Zeitschrift

Steeldoc 01/05
Transitzonen
Steeldoc 01/05, Foto: Enrico Cano
zur Zeitschrift: Steeldoc
Herausgeber:in: Stahlbau Zentrum Schweiz

Schutzschild der eleganten Art

Strassen sind die meistgenutzten Transitzonen der Schweiz. Dass auch diese Räume architektonische Qualitäten haben können, beweist die Lärmschutzverbauung an der Autobahn Chiasso an der Grenze zu Italien. Dank einer filigranen und doch imposanten Stahlkonstruktion wird der Zweckbau von Mario Botta zur eleganten Schutzgeste.

20. April 2005 - Evelyn C. Frisch
Von der Lärmschutzverbauung auf dem Autobahnabschnitt Süd der Strecke Chiasso – St. Gotthard profitieren nebst der Agglomeration von Chiasso gleich mehrere angrenzende Gemeinden. Bereits vor 10 Jahren hatte das Büro des Architekten Mario Botta mit der Planung der Lämschutzverbauungen dieser bewohnten Zonen begonnen. Das Projekt wurde in zwei Phasen ausgeführt: Der erste Abschnitt erfasst die Strecke Nord–Süd, längs der Via Como (Ex Viale Galli) zwischen den Brücken Picio und Pedrolini und erstreckt sich nördlich bis zum Colle di Pontegana mit einer Länge von zirka einem Kilometer; ein zweiter Abschnitt erfasst die Strecke Süd–Nord von der Landesgrenze her, vom Zollübergang Brogeda bis zum nördlichen Colle di Pontegana mit einer Länge von circa 1,6 Kilometern.

Das Einzugsgebiet von Chiasso lebt mit zahlreichen geografischen Einschränkungen: die Landesgrenze mit Zollübergang, der Güterumschlag der Bahn, der Fluss Breggia und der alles dominierende Autobahneinschnitt. Die Verlegung der Autobahn in einen Tunnel hätte eine willkommene Lösung zur Bekämpfung des Lärmpegels auf die Anwohnergebiete gebracht, und zudem wären die Verbindung der Wohngebiete überirdisch wieder verbunden gewesen. Doch diese bauliche Massnahme wäre weder finanziell realisierbar gewesen, noch in einem zumutbaren Zeitfenster. Es galt also, den urbanen Charakter der Autobahnschneise zu akzeptieren und durch eine angemessene Schutzverbauung die Lärmemissionen abzuhalten und dabei wenigstens die Transparenz zwischen den Wohngebieten zu gewährleisten.

Was ist schöner als eine baumbewachsene Allee? Von dieser Idee inspiriert, entwickelte das Büro des Architekten Mario Botta eine Reihe von «baumartigen», modularen Bauteilen, welche möglichst rasch und unkompliziert auf dem stark befahrenen Autobahnabschnitt montiert werden konnten. Mit einer Höhe von 8,5 Metern überschatten diese «Stahlbäume» heute die Via Como und die beiden Autobahnspuren auf einer Strecke von insgesamt 2,6 Kilometern. Die aus Stahlrohrprofilen konstruierten «Bäume» haben variable Durchmesser der «Äste» und Stahlgussknoten und säumen in einem Abstand von 10,5 Metern die Strasse. Die Fugen zwischen den Modulen erlauben die Korrektur und flexible Anpassung an den Geländeverlauf. Die Verglasung der Baumkrone besteht aus Verbundglas mit PVB Folie. Die Seitenwände setzen sich aus Verbundglasplatten und phono-absorbierenden Metallelementen zusammen.

Auf dem Autobahnabschnitt, der parallel zur Via Como läuft, unterscheiden sich drei «Baumarten»: Flussseitig (in Fahrbahnrichtung Süd–Nord) eine kleine Baumeinheit, die direkt auf die Stützmauer montiert ist; zwischen der N2-Fahrspur Nord–Süd und der Via Como eine grosse Baumeinheit, welche die ganze Abdeckung trägt; zur Abgrenzung von der Via Como nochmals eine kleine Baumeinheit, die den Gehsteig von der Strasse trennt. Statisch wird letztere Einheit von dem grossen Baum getragen, so dass hier weniger tiefe Fundamente nötig sind. Der restliche Autobahntrakt – nördlich und südlich – wird beidseitig von kleinen Baumstrukturen flankiert. Diese Lösung hat nicht nur den Viale Galli städteplanerisch aufgewertet, sondern sich im Vergleich zur traditionellen Lärmschutzeinrichtungen auch als effizienter erwiesen. Fährt man heute durch Chiasso Richtung Italien und zurück, fühlt man sich unter den Baumkronen aus Stahl gut aufgehoben.

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Für den Beitrag verantwortlich: Steeldoc

Ansprechpartner:in für diese Seite: Evelyn C. Frischinfo[at]szs.ch

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