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Profil

Höhere Technische Bundeslehranstalt; Studium der Kunstgeschichte und Archäologie, Mag. Dr. phil., lebt und arbeitet in Wien.

Mehrjährige Tätigkeit im Baugewerbe als Elektrounternehmer

seit 1993 freier Kunst- und Architekturhistoriker, Autor, Stadtforscher, vermehrt Unternehmungen zu den Herausforderungen von ökosozialen Themen und des friedlichen, zivilen Widerstandes

freiberufliche Forschungs-, Publikations- und Kuratorentätigkeit sowie Expertisen und Studien zu Architekturgeschichte und -theorie, Denkmalpflege, Baukultur, Regional-, Verkehrs- und Stadtentwicklung, Ökosozial ausgerichtete Unternehmungen im eskalierenden „Umwelt- bzw. Klimanotstand“, den 2019 auch die Politik (Österreich und EU) anerkannt hat, mit möglichst praxisorientiert-ressourcenschonenden Handlungsoptionen (Wohnquartier MGG22 , ARGE Substanzaktivierung, Weiterbau- und Energiestrategie, Speicherstadt etc.).

Seit 1995 Architekturpublizistik in österreichischen und internationalen Fachmedien (Architektur & Bauforum, Architektur Aktuell, dérive, Konstruktiv, UmBau, Denkma[i]l, zuschnitt, Parnass, Baumeister, Tec 21, archithese, Architektúra & Urbanizmus, ARCH, DBZ, www.kunsttexte.de Mikado u.a.m.) und Zeitschriften/Zeitungen (Profil, Die Furche, DER STANDARD, Die Presse-Spectrum u.a.m). 1997 bis 2007 rund 300 Texte in Salzburger Medien (Kunstfehler, Bastei, DrehPunktKultur) und der Tageszeitung Salzburger Nachrichten, davon der Großteil über Salzburg mit redaktionellem Schwerpunkt lokal/regional (z.B. Stadtteilbeilagen) zur möglichst niederschwelligen Vermittlung von Themen der gebauten Umwelt, teilweise dokumentiert im Buch „Stadtbühne und Talschluss“ (2006).

Initiativen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für ein zeitgemäßes Architekturschaffen, zur substanzschonenden, respektvollen Weiterentwicklung bestehender Baukultur, Dokumentation und Kritik an Fehlentwicklungen, kontraproduktivem, manchmal auch spekulativem Abriss und Vernichtung Grauer Energie, an Bauspekulation und manipulierten Architekturwettbewerben, Versiegelung, Grünraumzerstörung, korrumpierte Raumordnungspraxis (z.B. After Shopping - Situation Salzburg. Strategies for the Speckgürtel 2001) etc.

Besondere, praxisorientierte Schwerpunkte seit 2012
- Build on what we have: Substanzielles Weiterbauen an der gebauten Umwelt als wertvolle Raumressourcen (noch immer werden – im eskalierenden Umwelt- und Klimakollaps grob fahrlässig – gut adaptierbare Gebäude abgerissen)
- Entwicklung des Wohnquartiers MGG22 in Wien-Stadlau mit div. Innovationen („Essbare Stadt im Freiraum“, erneuerbare Energieversorgung mit passiver Kühlung, Wohnqualität etc.), Gründung der M2plus Immobilien GmbH. Realisierung gemeinsam mit der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft Neues Leben 2017/2019. Diverse Maßnahmen bei den als Bauherr errichteten Häusern (u.a. eine langfristige Refinanzierung mit Fixzins) erleichtern verschiedene unabhängige Initiativen.

Schwerpunkte seit 2018
- Bewusstseinsbildung in der Baukultur- und Klimabewegung zum (Neu)Bausektor als größtem Umwelt- bzw. Klimaproblem weit vor dem Verkehr.
- Entwicklung praxisorientierter Strategien zur Bau- und Energiewende und Dekarbonisierung des Gebäudebestandes.
- Wissenschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement und friedlicher Widerstand gegen Fehlentwicklungen.

Lehrtätigkeit

Lehr- und Vortragstätigkeit, u. a. an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst, FH Salzburg, TU Wien

Mitgliedschaften

2000 – 2009 Vorstandsmitglied der INITIATIVE ARCHITEKTUR Salzburg
2001 – 2006 Mitglied des Landesarchitekturbeirats Salzburg
Seit 2001 ICOMOS Austria, Arbeitsgruppe ICOMOS ISC20CH (International Scientific Committee of the Heritage of the 20th Century)
2008 – 2013 Präsident DOCOMOMO Austria
2014 Gründung der NGO „Um+Bau+Kultur Salzburg – Strategien für eine Stadt“ mit Kolleg:innen
2014 Gründung architouren_salzburg als Teil des internationalen Netzwerks Guiding Architects
2017 Gründung der NGO BAUTEN IN NOT mit Kolleg:innen - Die Aktionsgruppe „Bauten in Not“ fordert respektvolle Erhaltung architektonischer Meisterwerke des 20.Jhdts.
Seit 2017 Mitglied Fachbeirat Naturschutzbund Salzburg, Klima- und Umweltbewegung
2021 seit den Baustellenbesetzungen der Stadtautobahn in Wien-Donaustadt Mitglied der Umweltbewegung Lobau Bleibt!
2022 Mitglied bei der Umweltbewegung Scientist Rebellion
2022 Gründung der NGO ALLIANZ FÜR SUBSTANZ – Bestand als ökosoziale Ressource mit Kolleg:innen
2022 Gründung der interdisziplinären „ARGE Substanzaktivierung - Weiterbauen statt abreißen! – CO2neutrale Niedertemperatur statt Ressourcenverschwendung!“ mit Kolleg:innen
2024 Gründung des gemeinnützigen Vereins Forum ökosoziale Transformationen, einer wissenschafts- und forschungsorientierten Vereinigung
Seit 2024 jährlich: Stiftung mehrerer Stipendien Vermitteln inmitten des Klima- und Umweltnotstands durch die M2plus und Projektpartner Neues Leben für Journalist:innen im deutschsprachigen Raum
Seit 2025 jährlich: Vergabe „Courageous Scientists Award for Climate and Environmental Justice“, jeweils 6 Persönlichkeiten weltweit, gestiftet vom Verein Forum ökosoziale Transformationen

Auszeichnungen

2004 Salzburger Kulturgüterpreis für das Internetprojekt L@ndumgang
2002 Förderstipendium Architekturpreis Land Salzburg
1995/96 Forschungsstipendium des Italienischen Staates zur Architektur der Zwischenkriegszeit (Mailand)

Artikel

1. Juni 2013 Spectrum

Am Ende doch grün

Der Salzburger Stadtteil Lehen wird dank ambitionierter Nutzungskonzepte immer grüner und lebenswerter. Das vierte neue Konzept ist nun fertig: Parklife – ein vielfältiges Gebäude inmitten einer Grünfläche.

Das Erscheinungsbild des Salzburger Stadtteils Lehen wird noch heute vom Bauboom und dem sozialen Wohnbau der Nachkriegsjahrzehnte geprägt. Ende der 1970er-Jahre formierte sich gegen die zu maßlose Verdichtung und Bauspekulation die Initiative für mehr Lebensqualität. Die Protestbewegung forderte Verbesserungen ein. So entstanden durch Rückwidmungen von ausgewiesenem Bauland in Grünland kleine Parks und Spielplätze. Diesen von den Lehenern erkämpften Parks wollen die zuständigen Dienststellen allerdings keine „richtigen“ Namen geben: „Namensgebungen ohne postalische Auswirkungen werden nur in besonders begründeten Fällen vorgenommen“, heißt es im Amtsbericht. Damit wird der „postlose“ Freiraum ausgegrenzt statt aufgewertet. Vielleicht greift eineDiskussion Platz, wenn ab 7. Juni die Ausstellung „Landschaft Lehen“ im Salzburger Künstlerhaus gezeigt wird.

Das Rahmenprogramm der „Initiative Architektur“ bietet auch den Besuch der Parks und mehrerer Neubau-Ensembles. Vier ambitionierte Nach- bzw. Neunutzungen sind infolge des „Entwicklungskorridors Ignaz-Harrer-Straße/Münchner Bundesstraße“ 1998 entstanden. Diese mit dem Gefüge des Stadtteils vernetzten Interventionen erhielten 2007 als „Raum:Werk:Lehen, Salzburg – Strategien einer Stadterneuerung“ den 5. Otto Wagner Städtebaupreis: Das Architekturbüro Halle 1 plante das Wohn- und Geschäftshaus @fallnhauser (2006) und die „Neue Mitte Lehen“ (2009), das „Stadtwerk Lehen“ beherbergt auf Basis des Masterplansvon Max Rieder einen Nutzungsmix mit 300 Wohnungen. Das oberirdisch vom motorisierten Verkehr frei gehaltene Quartier weist eine für Salzburg sehr hohe Bebauungsdichte auf. Die zweite Bauetappe wird gerade umgesetzt, sodass die Nagelprobe bald zeigen kann, ob der angeblich 46Prozent einnehmende öffentliche Raum den notwendigen Ausgleich leisten kann.

Der vierte Baustein Parklife wurde 2010/ 2012 als modifiziertes Siegerprojekt von „Europan 07“ 2003 realisiert. Touzimsky Herold & Mehlem verknüpften das geforderte Raumprogramm mit dem von der Stadtplanung vorgegebenen öffentlichen Park von 3000 Quadratmetern: Die Architekten nahmen einen Heckenring in Form des Blockrands zum Ausgangspunkt der Gebäudestruktur. Aus dem eigentlich privaten Hof generieren neu geschaffene Verbindungswege einen attraktiven Treffpunkt der Bewohner mit der Öffentlichkeit.

Der die Grundstücksränder markierende Sockel beherbergt etwa den Supermarkt. Er wölbt sich im Osten zum künstlichen „Hügel“ mit 32 teilbetreuten Seniorenappartements. Über dem Sockelgeschoß aufgeständert sind das prägnante, sechsstöckige Apartmenthaus mit 56 geförderten Mietwohnungen im Westen und das Seniorenwohnhaus um einen Hof im Süden. So begrenzt diese topografisch überformte „Blockrandbebauung“ locker den öffentlichen Park im Zentrum. Der Freiraum sollte sich als „erweiterter Park“ über gefaltete Flächen auch auf die Decks, die Zonen unter der Aufständerung, ausweiten und zur barrierefreien Bewegungsfläche mit Kuppen, Tälern und Graten werden. Mit der Umsetzung kamen zahlreiche, verschiedene Territorien absteckende Zäune.

Die vom Generalunternehmer äußerst mäßig ausgeführte Sichtbetonqualität in denStiegenhäusern des Wohnhauses verweist auf das „Streichkonzert“, das die Architektur erleiden musste. Realisiert werden konnten die umlaufenden Terrassenringe als wesentlicher Teil der hohen Wohnqualität in den 56 Einheiten. Auch konnten die Architekten die Aufständerung mit öffentlichen Decks und ihre Durchgängigkeit halten, mehrfach musste der Gestaltungsbeirat zentrale Konzeptideen unterstützen und verteidigen.

