Publikation

All began just by chance. Julius Shulman.
All began just by chance. Julius Shulman. © Thomas Spier
Autor:in: Thomas Spier
Publikationsdatum: 2005
Format: DVD,

Die Villa als Sammelobjekt

Juwelen mit Mängeln – neue Hoffnung für Kaliforniens bedrohte Architektur-Ikonen

Kalifornien besitzt ein reiches, aber bedrohtes Erbe an Privathäusern grosser Architekten aus den Nachkriegsjahrzehnten. Nun interessieren sich aber immer mehr Sammler für diese Kulturdenkmäler.

7. Mai 2008 - Lilian Pfaff
Vor Jahren noch beklagten Architekturliebhaber, die den Villen berühmter Baukünstler in Kalifornien nachreisten, immer wieder den schlechten Zustand dieser Kulturdenkmäler. Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden. An den Bauten von Richard Neutra lässt sich die wachsende Wertschätzung, welche den architektonischen Meisterwerken entgegengebracht wird, besonders gut ablesen. Vor sechs Jahren wurde das 1962 von Neutra errichtete Maslon House für stolze 2,45 Millionen Dollar verkauft – und wenig später abgerissen, denn die Käufer waren nur am Grundstück interessiert. Noch nicht zerstört ist glücklicherweise das 1950 erbaute Neutra Office am Glendale Boulevard. Doch steht es seit über fünf Jahren für 3,5 Millionen Dollar zum Verkauf; und dabei leidet seine Bausubstanz.

Nicht für die Ewigkeit gedacht

Schlecht ist auch der Zustand des ehemaligen Wohnhauses von Neutra, des VDL-Research House II (1966), welches Neutra der Architekturfakultät in Pomona vermachte. Die Kosten für die dringend anstehende Renovation werden auf 2 Millionen Dollar geschätzt, weshalb die Fakultät jüngst ihr Interesse an einem Verkauf bekundet hat. In diesem Umfeld überrascht deshalb im ersten Augenblick die Ankündigung, dass das legendäre, 1946 vollendete Kaufmann-Haus von Neutra in Palm Springs von Christie's im Rahmen der Auktion für zeitgenössische Kunst am 13. Mai für 15 bis 25 Millionen Dollar versteigert werden soll.

Dass die aus den Nachkriegsjahrzehnten stammenden Häuser berühmter amerikanischer Architekten mitunter nur schwer zu verkaufen sind, liegt an dem aus heutiger Sicht mangelnden Komfort, an den relativ geringen Wohnflächen und am oft schlechten Zustand. Auch wenn einige Neutra-Häuser wie Stahlbauten anmuten, bestehen ihre Rahmenkonstruktionen meist nur aus silbrig gestrichenem Holz. Diese müssen ebenso gepflegt werden wie die Wasserbecken, die als «Reflecting Pools» den Aussenraum in den Innenraum spiegeln. Weiter weiss man gerade in Kalifornien die Bedeutung historischer Bausubstanz noch nicht richtig zu würdigen. Denn hier sind die immer wieder von Erdbeben und Feuersbrünsten bedrohten Bauten meist nicht für die Ewigkeit gedacht. Oft werden sie nach kurzer Zeit schon abgerissen und durch neue Häuser ersetzt. Zwar gibt es in der südkalifornischen Metropole eine Kommission mit dem Namen Cultural Heritage of the City of Los Angeles, die bei gefährdeten Häusern, welche zur Kategorie der «kulturhistorischen Monumente» zählen, einen 180-tägigen Abriss-Stopp bewirken und diesen nochmals um 180 Tage verlängern kann. Eine Zerstörung kann sie aber nicht verhindern. Dazu müsste auf einer höheren Stufe der National Trust of Cultural Heritage eingreifen.

