Akteur

Jørn Utzon
* 1918 Kopenhagen 2008 bei Kopenhagen

Jørn Utzon 1918-2008

Eine Huldigung des dänischen Architekten, der Australien mit einem grandiosen Gebäude ein architektonisches Gesicht gab - und der selbst an dieser Aufgabe ebenso grandios scheiterte.

6. Dezember 2008 - Ute Woltron
Vergangene Woche starb Jørn Utzon. Er war 90 Jahre alt. Er starb in der Nacht auf Sonntag im Schlaf in seinem Haus auf Mallorca, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbracht hatte.

Mit einem einzigen Gebäude hat sich der Däne einen Platz im Olymp der Unsterblichen gesichert. Er selbst hat es gleichwohl nie betreten: das Sydney Opera House.

Die Geschichte dieses Gebäudes und die Lebensgeschichte des eigenwilligen Ausnahmearchitekten waren miteinander verflochten wie ein Zopf, den nur Schicksalsgöttinnen schlingen können. Denn das Haus machte den Dänen weltbekannt, doch seine unendlich mühsame Entstehungsgeschichte verfolgte ihn letztlich bis ans Ende seiner Tage.

1956 gewann der damals junge und unbekannte Architekt völlig überraschend den weltweit ausgerufenen Wettbewerb für ein neues Opernhaus in Sydney. Sein Entwurf war atemberaubend, die Jury, der unter anderem der Finne Eero Saarinen angehörte, war hingerissen. Wie ein elegantes Segelschiff mit einer Kaskade weißer, gewagt geblähter Segel hatte Utzon das Haus direkt an der Wasserkante des Hafens von Sydney vor Anker gehen lassen. Eine Architektur scheinbar außerhalb von Zeit und Raum.

Ganz Australien befand sich damals in einer Art Operntaumel, hatte das Land doch mit Joan Sutherland aus dem kulturellen Nichts eine weltberühmte Operndiva hervorgebracht. Während oben im Norden der städtische Erzrivale Melbourne gerade die Olympischen Spiele zelebrierte, fasste in New South Wales die gerade am Ruder befindliche Labor-Partei den Entschluss, der Weiße der kulturellen Landkarte mittels eines ordentlichen Opernhauses endgültig zu entfliehen.

Die Bauarbeiten begannen 1958. Mit dem dänischen Titan der Konstruktion, Ove Arup, holte man sich den Besten seiner Zunft mit an Bord. Denn Utzons Design reizte die Möglichkeiten des technisch Machbaren bis zum Letzten aus. In einer Zeit vor dem Computer als Hilfsmittel musste jedes Detail händisch gezeichnet, musste die komplizierte Tragstruktur des Gebäudes mühsam in unendlich vielen Schritten berechnet werden.

Konstruktive Probleme in Kombination mit einer ans Störrische grenzenden Kompromisslosigkeit Utzons prägten die erste Bauphase. Parallel dazu kam die Liberale Partei ans Ruder und damit Bob Askin, ein Mann, der laut Thomas Keneally, dem australischen Autor von Schindlers Liste, „eher an zeremoniellen Eröffnungen illegaler Kasinos in Sydney interessiert war als an den schönen Künsten.“

Hatte Utzon bis dahin die Bauherrschaft hinter sich gewusst, so schlug ihm nun heftiger Gegenwind ins Gesicht. Die Überschreitung der Baukosten und seine Unwilligkeit, Planungsänderungen vorzunehmen, weil er damit seinen Entwurf entwertet sah, führten zu einem Dauerkonflikt, den der Architekt 1966 wütend beendete, indem er ein Flugzeug bestieg und Australien verließ, um während seines gesamten Lebens nie wieder in das Land Down Under zurückzukehren.

Als die Oper in Sydney 1973 schließlich von der Queen höchstselbst eröffnet wurde, lud man den Architekten zur Eröffnungsgala ein. Er kam nicht. Als ihm das Royal Australian Institute of Architects im selben Jahr die Goldmedaille für Architektur umhängen wollte, akzeptierte er diese Auszeichnung zwar, doch bei der Zeremonie glänzte er durch Abwesenheit.