Sind auch die Fassaden heute nicht mehr von vertikalem Grün, sondern einer Gestaltung mit weißen und dunklen Alucobond-Platten geprägt, so konnten die Architekten doch das Entwurfskonzept horizontaler Schichtung in drei Ebenen umsetzen. Die Basis erfährt in Reaktion auf die Nachbarschaft ihre präzise Geometrie. Das Deck darüber ist begehbarer Außenraum, den dritten Bereich bilden die aufgeständerten Baukörper. Der öffentliche Park im Zentrum ist nicht nur auf die rund 3000 Quadratmeter begrenzt, im Kontinuum mit den begrünten Dächern erscheint er viel größer. Diese Großzügigkeit der Grünanlage bei einer angrenzenden Geschoßflächenzahl von 1,15 blieb seit dem Wettbewerbssieg 2003 ein zentraler Mehrwert. Leider wurde der Landschaftsarchitekt vom Wohnbauträger eingespart. Nun liegt es an diesem und dem städtischen Gartenamt, ob sich die Lehener inmitten gepflegter Wiesen- und Sedumflächen wohlfühlen können.

Auf zwei der vier erwähnten Areale in Lehen wurde der gesamte Gebäudebestand abgerissen, beim dritten blieb nur das Stadtwerke-Hochhaus (1968) erhalten. Bei Parklife auf dem einstigen Mercedes-Areal vernichtete diese Haltung die bauhistorisch sehr bemerkenswerte Lkw-Reparaturwerkstätte von Gerhard Garstenauer und Wolfgang Soyka. Sie hatte 1960/62 den „Beginn der Auseinandersetzung mit dem konstruktiven Fertigteilbau aus Stahlbeton im Industriebau“ markiert. Für die vielfältig nutzbare Räumlichkeit entwickelte die Stadt keinerlei Nachnutzungsszenarien, obwohl es etwa konkreten Bedarf an einer multifunktionalen Freizeithalle für die Jugend im Norden der Stadt gab.

Eine optimierte, ressourcenschonende Stadtteilreparatur mit Substanz, die den Bestand und dessen räumliche Potenzialenutzt, statt unhinterfragt taugliche Gebäude(teile) zu entsorgen, ist in Salzburg noch nicht angekommen. Bei der aktuellen Nachnutzung der „Rauchgründe“ ist das markante, um 1900 entstandene Silogebäude vom Abriss bedroht. Diese beeindruckende Landmark der Rauchmühle ist ein Identifikationspunkt für Lehens Süden, besitzt aber weder einen Denkmalschutz noch ein Erhaltungsgebot der Stadt. Dieses unverantwortliche Versäumnis der öffentlichen Handtrifft auch die Riedenburg-(Turn)Halle von 1926 und die sogenannte „Panzerhalle“ von 1939. Letztere befindet sich im benachbarten Maxglan. Dort erkannte erfreulicherweise der neue Eigentümer die Qualitäten sowie das Einsparungspotenzial gegenüber einem Neubau. Die Holzhalle wird zur Zeit adaptiert, sie soll ihre räumliche Großzügigkeit behalten und könnte ein Begegnungsort im Stadtteil werden.

23. März 2013 Die Presse

Verstehen Sie Bahnhof?

Hochhausfieber und kein Ende: Jetzt ist Salzburg dran. Nächst dem Bahnhof will man dem Hochhauszeitgeist Jahre nach seinem Beginn nachhecheln. Über Investorenwillkür und Planungskulturlosigkeit: Versuch einer Aufklärung.

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14. Juli 2012 Die Presse

„Barock, kraus, ungerad“

Ein „Stil der Zukunft“, ein „Schöpfungsbau für eine neue Epoche“ deutscher Baukunst hätte es werden sollen: Vor 90 Jahren wurde der Grundstein zu einem ersten Salzburger Festspielhaus gelegt. Realisiert wurde es nie. Chronik eines Scheiterns.

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28. Mai 2012 Die Presse

Für eine Kultur der Reparatur

Ein österreichisches Industriedenkmal von internationalem Rang soll eine neue Nutzung erfahren: die ehemalige Linzer Tabakfabrik, 2009 von der Stadt Linz erworben. 80.000 Quadratmeter auf der Suche nach einer Bestimmung.

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10. Juli 2010 Die Presse

Baustelle, immerdar

Nicht in der „gequetschten Enge“ der Innenstadt hätten sie eigentlich platziert werden sollen. Aber wie so oft kam es auch bei den Salzburger Festspielhäusern ganz anders, als ursprünglich gedacht. 90 Jahre Salzburger Festspiele: eine Baugeschichte im Zeitraffer.

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2. Mai 2009 Spectrum

Denkmal ohne Lobby

Er ist eines der bedeutendsten Beispiele österreichischer 1950er-Jahre-Architektur, ein Symbol der Zweiten Republik: der Plenarsaal des Nationalrats in Wien. Ein geplanter Umbau gefährdet sein authentisches Erscheinungsbild.

Die Führerin lenkt die internationale Besucherschaft souverändurch die ehrwürdigen Hallen des Wiener Parlaments und erläutert das nächste Bauprojekt. Um stolze 17 Millionen Euro soll der „moderne, funktionale“ Nationalratssitzungssaal der 1950er-Jahre „renoviert“ und dabei „kaum verändert“ werden. Schließlich scheint das Parlament stolz zu sein auf den nach Plänen der renommierten Architekten Max Fellerer (1889– 1957) und Eugen Wörle (1909–1996) „völlig neu und modern“ gestalteten Sitzungssaal: „Eines der besten Beispiele der Architektur der 50er-Jahre“, heißt es in offiziellen Aussendungen.

Auch der planende Architekt spricht von der Wahrung der „Authentizität des Nationalratssitzungssaales durch behutsame Intervention“. Das engagierte Siegerprojekt von Andreas Heidl, hervorgegangen aus einem internationalen Wettbewerbes 2008, stellt auch die Präsidentin des Bundesdenkmalamts (BDA), Barbara Neubauer „durchaus zufrieden“: Vor allem das Raumkonzept der 1950er-Jahre mit den zwei Galerien und dergroßzügigen Foyergestaltung sei nicht hoch genug einzuschätzen. Dieses Konzept gelte es ins 21. Jahrhundert überzuführen.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs war mehr als ein Drittel des Hauses durch Bombardierungen vernichtet. An der Stelle des Saals von 1955/1956 hatte sich der total ausgebrannte Herrenhaussaal befunden und mit dem Abgeordnetenhaus (heute Bundesrat) die repräsentativen Brennpunkte des zwischen 1874 und 1884 „im Geist der griechischen Antike“ errichteten Reichsratsgebäudes dargestellt. Die Mitglieder beider „Häuser“ sollten sich in der zentral dazwischen situierten Säulenhalle treffen und austauschen. So hatte es sich der dänische Architekt Theophil Hansen vorgestellt, der damit ein Hauptwerk in seinem beeindruckenden OEuvre geplant hatte. Mit der Gründung der Ersten Republik 1918 wurde der einstige Prachtbau der Donaumonarchie zum Parlament.

Fellerer und Wörle bauten auf Hansens Raumkonzeption auf setzten die Bedürfnisse eines modernen Parlaments auf der Höhe der Zeit um. Sie öffneten den Saal durch Glastüren zum Couloir und schufen mit diesen Foyers offene Kommunikationszonen. Die im Halbrund angeordneten Abgeordnetenplätze des Saals orientieren sich zur „politischen Bühne“ mit Rednerpult, Regierungsbank und dem Präsidium dahinter. Der Balkon dient noch heute Ehrengästen, interessierten Bundesräten und Journalisten mit verglasten Kabinen für Rundfunk und Fernsehen. Die Besuchergalerie für das Publikum erweiterten die Architekten auf 180 Sitz- und 60 Stehplätze.

Fellerer und Wörle optimierten auch die Raumakustik durch die Anordnung der Sitzreihen in Sektoren und die Materialität von Wänden und Fußböden. Die Nussholz-Lamberien, die weißen Marmorverkleidungen, die Sitze in braunem Rindsleder und die Fußbodenbespannung aus mattem Velours tragen zum dezent-noblen Gesamteindruck bei. Der einzige Schmuck des Raums ist der Bundesadler aus getriebenem Stahl von Rudolf Hoflehner.

Bei der Fertigstellung 1956 schien die Bedeutung des Saals noch nicht in dieser Breite klar gewesen zu sein. Architekt Roland Rainer schrieb damals: „Von den Fachleuten leider viel zu wenig beachtet, ist kürzlich im Parlament auch der große Plenarsaal fertiggestellt worden – inmitten der feierlichen Architektur Hansens ein Konzept aus modernem Geist, ein Saal der Arbeit, ernst und klar, fast durchsichtig, sachlich und höchst gediegen.“

Wie die anderen beiden bombenbeschädigten Ringstraßenbauten Burgtheater und Operwurde das Parlament außen in seiner ursprünglichen Formen wiederhergestellt. Wanderten die Architekten bei jenen kulturellen Ikonen am Grat zum Eklektizismus, so setzte der aufgeschlossene Bauherr des Plenarsaals auf zeitgemäße Baukultur.

Die Architekten erzielten in den noch von Armut und Beschränkung geprägten Nachkriegsjahren mit souverän einfachen Mitteln – weißer Marmor, Nussholz, Chrom, Aluminium und Glas – nobel zurückgenommene Eleganz. Im Vergleich sehen jüngere Repräsentationsbauten in Österreich, selbst Neu- und Kulturbauten wie Clemens Holzmeisters Großes Festspielhaus in Salzburg 1956/1960, alt aus.

Die Ausstellung kürzlich im Architekturzentrum Wien, „Eugen Wörle – Facetten einer Wiener Moderne“, hob das Parlament nicht besonders hervor. Ein Grund mehr für den Besuch des Saals mit seiner schlüssigen Gesamtwirkung, schließlich ist mehr als ungewiss, ob diese den geplanten Um- beziehungsweise Neubau überleben wird.

In den Sitzungssaal des Nationalrats wurde über die Jahrzehnte wenig investiert, sodass beispielsweise die Belichtung über die Glasdecke spürbar verringert ist. Ein Austausch der Gläser reicht nun nicht mehr aus, mit einem Paukenschlag sollen viele Bereiche komplett erneuert werden, um – so Nationalratspräsidentin Barbara Prammer – den „Anforderungen eines modernen Sitzungsbetriebs“ zu entsprechen: So sollen Saal und Besuchergalerie behindertengerecht, die Saaltechnik modernisiert und bestehende Sicherheitsmängel behoben werden. Architekt Andreas Heidl plant neue bewegliche, kompaktere Bestuhlungen, die auch etwas Platzgewinn im nur geringfügig vergrößerbaren Plenarsaal bedeuten. Zudem soll der gesamte Saalboden neu errichtet werden. Zurzeit überlegt der Architekt, eine neue Saalbegrenzung aus Stützen und Glas-Holz-Lamberien unter den Balkon – dieser soll erhalten und müsste unterfangen werden – zu rücken, anstatt die originalen Mauerpfeiler und Glastüren an der fast gleichen Stelle zu belassen. Zudem sollen Saal und Couloir auch in Zukunft keine eigenen Brandabschnitte werden. Statt die gesamte Besuchergalerie durch kompletten Neubau rollstuhlgerecht zu machen, bietet sich schon heute der Balkon an, der neben Journalisten auch Besuchern dienen kann.

Diese Beispiele widerlegen die Annahme von Parlamentsdirektor Georg Posch, dass bei einer Sanierung des Bewährten „mit einem verhältnismäßig großen Kostenaufwand eine verhältnismäßig geringere Verbesserung“ erzielt würde, und zeigt Optionen für einen respektvolleren Umgang mit der wertvollen Bausubstanz auf.

Zudem könnte Geld eingespart werden, das in die noch nicht ausfinanzierte Adaptierung der Räumlichkeiten unter dem Plenarsaal fließen könnte. Dort, im Erdgeschoß, schlug Heidl sinnvollerweise ein Besucherfoyer vor, das optimal über die beiden geplanten und längst überfälligen Aufzüge alle Ebenen erschließen könnte.

