Akteur

Hélène Binet
London (GB)

Eine Welt von Licht und Schatten

Die Fotografin Hélène Binet – ein Gespräch über das Bild der Architektur

Seit zwanzig Jahren fotografiert Hélène Binet bahnbrechende Gebäude und arbeitet mit international renommierten Architekten wie Peter Zumthor, Zaha Hadid, Daniel Libeskind und Caruso St. John zusammen. Neulich weilte sie in Zürich, um im Rahmen der SIA-Veranstaltungsreihe «Werkberichte» ihre sinnlich-poetischen Arbeiten vorzustellen.

21. Juli 2008 - Brigitte Selden
Viele Stunden – die sich oftmals zu mehreren Tagen fügen – verbringt Hélène Binet damit, ein Gebäude zu studieren. Sie sucht die verschiedenen Stimmungen, Licht und Schatten, die Ecken, Kanten und Rundungen, die Böden und dunklen Räume, die einen Bau so einzigartig machen. Erst dann, wenn sie das Objekt erfasst hat, beginnt sie mit ihrer Arbeit – und fotografiert. Dann nimmt sie das, was um sie herum ist, nicht mehr wahr. Sie vergisst ihre Umgebung völlig und sich selbst, fühlt nichts mehr und denkt nicht daran, zu essen und zu trinken. Wie in Trance arbeite sie dann, erzählt die fast ein wenig scheu wirkende Fotografin im Café des Hotels Schweizerhof über ihren Cappuccino gebeugt. Neulich hat sie auf Einladung des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) einen Vortrag über ihre Arbeit gehalten. «Im Moment des Fotografierens gebe ich mein Bestes und bin hochkonzentriert. Schliesslich liegt es an mir, was herauskommt.» Hinter der fast ein wenig banal klingenden Beschreibung verbirgt sich eine leidenschaftliche Obsession, die jedes Mal in einen Kampf mit sich selbst mündet, die Qualitäten von Licht, Struktur, Material und Form so zu fokussieren, bis die Foto ein eigenständiges Kunstwerk wird.

Schatten erzählt von der Stille

Seit zwanzig Jahren arbeitet die 1959 in Genf geborene Binet als Architekturfotografin. In dieser Zeit hat sie unzählige bahnbrechende Gebäude mit der Kamera festgehalten und mit international renommierten Architekten wie Peter Zumthor, Daniel Libeskind, Zaha Hadid, John Hejduk, Caruso St. John und David Chipperfield zusammengearbeitet. Hélène Binet wuchs in Rom auf, «im Zentrum der Architektur». Hier studierte sie am Europäischen Design-Institut (IED) Fotografie. Anschliessend arbeitete sie zwei Jahre lang als Bühnenfotografin am Theater in Genf und pendelte zwischen ihrem Arbeitsort und London, dem Wohnort ihres Partners. Dann zog Hélène Binet ganz nach London, wo sie auch heute noch mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann lebt.

Zur Architekturfotografie fand Hélène Binet Mitte der achtziger Jahre durch die Begegnung mit dem New Yorker Architekten John Hejduk, den sie als ihren Mentor bezeichnet. Durch die Auseinandersetzung mit ihm habe sie gelernt, Architektur zu verstehen. Gleich zu Beginn ihrer Karriere lernte sie auch Zaha Hadid kennen, die zu jener Zeit noch nicht als Architektin bekannt war. Binet fotografierte damals ihre Möbel. Als Hadid 1993 ihr erstes Gebäude realisieren konnte, das Feuerwehrhaus von Vitra in Weil am Rhein, liess sie es von Hélène Binet dokumentieren. Wie alle ihre Bauten, die darauf folgten.

Die Kamera setzt Hélène Binet als Werkzeug ein, mit dem sie das Wesen eines Gebäudes zu erfassen versucht. Ihre Arbeiten dienen dabei nicht nur als Dokumentation für Architekturbüros. Mittlerweile sind zahlreiche Bücher mit ihren Fotografien erschienen. Und auch in verschiedenen bedeutenden Ausstellungen wurden Binets Bilder gezeigt.