Zwischenzeitlich war das Opernhaus durch alle Gazetten und Medien dieser Welt gegangen, war als Wunder der Technik und der Architektur gepriesen worden, und zwischenzeitlich hatte man auch in Sydney erkannt, dass man hier einen Volltreffer gelandet hatte. Die Stadt, eigentlich ganz Australien hatte plötzlich ein Wahrzeichen bekommen, das in der Folge zu einer der bekanntesten und meistfotografierten Architekturikonen der Welt avancieren sollte. Die Offiziellen der Stadt suchten um Versöhnung an. Doch Jørn Utzon blieb, wo er war, nämlich fern.

Das Opernhaus wurde in seinem Inneren damals nicht getreu den Plänen des Dänen ausgeführt. Auch das wollte man in späteren Jahren wiedergutmachen. Utzon nahm den Auftrag zwar an, doch er selbst kam nicht, um die Baumaßnahmen vorzunehmen. Er schickte vielmehr seine Söhne, die ebenfalls als Architekten arbeiteten. Und als er 1998 zu seinem 80. Geburtstag die Ehrenbürgerschaft Sydneys verliehen bekam, musste sich der Bürgermeister persönlich mit dem Goldenen Stadtschlüssel auf die weite Reise von Australien nach Dänemark machen. Denn Jørn Utzon blieb wieder, wo er war.

Ob er sich mit seinem Stolz, mit seiner Kompromisslosigkeit eine große Architektenkarriere vertan hat - wer mag das sagen? Diejenigen, die ihn kannten, beschreiben ihn jedenfalls als Einzelgänger, als jemanden, dem die Form, das Projekt, die architektonische Aufgabe stets wichtiger waren, als das Geschäft.

Jørn Utzon hatte nie die Ambition, ein florierendes, mächtig Gewinn abwerfendes Architekturunternehmen zu führen. Und wenn er Auszeichnungen zugesprochen bekam, vergaß er nicht anzumerken, Architekten wären besser bedient mit Aufträgen als mit Goldplaketten. Fotos und Filmaufnahmen zeigen einen charismatischen Mann, der so, wie er aussah, genauso gut auf eine Kinoleinwand gepasst hätte.

Sydney blieb zwar ein Lebenstrauma, doch Utzon zeichnete später dennoch für ein paar weitere Gebäude verantwortlich, die seinen Ruf als Ausnahmetalent abseits aller gängiger Moden und Ismen festigten - zum Beispiel eine Kirche im dänischen Bagsvaerd (1976) und die National Assembly (1983) in Kuwait.

Jørn Utzon wurde 1918 in Kopenhagen geboren, er studierte ebendort an der Royal Academy of Fine Arts und arbeitete im Architekturbüro des Finnen Alvar Aalto, bevor er sich 1950 mit einem eigenen Architekturbüro in Kopenhagen selbstständig machte. 2003 bekam er für sein Lebenswerk mit dem Pritzker-Preis die renommierteste Auszeichnung verliehen, die es für Architekten gibt.

Das Opernhaus von Sydney blieb bis heute Ikone. Wer Bilder von Australien in seinem Gedächtnis abruft, sieht unweigerlich die strahlend weißen, geblähten Segel am blauen Meer unter blauem Himmel.

„In einem Hafen voller Schiffe liegt es als unser kultureller Schoner“, schrieb der australische Schriftsteller Thomas Keneally im vergangenen Jahr in einem Essay über das Opernhaus in Sydney: "Seine Fracht ist Ibsen, Strindberg, O'Neill, Mozart, Händel, Bach, the Wiggles und Captain Feathersword. Wenn Leute aus Sydney von ihrer Stadt erzählen, erwähnen sie stets „die Segel“ des Opernhauses. Das bedeutet, sie verstehen seine Botschaft. Sie befinden sich auf einer Reise, wie ihre Vorfahren. Sie schätzen den Ort dafür, dass er sie daran erinnert. Ich kann immer noch nicht wirklich fassen, dass dieses Opernhaus tatsächlich existiert."

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