Zahlreiche denkmalschutzgerechte Kleinadaptierungen wären möglich. Beispielsweise könnten die eleganten Pulte leicht für die Laptops elektrifiziert und gegebenenfalls mit Augenmaß vergrößert werden, aber auch Ergänzungen wie neue Lifte könnten Rollstuhlfahrern massive Verbesserungen bringen. Die aktuelle Planung sieht anders aus: Im großteils neu errichteten Saal werden nur ein paar originale Elemente integriert sein. Die historischen Nussholzverkleidungen sollen weiß lasiert und durch weiße Marmorverkleidungen ergänzt werden. Die behauptete Authentizität und stimmige Gestaltung der 1950er-Jahre wäre Vergangenheit. Die Erhaltung dieses Gesamtcharakters könnte aber auch eine Zukunft haben: Ergänzungen wie Lifteinbauten und die sinnvolle Neuordnung der politischen Bühne mit Präsidium, Rednerpult und Regierungsbank könnten in zeitgemäß ablesbaren Formen – und der Gesamtwirkung des historischen Saals untergeordnet – implantiert werden. Allerdings gibt es eine Grenze, bei der nicht mehr die originale Materialität den Raum bestimmt, sondern die bauliche Erneuerung. Diese Grenze ist in den aktuellen Planungen weit überschritten.

Zweifel, dass unsere Volksvertreter die 50er-Jahre-Konzeption respektvoll und sparsam renovieren beziehungsweise nachrüsten, bekam die heutige Präsidentin des BDAs, Barbara Neubauer, bereits vor Jahren, als die Parlamentarier 14 Millionen Euro für das Umbaubudget beschlossen. Stetig kulminierten neue Ansprüche der Abgeordneten an den Saal zum als „öffentlich“ deklarierten Interesse. „Öffentliches Interesse“ bildet die Begründung für den substanziellen Schutz von Baudenkmälern, das sich das Denkmalamt von den Parlamentariern entziehen ließ. Präsidentin Neubauer spricht heute von einer „strukturellen Erhaltung“, um „die Geschichte dieses Saals zumindest in Ansätzen weitertransportieren zu können.“

Schließlich gab das Denkmalamt beim Wettbewerb 2007/08 grünes Licht für die Neugestaltung in der Horizontalen – auch mit Grundrissänderungen –, während die Optik der Vertikale erhalten bleiben muss. „Stilbildende Elemente“ wie Form und Material der geschwungenen Rückwand in Sitzungsebene und Balkon, der raumbildenden Brüstungen bei Balkon und Galerie, die Stirnwand hinter dem Präsidium sowie die Deckenblende über der Galerie sollten erhalten bleiben. Architekt Heidls Siegerprojekt behielt die Optik und – verglichen mit den meisten anderen Wettbewerbsprojekten – mehr Bausubstanz. Er bemüht sich redlich um Anknüpfungspunkte am Saal, den er – aus seiner Sicht verständlich – neu mit einem Hauch von Geschichte interpretieren will. Das Ergebnis wird allerdings im Architekturschaffen des beginnenden 21. Jahrhunderts nie jene baukulturelle Bedeutung erlangen, wie es für die Nachkriegsarchitektur der bestehende Saal als eines „der besten Beispiele der Architektur der 50er-Jahre“ darstellt.

Die zeitgemäßen Verbesserungen des Saals und seiner angrenzenden Bereiche wären unter Wahrung des Großteils der Bausubstanz möglich. Zudem sind bei gleichen Gesamtkosten arbeitsintensive Reparaturen wesentlich ressourcenschonender und konjunkturfördernder als materialintensive Erneuerungen.

Nun sind die Hausherrn, die Parlamentarier, gefordert: Nicht zeitgemäße, sondern historische Baukultur gilt es zu fördern. Im Gegensatz zur Generalsanierung mit großem Neubau-Anteil kann durch technische Verbesserungen, Auffrischungen und Reparaturen und Ergänzungen wie Lifte der Saal unter Wahrung seines einzigartigen Charakters aufgerüstet werden. Dabei sind Ansprüche wie Barrierefreiheit besonnen umzusetzen. Eine schlampige oder falsche Verwendung des Begriffs Authentizität schafft keine Denkmalpflege mit Substanz und bietet keine Voraussetzung, dass der Saal als politisches Symbol und Baudenkmal in Zukunft bestehen kann.

Morgen, am 3. Mai, wird in Bonn der nach Plänen von Sep Ruf 1963/64 gebaute „Kanzlerbungalow“ dem Publikum geöffnet. Er hat der Bundesrepublik ein modernes Gesicht gegeben. Der Symbolbau der Nachkriegszeit wurde in den letzten Jahren vorbildlich restauriert, die Bewusstseinsbildung für Denkmäler der Nachkriegszeit ist in Deutschland ungleich weiter als in Österreich.

Zurück ins Parlament: Nach der kurzen Nachdenkpause vor wenigen Monaten wegen der Wirtschaftskrise und dem medial perfekt transportierten Wassereinbruch – der wesentliche Punkt des Gutachtens ist allerdings der fehlende moderne Brandschutz für das ganze (!) Parlament – geht die Planung weiter. Das ist auch gut so, denn es geht nicht um das Ja oder Nein sondern um das Wie.

20. März 2009 TEC21

Leuchtendes Schiff

2009 teilt sich Linz mit der litauischen Hauptstadt Vilnius den Titel «Kulturhauptstadt Europas». Schon länger will die Kommune an der Donau ihr Image als Schwerindustrie-Standort loswerden und sich als eine technologie- und wissensbasierte Industriestadt positionieren. Da kommt die Aufwertung des Ars Electronica Center mit einer grosszügigen Erweiterung gelegen. Die Medienfassade am Neubau wurde mit LED-Leuchten erstellt und gilt mit ihren 5000 m² als die derzeit grösste in Europa.

Anfang Januar 2009 wurde die Erweiterung des Ars Electronica Center (AEC) eröffnet. Das AEC beschäftigt sich seit 30 Jahren mit den Veränderungen, Wechsel- und Folgewirkungen zwischen Kunst, Technologie und Gesellschaft. So thematisieren Künstlerinnen und Künstler die fortschreitende Technologisierung unseres gesellschaftlichen Alltags. Die Plattform für digitale Kunst und Medienkultur veranstaltet jeden Spätsommer ein avantgardistisches Festival und einen Wettbewerb. Ein Medienkunst-Labor soll künstlerische Kompetenzen für Forschung und Industrie zugänglich machen, das «Museum der Zukunft» besitzt nun 3000 m² Ausstellungsfläche.

2006 fand der zeitlich knapp organisierte Wettbewerb statt. So reichten von den 150 interessierten, teilweise internationalen Büros nur 38 einen Beitrag ein. Zwei getrennte, unterschiedlich grosse bebaubare Bereiche für das beachtliche Raumprogramm waren festgelegt, um dazwischen den Blick auf die Häuserzeile an der Kirchengasse zu sichern (Abb. 04). Der Wiener Architekt Andreas Treusch verstand es in seinem Siegerprojekt, innerhalb dieses engen Korsetts eine skulpturale, schiffartige Lösung mit einem in die Topografie eingegrabenen Verbindungselement anzubieten. Mit der Vergrösserung des AEC von 2500 auf rund 6500 m² erhielt der dem mächtigen Rathauskomplex gegenüberliegende Brückenkopf einen städtebaulich angemessenen Akzent. Zum Kunstmuseum Lentos auf der anderen Donauseite tritt der Neubau mit seiner verwandten kristallinen und beleuchteten Glasfassade in Dialog (Abb. 10).

Treusch ergänzte den Bestand von 1996 über eine gebäudehohe Halle mit einem neuen Trakt. Eine doppelschalige Fassade mit hinterleuchteter, teils transparenter, teils matter Glashülle umschliesst die Volumina zu einer neuen Einheit. Über ein grosszügiges Foyer betritt man das Gebäude (Abb. 12), das ein über die Öffnungszeiten des Museums hinaus zugängliches Café-Restaurant und einen Dachgarten beherbergt.

Unterirdisch dockt die Ausstellungshalle «Main Gallery» an, die vom AEC selbst gestalteten vier Laboratorien BrainLab, BioLab, RoboLab und FabLab laden die Besucherinnen und Besucher zur aktiven und kreativen Auseinandersetzung ein. Über dem neuen «Museum der Zukunft» befindet sich das «Main Deck», und die Kirchengasse wurde zum attraktiv bespielbaren, öffentlich zugänglichen Platz erweitert. Dieser geht in die Sitzarena des «Upper Deck» am Ende des Gebäudeensembles über. Unterhalb des begehbaren Daches des zweiten Baukörpers – er schiebt sich etwas ignorant vor die barocke Stadtpfarrkirche Urfahr – befinden sich Labors und Werkstätten.

RGB-W-Grosspixel lassen Gussglas strahlen

Der Zeitplan zur Realisierung der Erweiterung war sehr knapp bemessen, die Anfang 2006 veranschlagten Kosten von 16 Millionen Euro wuchsen auf knapp 30 Millionen. Ein besonderes Merkmal des Baus, die im Wettbewerb vorgeschlagene Leuchtdiodenfassade, sollte konventionellen, weissen Leuchtstoffröhren weichen. In letzter Minute ermöglichte der Innovationsschub bei den LED eine Medienfassade mit roten, grünen, blauen und weissen (RGB-W) Highpower-LED für rund 820 000 Euro. Weisse Leuchtstoffröhren hätten die Hälfte gekostet, weisse LED knapp 500 000 Euro.

Die Farbenpracht der Musterbeleuchtung überzeugte die Stadt. Hinzu kommt die Energieeffizienz. Die Planer sprechen von einer jährlichen Ersparnis von rund 38 000 Euro durch niedrigere Energiekosten und geringeren Wartungsaufwand. In der Dämmerung werden die LED auf 100 Prozent geregelt, im nächtlichen Normalbetrieb hingegen reichen rund 20 bis 30 Prozent der Energie oder durchschnittlich drei bis fünf Kilowatt, um für Betrachter den gleichen Effekt zu erzeugen.Die Medienfassade mit 40 000 LED und 5000 m² gilt als die grösste Europas. Gussglas wurde ausgewählt, da sich darin im Gegensatz zum herkömmlichen Industrieglas das Licht gleichförmiger ausbreitet (Abb. 11). Die Lichtplaner entwickelten spezielle LED-Lichtleisten für die 1100 Glasscheiben. Sie wurden hinter jede Glasscheibe vertikal – vor dem Betrachter versteckt – montiert und projizieren seitlich das Licht in die Glasplatte. Jede einzelne bildet mit 3 m Breite und 1.20 m Höhe ein Pixel. Die gegenüber Leuchtstoffbalken unvergleichbar kompakteren Leisten sind je nach dem zu beleuchtenden Glas mit bis zu 48 Highpower-LED bestückt, die aufgesetzten Spezialoptiken verteilen das Licht auf der Glasscheibe möglichst homogen. Jeweils 10 000 LED strahlen in den Farben Rot, Grün, Blau und Weiss. Vier Kanäle pro Lichtleiste bedeuten 4400 Kanäle, die ein Bussystem (Artnet, DMX) – regelbar zwischen 0 und 100 Prozent – ansteuert. Helligkeit und Farbmischung jeder Scheibe sind einzeln steuerbar und ermöglichen Muster oder homogene Farbverläufe.