Zu all dem kommt hinzu, dass die Häuser von den wechselnden Besitzern oftmals bis zur Unkenntlichkeit umgebaut werden. Ein Beispiel dafür ist das Kaufmann-Haus, das durch Julius Shulmans berühmte Fotografie einer am Pool liegenden Frau im Abendlicht Eingang ins architektonische Gedächtnis gefunden hat. Nachdem sein Erbauer, der Warenhaus-Mogul Edgar J. Kaufmann aus Pittsburg, der schon das Haus Fallingwater nach Frank Lloyd Wrights Plänen errichten liess, 1955 verstorben war, stand die Villa einige Jahre leer und wechselte danach häufig die Besitzer. Dabei wurde das Fünfzimmerhaus stark erweitert, der innen liegende Patio überdacht, die Räume tapeziert und eine Wand herausgebrochen, um einen Medienraum zu integrieren. Die gesamte Innenausstattung wurde zerstört, der weisse Betonboden sowie die Wasserbecken abgedeckt und die Erscheinung des Daches mit Air-Conditioning-Elementen verunstaltet.

Im Jahre 1992 wurde das Haus von Brent und Beth Harris «entdeckt», nachdem es dreieinhalb Jahre keinen Abnehmer gefunden hatte. Sie kauften es für 1,5 Millionen und liessen es von den in Santa Monica tätigen Architekten Leo Marmol und Ron Radziner renovieren. Gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Beth Harris ermittelten sie in mühseliger Kleinarbeit den Originalzustand anhand der Pläne und Skizzen im Neutra-Archiv der University of California in Los Angeles (UCLA). Da diese jedoch nicht ohne die Genehmigung des Sohnes Dion Neutra dupliziert werden durften, zogen sie zusätzlich die Schwarzweissfotos von Julius Shulman zu Rate. Der Restaurationsbericht liest sich wie eine Detektivgeschichte. So fand der Sohn des einstigen Fensterherstellers die ehemaligen Konstruktionspläne; und ein Steinbruch in Utah wurde eigens für die Steine der Feuerstelle wieder geöffnet.

Interesse von Privatleuten und Museen

Das Beispiel des Kaufmann-Hauses hat inzwischen Schule gemacht. Immer mehr Privatpersonen kaufen die Nachkriegsbauten zu einem guten Preis, richten sie aufwendig her und verkaufen sie anschliessend wieder – oder bewohnen sie eine Zeitlang selbst. Anders als berühmte Kunstwerke sind solche neu hergerichteten Architekturtrouvaillen noch immer günstig zu erwerben. Allerdings sind sie im Unterhalt oft teuer. Beth Harris, die nun das Kaufmann-Haus aus privaten Gründen zur Versteigerung gibt, findet es gut, dass Häuser immer mehr zu Sammelobjekten werden. Denn wenn jemand wie Brad Pitt, der bereits als Interessent genannt wird, erst einmal viel Geld für eine Architektur-Ikone bezahlt habe, werde er auch Sorge zum Gebäude tragen. Wenn dies zur gängigen Praxis würde, könnte das Bauerbe besser bewahrt werden, als wenn es im Besitz einer Institution vor sich hindämmert. Erinnert sei nur an das Neutra-Haus, das von der Architekturfakultät in Pomona zwar öffentlich zugänglich gemacht wurde, für dessen Renovationen aber das Geld fehlt.

Den privaten Interessenten könnte schon bald seitens der Museen Konkurrenz erwachsen. So kündigte unlängst das Los Angeles County Museum of Art (LACMA) seine Absicht, Häuser zu sammeln, medienwirksam an und scheint nun auf entsprechende Geschenke zu warten. Durch die Verhandlung des National Trust of Cultural Heritage ist es bereits im Besitz des Goldstein Office (1989) von John Lautner, das demnächst in das Gebäude West des Museums eingebaut werden soll. Damit folgt das LACMA dem Vorbild des Wiener Museums für angewandte Kunst (MAK), das sich in Los Angeles seit Jahren beispielhaft für das Erbe von Rudolf Schindler einsetzt und bereits drei seiner Bauten besitzt. Schindlers erstes Wohn- und Atelierhaus an der Kings Road in West-Hollywood, in dem einst auch Richard Neutra hauste, ist seit 1994 ein Ort für Kunst- und Architekturausstellungen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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