In ihren Fotografien konzentriert sich Hélène Binet auf Phänomene wie die Veränderungen des Lichts während des Tages, Konstruktion und Volumetrie. Dabei arbeitet sie fast ausschliesslich mit Schwarz-Weiss, das für sie das einzige Mittel ist, die wesentlichen Aspekte eines Gebäudes im Bild herausholen zu können. «Kontrolle» ist ein Wort, das bei ihr oft fällt, wenn sie über ihre Arbeitsweise spricht. Es sei unerlässlich, während des Fotografierens immer alles kontrollieren zu können, um das richtige Ergebnis zu bekommen, sagt sie. Auch deshalb arbeitet die Fotografin selten mit Farbbildern. Farbe könne man nicht kontrollieren. Sie lenke den Betrachter vom Wesentlichen ab, erklärt die 49-Jährige. In Schwarzweissfotos dagegen könne sie das Wesen von Material, Form und Struktur deutlich machen. «Schwarz-Weiss lässt die Qualität von Licht und Schatten besser verstehen.»

Der Schatten ist ein weiteres Mittel, mit dem sie bewusst arbeitet. Im Rahmen einer Ausstellung über Licht und Schatten in der Architektur im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt fotografierte Hélène Binet vor sechs Jahren das Kloster La Tourette von Le Corbusier. Es war eine prägende Erfahrung für sie, ein solch bedeutendes Werk nur unter diesem einen Aspekt anzuschauen und fotografisch festzuhalten. Schatten sei die Absenz von Energie, von Licht. Er erzähle von der Stille, erläutert sie. Durch Schatten entsteht Volumen. Die Betonwände im Kloster La Tourette werden durch das Licht-und-Schatten-Spiel in Binets Bildern so plastisch, dass man sie fast fühlen kann. Zur Komposition einer Aufnahme gehören für die Fotografin Rahmung, Freistellung und Anordnung. Mit dem Rahmen lege sie fest, was gesehen werden soll. Genauso hätten auch die holländischen Maler des 17. Jahrhunderts gearbeitet, sagt Binet. Von deren Techniken, Landschaften, Räume und Stillleben zu komponieren, holte sie sich ihre Inspiration. Auffallend viele ihrer Fotografien sind quadratisch. Das Format wählt sie, wenn sie Phänomene deutlicher und intensiver zeigen will. Ausserdem gebe es keine Hierarchien, im Quadrat sei alles gleich wichtig, selbst das kleinste Detail.

Steinformationen

Als einen Meilenstein in ihrem Werk bezeichnet Hélène Binet das Buch «Peter Zumthor. Häuser 1979–1997», das in einer sehr engen Zusammenarbeit mit dem Architekten und dem Verleger Lars Müller entstanden ist. Das Buch, das selbst wie ein Stück Architektur funktioniert, wurde Vorbild für zahlreiche Architekturbücher. Zentraler Bau in diesem Buch ist das 1996 errichtete Thermalbad in Vals. Hélène Binet dokumentierte in ihren Aufnahmen, wie Natur, Wasser und Stein in diesem Gebäude interagieren. Entstanden sind Bilder von einer grossen sinnlichen und poetischen Kraft. Im August wird Hélène Binet wieder in Vals sein und für das Thermalbad fotografieren. Aber dieses Mal werden es ausschliesslich Landschaften sein, ein Thema, das neuerdings immer wichtiger für sie wird. Sie liebe es, Steinformationen zu fotografieren, sagt die Fotografin. Es seien die gleichen Themen wie in der Architektur: Licht, Schatten, Material.

Hélène Binet hofft, sich künftig mehr den Landschaftsbildern widmen zu können. Aber Architektur wird sie auch weiterhin mit ihrem sensiblen Blick durch die Kamera dokumentieren. Zurzeit arbeitet sie intensiv an einem Buch über ihr bisheriges Werk, das 2009 bei Phaidon erscheinen wird. Ab dem 19. Juli wird sie zudem an der europäischen Biennale für zeitgenössische Kunst «Manifesta 7», die heuer in Südtirol stattfindet, vertreten sein, mit einem Fotobuch über die bei Bozen gelegene Burg Fortezza, eine trutzige Festung aus dem späten 19. Jahrhundert und das Zentrum der Biennale.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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