Wechselnde Lichtkunstwerke an der Fassade

Bei der Eröffnung am 2. Januar 2009 spielte der vom AEC beauftragte New Yorker Künstler Zachary Lieberman in die Schnittstelle der Fassadensteuerung eine besondere Produktion ein. Auch das seither gezeigte Lichtkunstwerk stammt von ihm. Trotz Ähnlichkeiten bei der Wiederholung des Programms handelt es sich um keine (Endlos-)Schleife, weil Lieberman in Reverenz an Johannes Kepler – der Astronom und «Mathematicus» lehrte bis zur Protestanten vertreibung 1626 in Linz – in das Lichtkunstwerk aktuelle Planetenbahnen und Sonnenaktivitäten integrierte.1 Letztere huschen immer wieder über das Gebäude, das täglich von der Dämmerung bis über Mitternacht bespielt wird. Nach Liebermans reaktiver Konzeption will Gerfried Stocker, der künstlerische Leiter des AEC, künftig Künstler zu interaktiven Bespielungen einladen.[2] Die Möglichkeiten sind vielfältig, wie der Vergleich mit dem 2003 eröffneten Kunstmuseum Lentos zeigt. Die Zürcher Architekten Weber & Hofer haben ihm eine Hülle aus Glas gegeben. Die in der Unterkonstruktion integrierten, dimmbaren Leuchtstoffröhren können unterschiedlich hell von Blau bis Rot mit Magenta in der Mitte leuchten. Gelb, Grün oder Weiss können nicht generiert werden, da dafür zusätzlich grüne Leuchtstoffröhren notwendig wären. Nichtsdestotrotz war 2003 das spannende «Spiel mit Farbe und Kubatur des Leuchtkörpers und Chamäleons» der Anspruch.

AEC und Linz präsentieren sich selbstbewusst

Zwischen der mit Leuchtstoffröhren beleuchteten Fassade des Kunstmuseums und der LED-Fassade des AEC ist die Entwicklung im Bereich der Leuchtmittel deutlich zu erkennen. Jede einzelne Leuchtdiode im AEC reagiert millisekundenschnell, sodass selbst fliessende Bewegungen und Farbverläufe optimal umgesetzt werden können. Mit der Errichtung des Leuchtkörpers, der sich in der Donau spiegelt und sich in der Nachtsilhouette von Linz selbstbewusst präsentiert, sieht Stocker auch die Chance für das AEC, «sich neu zu erfinden». Wesentlich ist für Stocker das «Weitergehen» über den Bereich der Informationsund Kommunikationstechnologie hinaus, in Bereiche wie Neurosciences und Molekularbiologie. Das seien die Themen im Bereich Wissenschaft und Technologie, bei denen die stärksten gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen zu erwarten sind. Heutzutage sei es möglich, den menschlichen Körper, das Gehirn, das Innere von der DNA bis zum Gedanken sichtbar zu machen. Die aktuelle Ausstellung «Neue Bilder vom Menschen» zeigt auf 4000 m² die Wissenschaften vom Leben. Die Zukunft wird neue Facetten bringen, die das gläserne Leuchtschiff beherbergen kann.


Anmerkungen:
[1] Dazu wurden Daten des NASA/ESA-Solar und des heliosphärischen Observatoriums verarbeitet
[2] Der deutsche Mediengestalter Joachim Sauter unterscheidet autoaktiv, reaktiv, interaktiv und partizipativ gestaltete Medienfassaden

21. Februar 2009 Spectrum

Geht Gastein baden?

Verkitscht, verschleudert, verschandelt: Die Bauwerke Gerhard Garstenauers in Bad Gastein werden sträflich vernachlässigt. Ein Appell zu Erhalt und Revitalisierung.

Neue Töne aus Bad Gastein: „Die Architektur stört uns nicht, ganz im Gegenteil.“ So sprach Bürgermeister Gerald Steinbauer vergangenen Oktober über das Kongresszentrum. Das Symposium „Moderne zwei 1948–1984“ zur Baukultur der Nachkriegszeit würdigte das von Architekt Gerhard Garstenauer 1968/1974 ins Zentrum des einst mondänen Weltkulturorts gepflanzte Gebäude. Am Kongresszentrum schieden sich die Geister. Teuer errichtet vom Baulöwen Porr, erhielt es ein Betonklotz-Image am Bein der finanziell schwächelnden Stadt, die es in der Folgeverkommen ließ. Vor wenigen Jahren wurde das Kongresszentrum zum „Schleuderpreis“,so Landeshauptmannstellvertreter Wilfried Haslauer, an Franz Duval und Franz Wojnarowski verkauft. Das Wiener Investoren-Duo lässt seit Jahren seine insgesamt fünf Immobilien in Bad Gastein leer stehen, statt die angekündigten Revitalisierungen zu starten, und ließ sogar den öffentlichen Platz vor dem Kongresshaus absperren. Spekulanten sind sie nicht nur für Bürgermeister Steinbauer, der den Kauf rückabwickeln will. Duval und Wojnarowski schlagen aber immer wieder Kaufangebote aus, obwohl der mehrfache Betrag ihres Kaufpreises geboten wurde. Bad Gasteins Zentrum befindet sich in lähmender Geiselhaft.

Gegen den steten Niedergang des mondänen Kurorts entwickelte der heute 84-jährige Architekt Gerhard Garstenauer mit Anton Kerschbaumer Mitte der 1960er-Jahre eine Vision für das Gasteinertal. Der Bürgermeister und sein Architekt erneuerten den traditionsreichen Kurbetrieb und setzten auf den rasant wachsenden Tourismus. Dieser Aufbruch fand im Felsenbad 1966/68 die erste Umsetzung. Wegen des beengten Bauplatzes ließ Garstenauer die Schwimmhalle aus dem Bergrücken heraussprengen. Der Kontrast zwischen unbearbeiteten Tauerngneiswänden und konstruktiv-präzisen Sichtbeton-Elementen prägt den bemerkenswerten Raumeindruck.

Auch das 1974 fertiggestellte Kongresszentrum fand internationale Beachtung und erhielt 1976 den Architekturpreis des Landes Salzburg. Garstenauer schuf einen Kontrapunkt zum gewohnten Bad-Gastein-Bild. Dieses hatten ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Wiener und Münchner Architektenals großstädtisches, im alpinen Tal fremd anmutendes „Wolkenkratzerdorf in den Bergen“ geformt. Dicht gefügt sitzen die gründerzeitlichen Hotelblöcke jeweils auf mehreren Untergeschoßen im steilen Gelände. In analoger Weiterführung dieser „Gasteiner Substruktionen“ setzte Garstenauer – so der Architekturhistoriker Friedrich Achleitner – eine konstruktiv geprägte „rigorose Spätmoderne“ um. Die markante Horizontale des imSteilhang dramatisch aufgeständerten Bauwerks prägt das Zentrum, für Garstenauer der „sichtbare Ausdruck als Ort der Begegnung.“ Anstelle der ehemaligen engen, verschatteten Straße öffnete die begehbare kommunale Platz- und Dachlandschaft das Zentrum großzügig zu Sonne und Tal. – Ergänzend sollte die Neugründung „Sportgastein“ im Talschluss auf 1600 Meter Seehöhe eine sportliche Klientel anziehen. Unverwirklicht blieben die „Badeschlucht“ mit Appartementanlage und eine Gletscherbahn auf das 3100 Meter hohe Schareck. Realisieren konnte Garstenauer 1970 den Kreuzkogel-Lift mit insgesamt vier sphärischen Kugelbauten aus Aluminium. Tal- und Bergstation, Beobachtungs- und Aussichtskugel bildeten eindrucksvolle Kontraste in der hochalpinen Gebirgslandschaft mit ihren bizarren Schnee- und Eisformationen.

Während Ende der 1960er-Jahre in Wien junge Architekten an „primitiven ,Domes‘ und biomorph aufgeblasenen Wolkentürmen und techno-uteralen Wohnhöhlen bastelten“, setzte Gerhard Garstenauer – so der Wiener Architekturpublizist Otto Kapfinger – „perfekte Alu-Glas-Kugeln per Hubschrauber in die Gletscherregion“ und passte „seine aus hochdifferenziertem Beton gefügten ,Flugzeugträger‘ des Felsenbades und des Kongresszentrums ins Hochgebirge und in die mondäne Hotelschlucht“ – „parallel zu den ähnlich gelagerten Wagnissen von Frei Otto und Günther Behnisch für die Olympiabauten“ in München.

Bedauerlicherweise verlor nach Bürgermeister Kerschbaumers zehnjähriger Amtszeit und seinem Tod 1975 Bad Gastein die mit Garstenauer entwickelte, übergeordnete Planungsperspektive und fiel in eine selbstzerstörerische Depression. Seither bereicherte kein einziges zeitgemäßes Gebäude von Rang die Silhouette, im Gegenteil, sie wird massiv beeinträchtigt durch Abriss stattlicherGründerzeithotels und die Errichtung banalster Neubauten. Postmodern-historisierende Hotels wie das Bellevue oder plumpe, unförmige Baumassen wie die drei Nebengebäude des Hotels Kaiserhof von Hapimag entwerten oder bedrängen die ehrwürdigen Gründerzeit-Palazzi. Einhellig erklärte die Stadtpolitik den Haupttrakt des städtebaulich wie architektonisch bedeutenden Gasteinerhofes zum „Schandfleck“, er wurde schließlich abgerissen.

Dieser stete Raubbau an der Baukultur macht Bad Gasteins Erscheinungsbild ordinär. Auch Garstenauers Bauten sind in Gefahr. Längst verschwunden sind seine futuristischen Panoramagondeln für die Stubnerkogel-Seilbahn. Diese 1972 an drei Raumachsen konstruierten Superellipsen aus Sonnenschutz-Acrylglas boten in geschützten Miniräumen optimalen Landschaftsbezug. Die Naturschutzbehörde, die neue Unterstände in „Holzblockbauweise mit matt-anthrazit-grau gefärbtem Satteldach“ vorschrieb, veranlasste, eine der vier Lift-Kugeln zu demontieren. Drei Jahrzehnte trotzten die Kugeln mit optimierter Form und minimierter Oberfläche dem rauen Hochgebirgswetter, bis der Naturschutz ausreichend Angriffsfläche fand. Zumindest das Abbruchunternehmen erkannte die Qualitäten und stellte die Kugel im Firmengelände auf, statt sie zu verschrotten.

Ohne Einflussmöglichkeit für Garstenauerwurden und werden sein Solarbad in Dorfgastein von 1978 und sein Felsenbad unbedarft verändert. Zahlreiche Memoranden dokumentieren seine Angebote unentgeltlicher Beratung. Auch das Kongresszentrum wurde vernachlässigt. Schon lange unbenutzbar ist etwa auf dem Dach die Trinkhalle in vier kristallinen Kugeln. Die Verkitschung des Äußeren und andere Verschandelungen sind leicht reversibel. Die Bausubstanz des Kongresszentrums macht insgesamt noch einen guten Eindruck, allerdings ist der Leerstand schädlich.

Bei Duvals fünf Gasteiner Immobilien das Denkmalamt als Verhinderer oder Verzögerer hinzustellen ist absurd. Schließlich streben die Wiener Investoren unangemessene Kubaturzuwächse an und beeinträchtigen damit massiv die Bauwerke wie den Charakter des Stadtbildes. Das verdeutlichen auch ihre dilletantisch-verstümmelnden Umbau-„Vorschläge“ für das Kongresszentrum.

