Publikation

Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723)
Regie der Relation
Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723)
Autor:in: Andreas Kreul
ISBN: 3702505342
Sprache: Deutsch
Publikationsdatum: 2006
Umfang: 448 S., ca. 120 Farb- und 340 SW-Abbildungen
Format: gebunden, 28 x 22 cm

Aktualität des Barock

Ausstellung Johann Bernhard Fischer von Erlach in Graz

Eine Ausstellung in Graz und eine neue Monographie widmen sich dem österreichischen Barockbaumeister Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723). Die Frage nach seiner heutigen Relevanz steht im Vordergrund.

20. März 2007 - Hubertus Adam
Mit Graz ist Johann Bernhard Fischer von Erlach biografisch verbunden. In der steirischen Hauptstadt wurde er 1656 geboren, hier verbrachte er seine Jugend und erhielt bei seinem Vater eine Ausbildung als Bildhauer. Nur ein einziges Projekt zeugt indes in Graz vom Wirken des vielleicht bedeutendsten Architekten des österreichischen Barock: das Mausoleum Ferdinand II., das Fischer 1687 mit Stuckaturen und Ausstattung versah. Nachdem er gerade von einem 16-jährigen Aufenthalt in Italien zurückgekehrt war, lag die Heimatstadt gleichsam auf dem Weg zu den Orten, in denen sich seine eigentliche Karriere ereignen sollte: Wien und Salzburg. 1688 erregte er Aufmerksamkeit mit dem gigantischen Projekt von Schloss Schönbrunn für Leopold I., das sogar Versailles in den Schatten gestellt hätte. Der zweite Entwurf von 1793 zeigte sich deutlich redimensioniert, also realistischer, wurde aber auch nur partiell ausgeführt; Schönbrunn in seiner heutigen Gestalt ist zu weiten Teilen ein Produkt der Ära Maria Theresias. Anderen Vorhaben des 1696 geadelten Fischer von Erlach war noch weniger Glück beschieden: Das Gartenpalais für den Fürsten Liechtenstein blieb unausgeführt, das Winterpalais für den Prinzen Eugen musste er während der Ausführung seinem Erzrivalen Lucas von Hildebrandt übertragen. Auftraggeber fand Fischer von Erlach in den Kreisen des Adels, vor allem in der Person des Salzburger Erzbischofs Johann Ernst Graf von Thun-Hohenstein. Mit einer Reihe von Bauten - darunter dem Priesterseminar, der Kollegienkirche und der Ursulinenkirche - schuf der Architekt das noch heute bestehende barocke Gesicht der Stadt. In Wien war er erst wieder nach dem Tod des Erzbischofs tätig und realisierte mit der von seinem Sohn vollendeten Karlskirche sein Hauptwerk.

Wechsel der Perspektiven

Seit der Neubewertung des zuvor verfemten Barock Ende des 19. Jahrhunderts durch Heinrich Wölfflin und Cornelius Gurlitt haben sich Kunsthistoriker immer wieder mit Fischer von Erlach befasst. Von besonderer Bedeutung sind die Arbeiten Hans Sedlmayrs, dessen strukturanalytische Forschungen trotz der deutschnationalen und modernefeindlichen Gesinnung des Autors heute immer noch als massgeblich gelten. Anders als Sedlmayr, dem die Behauptungen eines Reichs- oder Kaiserstils wichtig waren, sieht der Bremer Kunsthistoriker Andreas Kreul in seiner jüngst zum 350. Geburtstag des Architekten erschienenen, opulent illustrierten Monographie Fischer von Erlach in einer gewissen Distanz zum österreichischen Absolutismus.

Allgemeingültiges

Als Schüler des 1988 verstorbenen Bochumer Kunsthistorikers Max Imdahl sucht der Autor seine Argumentation vor allem aus der Unmittelbarkeit der Anschauung zu gewinnen, aus sinnlicher Evidenz. Traditionelle werkgeschichtliche oder quellenkundliche Zugänge werden marginalisiert, stattdessen will Kreul an Fischer von Erlach das Allgemeingültige herausdestillieren. Anknüpfend an de Saussure, Leibniz und Deleuze sowie mit Querverweisen auf Gordon Matta-Clark, Le Corbusier und Peter Eisenman sieht er Fischer von Erlachs Leistung darin, heterogene Bauelemente, die verschieden interpretierbar sind, auf einer höheren Ebene vereint zu haben. Damit grenzt er ihn ebenso von dem stärker systematisch arbeitenden Konkurrenten Lucas von Hildebrandt ab wie von den postmodernen Interpreten, welche das collageähnliche Nebeneinander verschiedener ästhetischer Konzepte gerade als vorbildlich erachteten. Fischer von Erlachs 1721 veröffentlichtes Stichwerk «Entwurff einer historischen Architektur» zeigt wertneutral Bauten aller Epochen und Kulturen.

Die Ausstellung über Fischer von Erlach im Stadtmuseum Graz wurde von Kreul kuratiert und von der in Graz und Delft ansässigen Architektengruppe Splitterwerk gestaltet. Programmatisch sind im Treppenhaus comicartige Zeichnungen zu sehen, auf denen die Sentenz aus der Vorrede zum «Entwurff» zu lesen ist, Ziel sei es nicht, Gelehrte zu unterrichten, sondern «Liebhaber zu ergötzen und den Künstlern zu Erfindungen Anlass zu geben». Die Aktualität Fischer von Erlachs demonstrieren soll auch die Schau, die in abgedunkelten Räumen mit Licht- und Sound- Installationen Stimmungen vermittelt, auf Originalmaterialien (die gerade bei Fischer von Erlach in reichem Masse vorhanden wären) aber weitgehend verzichtet. In einem der Räume sind Stiche von Fischers Bauten mit Kommentaren versehen - von Leibniz, Deleuze oder Sedlmayr.

In einem anderen Raum hängen ebenfalls Blätter des Stichwerks, jeweils überblendet mit einem Bild einer Inkunabel der Architektur des 20. Jahrhunderts - so werden die ägyptischen Pyramiden mit Adolf Loos' Chicago Tribune Tower, der Entwurf für die Hofstallungen mit der Raum-Stadt von Yona Friedman oder der Tempel Salomons mit dem New-York-Projekt von Superstudio in Beziehung gesetzt. Welche Relationen bestehen, darüber gibt Begleitheft nur bedingt Auskunft. Ratlosigkeit hinterlässt auch der Saal mit grossen Prints, auf denen Fischers Plan des Glacis zwischen Wiener Hofburg und Karlskirche mit bunten Ornamenten aus Kastanienblättern bedruckt ist, auch wenn der Begleittext grossspurig verkündet, Splitterwerks Architektur sei angesichts von Loos' Diktum über das Ornament als Verbrechen ein Anschlag auf die Moderne.

Einen anderen Zugang zu Fischer zu finden als mit den Mitteln der klassischen architekturhistorischen Ausstellung, ist zweifellos legitim und ein interessantes Unterfangen. Gelungen ist der Versuch in Graz allerdings nicht. Wer die Arbeiten des Architekten nicht kennt (und Kreuls Buch nicht gelesen hat), dem bleiben die Bezüge weitgehend verschlossen. Und so richtet sich die Präsentation, ihren Intentionen widersprechend, dann doch wieder an die Gelehrten.

[ Bis 15. April im Stadtmuseum Graz. - Begleitpublikation: Andreas Kreul: Johann Bernhard Fischer von Erlach - Regie der Relation. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2006. 448 S., Fr. 105.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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