beschäftigt und sieht trotz der – auch in dérive geäußerten – Kritik an der Ökonomisierung der Kreativität, die damit meist einhergeht, die Chance, dass aus dem „Humus“ der kreativen urbanen Milieus eine „offene und tolerante Stadtgesellschaft erwachsen kann“.

Markus Miessen erörtert in seinem Beitrag Spatial Practices as a blueprint for Human Rights violations die Beziehung zwischen Raum und Macht. Er widmet sich der Frage, inwieweit räumliche Bedingungen die bewusste Verletzung von Menschenrechten beeinflusst haben. Als Beispiel hierfür dienen ihm in erster Linie die Gefängnisanlagen auf dem Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba, dessen Schließung trotz mehrfacher Ankündigung – auch von George W. Bush – nach wie vor nicht auf der Tagesordnung steht.

Im Mittelpunkt des Textes Reflexionen der phantastischen Stadt von Thomas Ballhausen stehen die „poetischen Lesebücher einer urbanen Mythologie“ des Schriftstellers Herbert J. Wimmer. Michel Butors Die Stadt als Text dient Ballhausen als Einstieg in das Universum der Romane Wimmers. Die in diesen beschriebenen Städte gleichen semiotischen Rätseln, nicht verwunderlich also, dass „zum detektivischen tendierende menschen“ für Wimmer die idealen LeserInnen sind.

Dass Kunst im wahrsten Sinne des Wortes Schmerzen verursachen kann und sogar gebrochene Zehen zurückbleiben können, zeigt Daniel Kalt in der neuen Folge seiner Serie über Street Art. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, was aber wahrscheinlich nichts nutzt, weil der Titel bereits den entscheidenden Hinweis gibt: Kunst ist kein Kinderspiel. Die Berliner Mediengruppe LM/LN und ihr Concrete Soccer. Manfred Russos Serie zur Geschichte der Urbanität geht in Runde 18 und widmet sich diesmal dem ennui: Das Leiden des Flaneurs. Erik Meinharter stellt uns das Projekt >> 4816 vor und damit eine sehr schöne neue Methode durch die Stadt zu schweifen.

Für die dérive Abo-Aktion gibt es diesmal zwei Bücher zur Auswahl:
Ein Buch bekommt, wer dérive für zwei Jahre abonniert. Bei Auslandsbestellungen müssen wir aufgrund des hohen Porto beim Buchversand, dieses extra berechnen. Alle Details gibt es auf der vorletzten Seite oder auf www.derive.at.

Die nächste Ausgabe von dérive erscheint Anfang April mit dem Schwerpunkt Stadt hören (Redaktion: Peter Payer).
dérive-AbonnentInnen können sich im April nicht nur auf das spannende Heft, sondern zusätzlich und kostenlos auch auf die beigelegte CD Sehen mit Ohren von Ulrich Troyer freuen, die sich akustisch der differenzierten Raumerfahrung blinder Menschen nähert.

Ich hoffe, Sie wissen, was Sie jetzt zu tun haben, wenn Sie noch kein Abonnement besitzen! Christoph Laimer

Editorial
Christoph Laimer

Netzwerkbasierte Stadtaußenpolitik | Jens Becker, Jascha Keller
Stadtlaboratorium Sofia | Dagmar Grimm-Pretner, Phillip Rode
Jenseits der Stadt auf Maggie‘s Farm. Zur Aktualität von Frank Lloyd Wrights Stadtvisionen | André Krammer
Stolz auf den Beton | Denis Duclos
Sie nennen es Arbeit.
Die „Planung der Nicht-Planung“ in der „amalgamen Stadt“ der kreativen Milieus | Oliver Frey
Reflexionen der phantastischen Stadt | Thomas Ballhausen

Kunstinsert:
CaravanCabin | AVPD

Spatial Practices as a Blueprint for Human Rights Violations | Markus Miessen
Kunst ist kein Kinderspiel. Die Berliner Mediengruppe LM/LN und ihr Concrete Soccer | Daniel Kalt
Stichprobe Stadt – Das Projekt >> 4816 | Erik Meinharter

Serie:
Geschichte der Urbanität: Transformationen der Öffentlichkeit, Teil III; Der Flaneur III – Der ennui. Die Leiden des Flaneurs | Manfred Russo

Besprechungen

Stadt- und wohnpolitische Bewegungen in Zürich nach 1968. Bernd Hüttner über Wo-Wo-Wonige! von Thomas Stahel | Bernd Hüttner
Temporäre Bauten. Robert Temel über Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container herausgegeben von Axel Doßmann, Jan Wenzel und Kai Wenzel | Robert Temel
Rossi und die Stadt. André Krammer über Das Gedächtnis der Stadt. Von Boullée bis Rossi von Katharina Brichetti | André Krammer
Aufbruch aus dem Wintergarten. André Krammer über die Ausstellung Un jardin d’hiver präsentiert Bottom up. Bauen für eine bessere Welt. 9 Projekte in Johannesburg | André Krammer
Baukultur in Salzburg. Heinz Kaiser über Stadtbühne und Talschluss Baukultur in Stadt und Land Salzburg und LP architektur von Norbert Mayr | Heinz Kaiser
Archäologie und Kartografie. Robert Temel über 6|44 – 5|45 Ungarisch-Jüdische ZwangsarbeiterInnen. Ein topo|foto|grafisches Projekt von Maria Theresia Litschauer | Robert Temel
Immer wieder Henri Lefèbvre. Erik Meinharter über Rights to the City herausgegeben von Doris Wastl-Walter, Lynn A. Staeheli und Lorraine Dowler | Erik Meinharter
Sei nicht freundlich! Zu Keinem! Elke Rauth über Jugendgericht von Eva Schlegel und Eva Würdinger | Elke Rauth
Landschaftsurbanismus. Erik Meinharter über The Landscape Urbanism Reader herausgegeben von Charles Waldheim | Erik Meinharter
Same, but different. Erik Meinharter über die Landschaftsarchitektur-Zeitschriften ´scape und JoLa | Erik Meinharter
Den Glauben verlieren und Räume produzieren. Andreas Rumpfhuber über Did Someone Say Participate? An Atlas of Spatial Practice von Markus Miessen und Shumon Basar (Hgg.) | Andreas Rumpfhuber
Beispielsweise „Frank und frei“. Susanne Veit über Texte zur Architektur von Friedrich Kurrent | Susanne Veit
5 Codes – Farben der Angst. Christoph Laimer über 5 Codes – Architektur, Paranoia und Risiko in Zeiten des Terrors herausgegeben von IG Made | Christoph Laimer
Filmische Kartografien – Anlässlich der Viennale 2006 | Ursula Probst

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Weiterführende Links:
dérive - Verein für Stadtforschung

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