Viele Baudenkmäler der 1960er- und 1970er-Jahre nutzten „moderne“ Baumaterialien wie Stahl, Glas und (Sicht-)Beton sowie neue Konstruktionen. Auf ihrer Erforschung basieren Pflege, Konservierung und Adaptierung der Bausubstanz und die Entwicklung gestalterisch wie bauphysikalisch anspruchsvoller Lösungen. Nur die denkmalpflegerische Betreuung kann dem Bad Gasteiner Kongresszentrum eine respektvolle und gelungene Revitalisierung sichern. Schließlich bietet das mit Betonfertigteilen präzis komponierte Gebäude zahlreiche Potenziale, die für Bad Gastein dringend aktiviert, zeitgemäß und qualitätvoll weiterentwickelt werden könnten. Die Verwendung von Betonfertigteilen und die Präzision im konstruktiven Anspruch ist mit Roland Rainers denkmalgeschütztem ORF-Zentrum auf dem Küniglberg (1968/1985) vergleichbar. Gegen die probeweise Außendämmung schrieb der verdiente Architekturpublizist Walter Zschokke energisch und zu Recht an („Spectrum“, 27. Mai 2006): „Würde man heute den Strebepfeilern und dem Chormauerwerk einer regional bedeutenden gotischen Kirche eine Außendämmung verpassen? Wohl kaum.“ Zschokkes Forderung nach einem ingenieurwissenschaftlichen Gesamtkonzept zur wärmetechnischen Sanierung des ORF gilt auch für das Gasteiner Kongresszentrum. Allein die Erneuerung dergroßflächigen Verglasungen würde eine große energetische Verbesserung bedeuten.

Schon kleine, aber unbedacht gesetzte Maßnahmen wie Fensteraustausch, Dämmung und Bemalung können zerstörerische Wirkung auf die Ausgewogenheit von Proportionen und Materialien entfalten. Um das zu vermeiden, war bereits im Jahr 2000 für die drei noch erhaltenen Bauensembles Kongresszentrum, Felsenbad und Liftkugeln eine Unterschutzstellung beim Bundesdenkmalamt angeregt worden. Der damalige Präsident Georg W. Rizzi, der unter anderem auch bei Anton Schweighofers „Stadt des Kindes“ und dem Mittelbahnsteig des Salzburger Hauptbahnhofs versagte, hat dies jahrelang verschleppt. Haben in Deutschland oder der Schweiz die Denkmalämter längst außergewöhnliche Bauwerke der 1960er- und 1970er-Jahre aufgearbeitet, so hinkt in Österreich das personell und finanziell ausgehungerte Denkmalamt – verschärft durch das Desinteresse Rizzis als Präsident 1998 bis 2008 und Architekturdirektor – weit hinterher.

So kam es zu absurden Entwicklungen. Voreinigen Jahren stellte das Landeskonservatorat Salzburg Margarete Schütte-Lihotzkys konventionell gestaltetes Wohnhaus in Radstadt (1950) unter Schutz, während bis heute keines der Hauptwerke Gerhard Garstenauers – zentrale Bauwerke der österreichischen Architekturgeschichte – geschützt ist.

Nun ist es an der neuen Präsidentin des Bundesdenkmalamts, Barbara Neubauer, ihrem erfreulichen Bekenntnis zur Nachkriegsarchitektur beim Antritts-Statement imFrühjahr 2008 Taten folgen zu lassen. Ihr Grundsatz-Statement beim Symposium „Moderne zwei“ widmete sich den jungen Baudenkmälern in Österreich und Strategien gegen deren akute Gefährdungen.

Die Bewusstseinsbildung für die Architektur der Nachkriegszeit kann das Denkmalamtalleine nicht leisten. Die Planer von heute sind gefordert, die Leistungen vergangener Generationen respektvoll weiterzuentwickeln,die Architekturfakultäten müssen der Denkmalpflege wieder einen größeren Stellenwert einräumen. Städte und Gemeinden müssen ihre Vorbildfunktion als Bauherr und Baubehörde verstärken, sind doch erhaltenswerte historische wie zeitgemäße Architekturen Teil ihrer Identität. Mit dem Symposium hat die „Architektonische Begutachtung“ der MA 19 in Wien die Lücken bei der Erfassung der Nachkriegsarchitektur erkannt. Die Magistratsabteilung „Architektur und Stadtgestaltung“ arbeitet an der Aufarbeitung. Auch Bad Gastein hat dazu die Chance.

13. Februar 2009 newroom

Umfallen, drüber fahren

Die ÖBB sparen bei der Neustrukturierung des Salzburger Hauptbahnhofs beim Kernstück von Klaus Kadas Siegerprojekt des Wettbewerbs von 1999: Der „urbane Teppich“ zur städtebaulichen Einbindung wurde stark reduziert.

Da die ÖBB nicht das gesamte Mittelbahnsteig-Ensemble abreißen können, lassen sie die beiden Eisenhallen von 1909 verrücken. Sie sollen nun als historisches Element eines unverwechselbaren Bahnhofs dienen.

Ladislaus Friedrich von Diószeghy, Architekt und Inspektor der k. k. österreichischen Staatsbahnen, schuf 1909 das prägnante, österreichweit einzigartige Ensemble mit stattlichem Mittelgebäude, den beiden Eisenhallen von 25 Metern Stützweite, begleitenden niedrigeren Hallen sowie fingerartigen Bahnsteigdächern.

Beim Wettbewerb für den Salzburger Hauptbahnhof 1999 ignorierten die ÖBB den Denkmalschutz für den Mittelbahnsteig. Später nahm der damalige Präsident des Bundesdenkmalamts Wilhelm Georg Rizzi den Akt an sich. Statt die verkehrstechnischen Behauptungen der ÖBB von einem unabhängigen Gutachter prüfen zu lassen, mutmaßte er 2005 gehorsam: „Der Verzicht auf das Bahnsteigbauwerk dürfte unter den künftigen verkehrlichen und betrieblichen Anforderungen offenbar unvermeidlich sein.“ Somit konnte das Mittelgebäude mit Seitenhalle und Nebengebäuden abgebrochen werden, die beiden Haupthallen sollten „in situ“ erhalten werden.

Dann fiel Rizzi ein zweites Mal um: Die Hallen können abgebaut und versetzt wieder aufgebaut werden. Sie werden dann keinen großzügigen öffentlichen Raum mehr beherbergen sondern zwei Durchgangsgleise. Die ÖBB preisen die Unverwechselbarkeit des künftigen Bahnhofs durch die beiden beeindruckenden Spolien an, die das Architekturbüro Kada Wittfeld routiniert in ihre Konzeption integriert.

Was von den beiden Eisenhallen tatsächlich übrig bleiben wird, wird sich zeigen. Jedenfalls wird sich anstelle des Mittelbahnsteigs der Gleiskörper ausbreiten und der Grund für lukrative Bebauungen an den ÖBB-Grundstücksrändern wachsen. Dazu entwickelten die Architekten für die ÖBB jedenfalls bereits Verbauungsvorschläge von beachtlicher Dichte.

Beim Spatenstich im November 2008 war Klaus Kadas Kernstück des siegreichen Wettbewerbsprojekts 1999 stark geschrumpft. Zur attraktiven Anbindung des Stadtteils Schallmoos hatte der Architekt unter den Gleisen den so genannten „urbanen Teppich“ vorgeschlagen. Dieses großzügige Passagenkonzept mit beidseitiger Ladennutzung ließ eine angenehme, licht durchflutete Atmosphäre erwarten. Die ÖBB beschnitt die Passage dramatisch zum „Teppichresterl“ und degradierte die Schallmooser Hälfte zum gewöhnlichen Durchgang.

In den letzten Jahrzehnten ließen die ÖBB den Bahnhof verwahrlosen, sodass sich verständlicherweise die Öffentlichkeit freut, wenn „irgend etwas“ passiert. Heute erschwert dem Ortsunkundigen das bestehende, verwinkelte Gangsystem die Orientierung, dem Ortskundigen ermöglicht es aber Abkürzungen.

Die ÖBB müssen den „neuen“ Bahnhof mit Stadt und Kunden viel besser vernetzen. Nur die Bahnsteiginsel der S-Bahn soll nämlich mittels Abgang ans Nelböck-Viadukt an der Stadtzentrum-Seite angebunden werden. Dem Bahnbenutzer könnte mit dieser Maßnahme bei drei anderen Bahnsteigen mehrere hundert Meter Umweg erspart werden. Die ÖBB sparen an falscher Stelle.

16. Januar 2009 newroom

Das Rupertinum schrumpft sich krank

Noch in den 1970er Jahren wurde in Salzburgs Zentrum trotz Altstadterhaltungsgesetz historische Bausubstanz entkernt, sodass nur die Fassade übrig blieb. Gerhard Garstenauer demonstrierte mit den Revitalisierungen des Restaurants Koller+Koller (1972/1974) und des Rupertinums (1977/1983) gemeinsam mit dem ersten Direktor Otto Breicha, dass neu gestellte Aufgaben und historische Bausubstanz vereinbar sein können. Das Gebäude als konstruktives Gefüge bot dem Architekten die gestalterische Konstante, Alt und Neu zeitgemäß zu verbinden.

Bedauerlicherweise wurden Ende der 1990er Jahre im Rupertinum u.a. die Konstruktionshölzer der Grabendächer mit Gipskartonplatten bzw. mit lackiertem Blech eingepackt, sodass dort Konstruktion, Material und Form nicht mehr erlebbar sind.

Dem Verlust an Gestaltqualität folgt nun der Verlust an Raum. Aktuell plant die Museumsleitung, das gesamte Dachgeschoß, den größten in einer Ebene durchgehenden Ausstellungsbereich des Hauses, in Büros umzuwandeln. Dafür will man zwei Zimmer der Museumsverwaltung im Nachbargebäude „einsparen“.

Schon Direktorin Agnes Husslein hat im Erdgeschoß die Galerie in der Arkade beseitigt, nun will Dirktor Stooss weitere zwei Fünftel der Ausstellungsfläche eliminieren. Räume, die „hervorragende“ Bedingungen für die Präsentation von „Grafiken und Fotoarbeiten“ bieten - so unter www.museumdermoderne.at nachzulesen -, sollen also Büros werden, der große zentrale Raum unter dem Grabendach Besprechungszimmer. Auch der mit der Glasoberlichte überdeckte Umgang des Lichthofs wird in diesen Verwaltungsbereich fallen, ein zentrales architektonisches Element des Hauses wird amputiert.

Gegenüber dem als Salzburger Museum für moderne Kunst und Graphische Sammlung 1983 eröffneten Rupertinum halbiert eine Realisierung des Umbaus den Ausstellungsbereich! Die Sachverständigenkommission für die Altstadterhaltung hat im Prinzip, noch nicht im Detail diese „Lösung“ genehmigt.

Dazu muss es Alternativen geben. Statt das Rupertinum mit einem eigenen Ausstellungs-Profil weiterzuentwickeln, will die Museumsleitung selbst das Stammhaus verstümmeln. Sie konterkariert damit die Gründungsleistung des Landes Salzburg der 1970er Jahre mit seiner architektonisch hervorragenden Umsetzung. Die Landespolitik ist gefordert.

[ Dieser Artikel ist auf DrehPunktKultur erschienen ]

14. Januar 2009 newroom

Ein Autohaus mit Denkmalqualitäten

Die ÖFAG in der Innsbrucker Bundesstraße 128 ist ein architektonisch bedeutendes Ensemble der Nachkriegszeit von Gerhard Garstenauer.

Heute erregen Neubauten wie das nahe Autohaus Pappas von Kada Wittfeld Architekten ungleich mehr Interesse, ein genauerer Blick auf das Ensemble der ÖFAG lohnt sich aber. Schließlich bereicherten diese und viele andere Werke des heute fast 84jährigen Architekten Gerhard Garstenauer Salzburgs Baukultur, als beispielsweise Interspar in Taxham eine banale Kontainer-Einkaufsagglomeration - heute steht hier der Europark - hinstellte.

Bereits das Werkstättengebäude von 1957 Salzburgs Anschluss an internationale Entwicklungen im Industriebau nach dem Zweiten Weltkrieg. Aus der großen Anzahl an Nachkriegs-Autohäusern Salzburgs sticht aber auch die ÖFAG-Erweiterung ­der 1970er Jahren an der Straße - bestehend aus Automobil-Ausstellungshalle und Bürobau - heraus.

Garstenauer gab der Bauaufgabe Autohaus eine architektonisch anspruchsvolle und gleichzeitig neutrale Struktur. Die Klarheit der Konstruktion, eine Konstante in Garstenauers international anerkanntem Schaffen, dominiert die ÖFAG. Teilweise vorgefertigte Betonteile bilden das konstruktive „Tisch-System“. Mit einer zweiten Bauetappe wurden insgesamt vierzehn solcher Elemente zum heutigen Ensemble addiert. Dieses räumlich-konstruktive System mit Lichtzwischenzonen bildet eine gut belichtete, leicht disponible Raumsequenz. „Schau-Umgänge“ im Obergeschoss und vorgelagerte Freitreppen aus Metall gliedern und rhythmisieren zusätzlich die lange Straßenfront.

Garstenauer plante schon 1957 für Hubert Pölz und seine Firma ÖFAG. An den etwas älteren, architektonisch soliden Kopfbau baute er damals die Reparaturhalle. Diese repräsentiert nichts Geringeres als Salzburgs Anschluss an die internationalen Entwicklungen im Industriebau nach dem zweiten Weltkrieg. Garstenauer hat sich von Mies van der Rohes legendärer „Crown Hall“ am Campus des Illinois Institute of Technology in Chicago inspirieren lassen. Mies van der Rohe hatte das Dach des innen stützenlosen Stahl- und Glasgebäudes an nur vier, von Außenstützen getragenen Stahlträgern aufgehängt. Diese Konzeption übersetzte Garstenauer in Spannbeton-Konstruktionen. Beginnend mit der ÖFAG entwickelte Garstenauer 1960 ein entsprechendes Patensystem, das bei mehreren Projekten Anwendung fand.

So entstand 1960/62 - gemeinsam mit Wolfgang Soyka - im Stadtteil Lehen die Werkstätte der Mercedes-Lastkraftwagen an der Siebenstädterstraße, „der Beginn der Auseinandersetzung mit dem konstruktiven Fertigteilbau aus Stahlbeton im Industriebau“, so der renommierte Architekturhistoriker Friedrich Achleitner 1980. Trotz vielfältig nutzbarer Großräumigkeit wurden keine Nachnutzungsszenarien entwickelt und das Gebäude vor einigen Jahren abgerissen.

Die räumliche Flexibilität von Garstenauers ÖFAG-Ausstellungshalle nutzte jedoch Albert Still. Mit dem umtriebigen Geschäftsführer des neuen Eigentümers AVAG wurde Anfang 2008 bei der Vorbereitung eines Filmprojekts über Garstenauer eine gute Gesprächsbasis gefunden. So konnten erste Überlegungen Stills wie die Entferndung der Außentreppen und der „Schau-Umgänge“ durch Verlegung der Außenhaut, die das Ensemble massiv geschädigt hätten, verhindert werden.

SPAR, der zweite Eigentümer der vier stadtseitigen „Tische“, will die große Grundstücktiefe dahinter für ein Hotel, Büros und einen SPAR-Markt nutzen, entwickelt dabei aber zerstörerische Überlegungen. Bei der angedachten Verkehrslösung sollte ein „Tischmodul“ seine Mitte - die Decken- bzw. Bodenplatte zwischen Erd- und Obergeschoß - verlieren. Das würde die Qualität des Gesamtensembles aus der rhythmisierten Addition der Einheiten massiv beeinträchtigen.

„Das Werk Gerhard Garstenauers ist wesentlicher Bestandteil der österreichischen Architektur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und auch Bestandteil der Kulturgeschichte im Allgemeinen“, fasste Dietmar Steiner die Rolle des 1925 geborenen Architekten in der österreichischen Kulturlandschaft 2002 zusammen. Allerdings steht das Bundesdenkmalamt erst am Beginn der Beschäftigung mit der Baukultur der Nachkriegszeit und hat Garstenauers Bauten bis heute sträflich vernachlässigt. Zumindest hat die Stadtplanung im aktuellen Architektur-Wettbewerb die „weitgehende“ Erhaltung des ÖFAG-Gebäudes gefordert. Dagegen wurde im Planungsausschuss im Dezember polemisiert, darin Schikanen gesehen. Die Ausschussmitglieder sind zu einem Besuch des Autohauses herzlich eingeladen. Bereits die Exkursion im Rahmen des Symposiums „Moderne Zwei“ im Oktober konnte die Qualitäten des Ensembles auch dort herausschälen, wo dies durch - zum Glück reversible - Veränderungen erschwert wird.

[ Dieser Artikel erschien auf DrehPunktKultur ]

16. September 2008 zuschnitt

HolzBox goes Steiermark

Modulsystem für Jugendcamps

»Die Box kann, mitsamt ihren Möbeln, bereits vorgefertigt auf die Baustelle geliefert werden. Nach Größe und Gestalt der Anlage werden die Boxen dann addiert bzw. gestapelt.«

Modulares Bauen, Serienproduktion, Flexibilität, Ortsungebundenheit, all dies suggeriert der vor rund fünf Jahren formulierte Anspruch von HolzBox. Das Innsbrucker Architekturbüro konnte 2003 den Wettbewerb der steiermärkischen Landesregierung für ein multifunktionales Campmodul für Jugendliche und Familien für sich entscheiden. Das modulare Musterkonzept sollte die architektonische, infrastrukturelle und funktionale Qualität von Ferienherbergen verbessern. Gefordert waren ein Betreuermodul mit einem Bett, ein Jugendraummodul mit sechs und ein Familienmodul mit vier bis fünf Betten. Die Lösung von HolzBox war einfach: drei gleich lange, beliebig kombinierbare Containermodule aus Massivholzplatten. Denn obwohl ursprünglich eine Ausführung in Holzrahmenbauweise geplant war, entschieden sich die Architekten im Lauf des Umsetzungsprozesses für die Holzmassivbauweise mit Brettsperrholzplatten, da diese, so Ferdinand Reiter, der Architektur viel eher entsprach und nicht zuletzt aufgrund der geografischen Nähe zu den steirischen Produzenten auf der Hand lag.

Sieben mal Steiermark

Die »qualitativ hochwertigen, kostengünstigen, ästhetischen Einzelmodule« sollen durch möglichst viele Gemeinsamkeiten in ihrer Grundstruktur eine »systematische Vorfertigung« ermöglichen. Gestaltungselemente sollten aber auch den »regionalen Spezifika und Eigenarten angepasst werden«, lautete der Anspruch der Architekten. Mittlerweile sind die beiden Mustermodule in Neudau an der Lafnitz, das Jugendcamp Passail, die Apartmentanlage Planneralm, das Camp Wildalpen, die Panorama Appartements Oase in Bad Aussee und vor wenigen Monaten das Pilger- und Freizeithotel Holzbox Niederalpl fertiggestellt und in Betrieb. Das Camp Fürstenfeld als siebte Variante des modularen Systems ist in Planung.

Theorie und Praxis

Für die prototypischen Raumzellen in Neudau und die 14 Module der mehrgeschossigen Anlage Planneralm wurden die einzelnen Boxen, wie ursprünglich geplant, in der Halle vorgefertigt und mittels Mobilkran auf Technikraumsockel und Betonpfeiler gesetzt bzw. entsprechend der Hanglage versetzt gestapelt. Bei den anderen Camps wurden Wandeinzelelemente angeliefert und vor Ort zusammengebaut. Die Holzbauunternehmen hatten nämlich nicht nur logistische Probleme beim Transport der bis zu 16 Tonnen schweren Module auf engen Straßen zu überwinden; die Manipulation beim Versetzen barg die reale Gefahr, dass die zusammengefügten Teile aus den Fugen geraten würden. Bei den aufgeständerten Holzboxen in Wildalpen wurden die Lasten der Auskragung über jeweils ein Brettsperrholz-Wandelement abgetragen. In der terrassierten Anlage in Bad Aussee war dies wegen kürzerer und daher längs »gestückelter« Elemente eines anderen Herstellers nicht möglich. Hier – ähnlich wie in Niederalpl – bildet daher eine Betonplatte den Boden der Module.

Für alle drei Grundtypen – Betreuerraum (ca. 19 m²), Jugendraum (ca. 29 m²) und Wohneinheit (ca. 39 m²) – entwickelte HolzBox besonders ökonomische Grundrisse, die im Bedarfsfall modifiziert wurden, wie etwa beim 55 m² großen, behindertengerechten Appartement-Typ in Bad Aussee.

Aussichtssache

Neben Niedrigenergiestandards zeichnet ein intensiver Landschaftsbezug alle Anlagen aus. Die Optimierung des »Panoramablicks« mittels großflächiger Verglasungen und Glasbalkone verbindet sich mit dem jeweils spezifischen Reagieren auf Topografie und Kontext. Durch die Aufständerung der Holzkörper wurden attraktive, geschützte Freibereiche gewonnen (Wildalpen), manche Module wurden im Hang eingebettet (Passail, Planneralm) bzw. mit gedeckten Erschließungsbereichen terrassiert (Bad Aussee).

Zur ökologischen kommt die atmosphärische Qualität von Holz. In allen Camps sind die Fichten-Brettsperrholzelemente bei Decken und Wänden visuell präsent, möglichst kombiniert mit Lärchenholzböden. Die sägeraue Schnittholz-Hülle trotzt – z. B. in Wildalpen – dem Wetter. Eine Verkleidung mit eingefärbten oder neutralen Schichtstoffplatten kam im Außenbereich der beiden Stirnseiten, aber auch bei den Nasszellen, zum Einsatz. Die von den Architekten gestalteten Möbel bestehen aus anthrazitfarbenen MDF-Platten. Bei manchen Camps erinnern die hölzernen Luken der Boxen an die Öffnungen eines Bienenstocks. Die Waben aus Holz mit den Sanitärboxen in der Mitte präsentieren sich als offene bzw. großflächig verglaste Wohnröhren. Dies gilt sowohl im Zugangsbereich als auch nach vorne, zur Landschaft hin, wo im Standardmodul Schlafnische und Loggia untergebracht sind. Eine Übersiedelung per Kran wäre jederzeit möglich, zumindest theoretisch.

29. Juni 2008 Spectrum

Wenn die Birne die Lösung ist

Ein Baudenkmal von europäischem Rang: die „Stadt des Kindes“ in Wien-Penzing. Jetzt soll sie zum Großteil abgerissen werden – trotz Protesten im In- und Ausland. Der Grund: Profitmaximierung.

Eine Wienerin und ein Wiener schildern Kindheit und Jugend in der „Stadt des Kindes“ in Wien-Penzing. Hier hatte Angela Luft nach schlechten frühen Kindheitserfahrungen mit acht Jahren „Schutz und Sicherheit“ gefunden. Sie hatte Selbstvertrauen und Freiheit gewonnen, um ihre Fähigkeiten und Talente zu entwickeln, konnte in einer großen Gemeinschaft sozialisiert werden. Auch Mario Hofer bedauert die 2002 erfolgte Schließung des international viel beachteten Modells einer offenen Idealstadt für Kinder und Jugendliche, dessen gemeinschaftliche Kultur-, Sport- und Freizeitbereiche auch der Nachbarschaft zugänglich waren. „Ein Stück Heimat“ würde für ihn verloren gehen, wenn der Großteil der „Stadt des Kindes“ abgerissen werden sollte. Diese Demontage peilen die beiden Eigentümer, Arwag und Wiener Heim (Mischek), zwei der Stadt Wien nahestehende Bauträger, an.

Die beiden ehemaligen Bewohner betrachten die heutige Betreuung von Kindern in kleineren, dezentralen Wohngemeinschaften skeptisch. Diese Doktrin führte neben der Schließung von Kinderheimen als Disziplinierungsanstalten für schwer erziehbare Kinder auch zur Eliminierung der 1974 eröffneten Alternative, der „Stadt des Kindes“.

Anton Schweighofer hatte damals dem sozialpädagogischen Konzept der Stadträtin Maria Jacobi seine außergewöhnliche architektonisch-städtebauliche Form gegeben. Der Architekt organisierte die vielfältigen Nutzungsangebote wie Jugendclub, Schwimmbad, Theater, Turnsaal entlang einer inneren Fußgängerstraße mit Platzbildungen. Die Familiengruppen mit autonomer Betreuung lebten in fünf mehrgeschoßigen Wohnhäusern unmittelbar am weitläufigen Park im Süden.

Nach Durchsickern der Abrisspläne vor wenigen Wochen lud die „Österreichische Gesellschaft für Architektur“ zur Solidaritäts-Bauvisite vor Ort und organisierte vergangenen Dienstag mit Docomomo Austria – dem Berater der Unesco für die Architektur der Moderne – eine Pressekonferenz. Auf dem Podium herrschte Einigkeit, dass im sozialpädagogischen Spektrum neben den dezentralen Wohngemeinschaften auch die „Stadt des Kindes“ Platz finden sollte. So könnte jedem Heranwachsenden der für ihn optimale Entwicklungsraum geboten werden.

„Die Stadt Wien verabsäumte es, rechtzeitig für einen ihrer genuinen sozial-, kultur- und baugeschichtlichen Pionierbauten nachdem Verlust der Ursprungsfunktion eine adäquate neue Funktion zu finden“, kritisiert der Architekturpublizist Otto Kapfinger das Vorgehen der Stadt: Die Überantwortung dieses Gebäudes an einen Wohnbauträger musste zu großen Schwierigkeiten führen. Die Bauträger strebten eine Gewinn maximierende Vertragsänderung mit Abbruchsmöglichkeiten an: „Das neue Konzept der Bauträger beruht auf der Planung der Architekten Stelzhammer, Lindner und Weber. Architekt Schweighofer war in den Planungsprozess miteingebunden“, ließ Wohnbaustadtrat Michael Ludwig als „Lösung für ,Stadt des Kindes‘“ verlauten. Beides ist falsch. Die „Abriss-Lösung“ stammt nicht von den drei Architekten, Schweighofer wurde damit nur einseitig konfrontiert.

2007 war es den drei Architekten gelungen, durch mehrfach nachjustierte Planungen und Berechnungen die Niedrigenergie-Kennzahlen der Wiener Wohnbauförderung (sogar von Neubauten!) zu erreichen und zudem die Nettonutzfläche deutlich zu erhöhen. So schien alles unter Dach und Fach zu sein, die Bauträger gaben sich aber damit nicht zufrieden. Ihr Abbruchsargument war eine angeblich noch immer zu hohe Kostenschätzung, die nicht einmal die drei Architekten zu Gesicht bekamen.

Daher wird nun in einem von zahlreichen namhaften Institutionen, bekannten Architekten, Kunsthistorikern und Künstlern unterfertigten Protestschreiben eine unabhängige Kostenüberprüfung gefordert, um Alternativen zum Abbruch zu finden. Auch zahlreiche Unterstützungsschreiben aus dem Ausland kritisieren das „Armutszeugnis, dass die Spekulation bedeutendes bauliches Erbe zerstören darf“ (Dietrich Worbs). In der Petition (www. ipetitions.com/petition/stadtdeskindes) wird die Stadt Wien aufgefordert, „ihrer vielfach deklarierten baukulturellen Verantwortung nachzukommen und, in einer offenen, fachkundig und frei von Verwertungsinteressen geführten Diskussion, mit dem Bestand kompatible Nutzungskonzepte zu entwickeln“.

Eine Gruppe von Aktivisten übergab Wohnbaustadtrat Michael Ludwig die Petition. Die Forderung von Sabine Gretner (Grüne) nach Absetzung des Tagespunkts „Stadt des Kindes“ am Mittwoch wurde ignoriert. Beim Stand von rund 500 Unterschriften auf der stetig wachsenden Petition gaben SPÖ und ÖVP grünes Licht für einen Teilabbruch, der nun täglich erfolgen kann.

In Fachkreisen besteht kein Zweifel über das „Baudenkmal von europäischem Rang“ (Dietrich Worbs). Daher forderten 2004 die beiden Denkmalpflege-NGOs Docomomo und Icomos sowie Institute der Technischen Universitäten München, Zürich und Wien und der Akademie der bildenden Künste, die Bundessektion der Architektenkammer, Architektur in Progress, die Architekturstiftung Österreich und das Netzwerk Denkmalschutz die Unterschutzstellung des architekturhistorisch bedeutenden Bauensembles.

Diese Bemühungen scheiterten an Georg W. Rizzi, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesdenkmalamts (BDA). Dem Objekt – soseine Begründung von 2002 – sei in seinem „gegenwärtigen Baubestand zwar durchaus architektonische Bedeutung beizumessen, doch kann sie angesichts der für die weitere Existenzfähigkeit des Baukomplexes absehbaren unumgänglichen Veränderungen nicht die Grundlage für ein öffentliches Interesse an der Erhaltung abgeben“.

Die Volksanwaltschaft übte massive Kritik an der verworrenen Argumentation. Der Passus im Denkmalschutzgesetz bezieht sich auf einen problematischen „statischen oder sonstigen substanziellen (physischen) Zustand“ zum „Zeitpunkt der Unterschutzstellung“, sodass eine falsche Gesetzesauslegung zur Verweigerung des Denkmalschutzes führte. Als Kompromiss sollten Architekt Schweighofer als „Kontrollor“ und das BDA die Umnutzung unter respektvoller Wahrung der Bausubstanz begleiten. Diese Vereinbarung verlor ihre Grundlage, da ein Abriss die Betreuung zur „Sterbebegleitung“ machen würde.

Seit 2002 hat sich Gravierendes verändert. Die neue BDA-Präsidentin Barbara Neubauer gibt sich engagiert. Hatte sie noch 2004 erklärt, dass für ein „objektives Urteil“ über eine Denkmalwürdigkeit „mindestens 50 Jahre verstrichen“ sein müssten, so bekennt sie sich heute zum Schutz bedeutender Bauwerke der 1960er- bis 1980er-Jahre, damit nicht eine „ganze Architekturgeneration verloren geht“. Da ist in Österreich viel aufzuholen, Kulturministerin Claudia Schmied ist gefordert, das personell und finanziell ausgehungerte Denkmalamt aufzurüsten.

Was helfen würde, ist eine adäquate Nutzung. Als Alternativen zum geplanten Auffüllen der Anlage mit relativ kleinen Wohnungen – ein Drittel soll frei finanziert werden – wurden bereits zahlreiche öffentlich-soziale Nutzungen angedacht. Noch bleibt das Prinzip Hoffnung.

20. April 2008 Spectrum

Wo der Speck die Stadt drückt

Salzburg-Lehen kämpft mit Strukturproblemen. Dabei birgt der Stadtteil zwischen Altstadt und Speckgürtel großes Potenzial. Wie man es nutzen kann, zeigen neue Architekturprojekte.

Mit dem Begriff „Zwischenstadt“ beschrieb Architekt Thomas Sieverts die „verstädterte Landschaft“ respektive die „verlandschaftete Stadt“. Die einstigen Vororte oder Dörfer am Rande von Ballungsräumen wuchsen sich in den vergangenen Jahrzehnten zu heterogenen Übergangszonen zwischen Stadt und Landschaft aus. Während beispielsweise in Wien die Zersiedlung des Grünlands, die Randwanderung von Bürokomplexen, Einkaufzentren und Großkinos auch innerhalb der Stadtgrenzen erfolgen, breiten sich in anderen Städten wie Graz, Linz oder Salzburg die Funktionen der Kernstadt hauptsächlich in die Umlandgemeinden aus.
Die Folgen sind ähnlich. Das Fehlen einer effizienten Regionalplanungspolitik ließ raumordnerisch ungeordnete Speckgürtel entstehen. Der Verlust an Nahversorgern ging einher mit erhöhter Abhängigkeit vom Auto. Das trifft die Städte und deren Zentren sowie die Schlafgürtel der Region, während die Speckgürtel prosperieren. In Salzburgs Altstadt hielten sich indes die hohen Mieten, da im vergangenen Jahrzehnt die Flagship-Stores der Bekleidungsindustrie und touristische Monofunktionen boomten.
Die permanente Fokussierung auf die Altstadt ist den anderen Stadtteilen nicht förderlich. Im Spannungsfeld mit dem Speckgürtel zeigt die „innere Peripherie“ – Randbereiche der Altstadt und Viertel wie Itzling im Norden und Lehen in Salzburgs Nordwesten – deutlich Ausdünnungserscheinungen. Lehen – überwiegend im Wiederaufbauboom der 1950er- bis 1970er-Jahre entstanden – ist ein typisches Quartier einer europäischen Stadt. Ohne besondere Sehenswürdigkeit ausgestattet, war Lehen österreichweit bekannt durch das Fußballstadion der Austria Salzburg, die allerdings 2003 in den Speckgürtel (heute FC Red Bull Salzburg) absiedelte.

Mehrere Spekulationsbauten der 1960er- und 1970er-Jahre sind der unübersehbare Beweis der damaligen Effizienz des „goldenen Dreiecks“ aus Politikern, Bauträgern und Hausarchitekten. Gegen weitere massives Verdichtungen begehrten in den 1970er-Jahren die Lehener auf. Die Politik war zur Schaffung von Parks auf teuer gekauften Bausparzellen und zu Verkehrsberuhigungsmaßnahmen gezwungen. Geblieben ist das Images als ein vom Verkehr eingeschnürter und sozial benachteiligter Problemstadtteil.

Dieser Sicht von außen stehen die Ergebnisse einer Milieustudie von 1996 über die Lebensqualität gegenüber. So wurde bei 43 Prozent der befragten Bewohner ein ausgeprägtes Viertelbewusstsein festgestellt. Nichtsdestotrotz hat Lehen mit Problemen zu kämpfen, etwa mit der hohen Bebauungs- und Bevölkerungsdichte. Auf nur zwei Prozent des Stadtgebietes leben 12 Prozent oder rund 14.000 Menschen. Eine städtebaulich ausformulierte Mitte fehlt.
Allerdings finden sich zahlreiche Entwicklungspotenziale. Im Süden steht das Stadtwerke-Areal zur Disposition, in der Siebenstädterstraße das Areal einer abgerissenen LKW-Reparaturwerkstätte. Die Pionierleistung im konstruktiven Stahlbeton-Fertigteilbau wurde 1960 durch die Architekten Gerhard Garstenauer und Wolfgang Soyka geplant. Für den vielfältig nutzbaren Großraum entwickelten die Fachbeamten der Stadt allerdings keine Nachnutzungsszenarien, beispielsweise die Nutzung als multifunktionale Freizeithalle für die Jugend.

Ganz anders die Vorgangsweise beim 1970 errichteten Fußballstadion: Intelligentes Umnutzen sollte Stadtteilreparatur mit Substanz sichern, ohne taugliche Gebäudeteile auf Bauschutthalden zu entsorgen. Klaus Kada, Vorsitzender des Gestaltungsbeirates der Stadt, bezeichnete das Stadion als „unglaublich starkes Element in Lehen“. Das Begutachtungsgremium aus international tätigen Architekten scheute nicht den Vergleich mit dem Diokletianpalast in Split oder dem Kolosseum in Rom.
2002 zeigte eine Initiative von Architekt Thomas Wizany, dass allein die Öffnung der Stadionschmalseiten eine verkehrsberuhigte attraktive Raum- und Platzfolge ermöglichte. Die Stahlbetonstruktur der Tribünen sollte Geschäfte, Wohnungen und ein Seniorenszentrum aufnehmen, das Spielfeld zum Parks mit Stadtteilteich werden. Die Stadtpolitik war sich einig über das städtebauliche Ziel einer „Neuen Mitte Lehen“, nicht aber über die Erhaltung der statischen Grundstruktur. Beim EU-weiten, offenen Architekturwettbewerb „Neue Mitte Lehen“ 2003 waren Erhaltung, Teil- oder Totalabriss möglich.

Für Letzteres entschied sich – wie die meisten Büros – auch die HALLE 1 mit ihrems Siegerprojekt. Die Architekten Gerhard Sailer und Heinz Lang sicherten die essenzielle Mitte des Spielfelds als öffentlichen Park in annähernd gleicher Größe. Die Jury betonte die „Reminiszenz an das ehemalige Stadion mit gewissem Erinnerungswert“. Die Liege- und Spielwiese wird ein Ort der Entspannung. Die beiden flankierenden Neubauten anstelle der Tribünen nehmen Geschäfte, Restaurants, Büros, 48 Mietwohnungen und das Seniorenzentrum mit Veranstaltungssaal sowie die Stadtbibliothek auf. Diese sollte ursprünglich am Verkehrsknotenpunkts Bahnhofsviertel entstehen, welches allerdings in der Politik ohne Lobby ist. Über allem schwebt – 32 Meter über dem ehemaligen Fußballfeld – die markante Sky-Bar. Der zeichenhafte Orientierungspunkt und Eyecatcher soll als neuer „Attraktor“ – so die Architekten – zur Altstadt vermitteln.
Der Spatenstich für das multifunktionale Stadtteilzentrum erfolgte im März 2007, gut acht Jahre, nachdem das Projekt „Entwicklungskorridor Ignaz-Harrer-Straße/Münchner Bundesstraße“ vom zuständigen Ressortchef Johann Padutsch der Öffentlichkeit vorgestellt worden war. Die Stadtplaner wollten „reale Visionen für Lehens und Liefering“ entwickeln. Überholt war damals die städtebauliche Leitidee verordneter Masterpläne, welche radikal ins Stadtgefüge eingreifen. Strategische, punktuelle Interventionen – möglichst vernetzt mit dem sozialen Gefüge des Stadtteils – sollten umsetzbare Impulse generieren. Diese Orte sollten möglichst bald ins Bewusstsein der Bevölkerung, allfälliger Investoren und Wirtsschaftstreibender gebracht werden. Während alle Ideen für Liefering versandeten, sind in Lehen neben der „Neuen Mitte“ drei weitere Planungen auf Schiene.

Direkt an der Ignaz-Harrer-Straße auf dem Fallnhauserareal eröffnete 2006 ein Neubau. 1998 war ein kleines Einkaufszentrum mit Geschäften und Café mit hofseitigem Schanigarten angedacht worden. 2000 entwickelte der Wohnbund Salzburg mit dem Architekturbüro HALLE 1 das Konzept, modellhaft neue Wohn- und Arbeitsformen zu integrieren. Diesen konnte allerdings die Wohnbaugenossenschaft nichts abgewinnen, sodass eine attraktive Architektur mit Geschäften, Büros und im Wesentlichen herkömmlichen Wohnungen entstand.

Auch ein weiteres Hoffnungsgebiet, das ehemalige Areal der abgerissenen Lkw-Werkstätten, soll bebaut werden. Aus dem Eurospan Wettbewerb 2002/2003 ging das „Seniorenzentrum–Tagesstätte–betreutes Wohnen“ als siegreicher Entwurf hervor, den touzimskys herold architektur in Kooperation mit Wolfram Mehlem (Linz) umsetzen werden.

In Süden nahe der zukünftigen S-Bahn-Haltestelle findet sich mit dem ehemaligen Stadtwerke-Areal mit markantem Hochhaus das vierte Gebiet. Den Diskussionsprozess seit 2004 begleiteten eine intensive Bürgerbeteiligung und der Gestaltungsbeirat der Stadt. Architekt Max Rieder entwickelte den Masterplan, der eine Revisionierung innerstädtischen Lebens anstrebt und die Grundlage des dreisstufigen Architektenwettbewerbs bildete.

Das siegreiche Leitprojekt mit Wohnungen, Büros, Labors sowie 300 geförderten Mietwohnungen nördlich des Ost-West-Boulevards stammt vom Wiener Architekturbüro transparadiso (Barbara Holub, Paul Rajakovics, Bernd Vlay). Mit einer weiteren Durchwegung in Nord-Süd-Richtung sowie einem Platz und Grünflächen sollen rund 46 Prozent des Areals frei zugänglich sein. Das streifenförmige Bebauungskonzept nimmt auf einem zweigeschoßigen Sockelgebäude versetzt „Punkthäuser“ auf. Soziale Nutzungen und Geschäfte im Erdgeschoß auf rund 2500 Quadratmetern sollen sich mit kleinen Freiräumen zum Boulevard öffnen und sind wesentlicher Bestandteil des von der Jury forsmulierten Ziels: Ein vielfältiges Wohnmilieu und „urbanes Leben“ sollen durch attraktives innerstädtische Räume, hohe Wohnqualität, halböffentliche Bereiche und öffentliche Freisräume verwirklicht werden.

Im Wettbewerb für den benachbarten Competence Park Salzburg setzten sich Riepl Riepl Architekten für die Revitalisierung des ehemaligen Stadtwerkehochhauses, Berger+Parkkinen für das städtebauliche Gesamtkonzept des Campus und das Atelier Boris Podrecca für den Hotelneubau durch.

Nun startet auch der Umsetzungsprozess der Bebauung. Neben der Qualität der Wohntypologien wird entscheidend sein, ob die Geschäfte und Büros der Erdgeschoßzone – etwa für NGOs – leistbar sein werden. Für die Mietreduktion erhielten Grundbesitzer respektive Wohnbaugenossenschaften deutlich höhere Bebauungsdichten. Das Gelingen dieser Durchmischung ist nicht nur für Erfolg oder Misserfolg des neuen Quartiers wesentlich, sondern zeigt auch, wie hartnäckig die Stadt ihre öffentliche Verantwortung erfüllen kann.

Sehr wünschenswert wäre ein Quartiersmanagement für das „Stadt:Werk:Lehen“, welches das Umfeld einbezieht und die Planungs-, Bau- und Einwohnphase begleitet. Die Stadtplanung kann bedauerlicherweise in ihrer Abteilung auf keinen Sozialplaner zurückgreifen, unterstützt aber diesen Start zu einer erweiterten Stadtteilarbeit. Die Notwendigkeit eines mehrjährigen „Kooperativen Quartiersmanagements“ ist von allen Akteuren bestätigt, eine Finanzierung durch Stadt, Bauträger und Investoren jedoch offen. Insgesamt bekommt Lehen ungleich mehr Aufmerksamkeit als – auf der anderen Salzachseite – das Bahnhofsviertel. Dort geht das Interesse der Politik bis dato über den populistischen Ruf nach mehr Polizeipräsenz kaum hinaus.

15. September 2007 zuschnitt

Wohnen in der Natur

Vor wenigen Wochen gewann Architekt Paul Schweizer den Wettbewerb zu einer als Holzbau ausgeschriebenen Werkstatthalle für das Holztechnikum Kuchl. Ende der 1940er Jahre war die neue »Sägefachschule« im Land Salzburg hingegen in einem gemauerten Gebäude in sogenannter »Heimatschutzarchitektur« von Architekt Erich Horvath eröffnet worden. Damals war nur mehr die Lehrwerkstätte für Holz- und Metallverarbeitung – so ein Zeitungsbericht – in einer »Baracke« untergebracht gewesen.

1952 präsentierte sich das Holztechnikum Kuchl auf einer international organisierten, erstmals in Salzburg veranstalteten fünftägigen Holzfachtagung. Ein Artikel zur Holzforschung formulierte damals den »Willen zum Experiment« als »oberstes Postulat« für einen fortschrittlichen sozialen Wohnungsbau. Es sollte »das Experiment, der wissenschaftliche und praktische Versuch, das erste und letzte Wort haben«. Aber erst Anfang der 1980er Jahre entstand in Salzburg ein architektonisch engagierter Holzbau im Mehrfamilien-Wohnbau. Hier hatte es keine Modellprojekte wie die Fertighaus-Mustersiedlung Wien Veitingergasse (Roland Rainer und Carl Auböck, 1953) oder herausragende Wohnbauten wie jene der Rainer-Absolventen Hans Purin und Gunter Wratzfeld im Vorarlberg der 1960er Jahre gegeben. So leitete erst Gerhard Garstenauers ab 1976 geplantes und 1978 fertiggestelltes eigenes Wohnhaus den konstruktiven Holzbau in Salzburg ein.

Garstenauer, der seine ersten Lebensjahre in einem einfachen Blockhaus in Fusch an der Glocknerstraße verbracht hatte, entwickelte auf einem Grundstück am südlichen Stadtrand Salzburgs für seine fünfköpfige Familie das erdgeschossige, halb unterkellerte Haus. Die Konzeption des Baus war von den Grundstücksgrenzen, dem wertvollen alten Baumbestand, von Sonne, Aussicht, Naturbezug und Topografie bestimmt. Passive Solarnutzung verband sich mit der Schaffung attraktiver Ausblicke nach Süden und Westen.

Das große, flache Pultdach entspricht dem leicht abfallenden Terrain. Da die einzelnen Räume bzw. Raumgruppen – durch einige Stufen getrennt – auf dem jeweiligen Hangniveau liegen, bleibt der Geländeverlauf im Haus spürbar. Der Landschaftsbezug – durch großzügige Verglasungen und Blickbeziehungen gegeben – verzahnt sich mit einer innenräumlich differenzierten Durchwegung. Garstenauer machte durch seine von Klarheit und behaglicher Atmosphäre geprägte Holzarchitektur die Natur »bewohnbar«, Landschaft, Jahreszeiten und Witterung in besonderer Unmittelbarkeit spürbar. Die sensible Einbindung in den Landschaftsraum trägt dazu bei, dass das Haus als Ganzes kaum sichtbar ist, umso mehr überrascht dann seine räumliche Weitläufigkeit.

Kein Teil des konstruktiv stimmigen Ständerbaus, der gemeinsam mit dem auch innen präsenten Pultdach die Grundstruktur bildet, ist verkleidet. Decken und Wandflächen sind mehrschichtig isoliert aufgebaut. Das Haus besitzt keine Fassaden im üblichen Sinne, denn die Außenwandelemente sind von Stütze zu Stütze – fix oder beweglich, voll oder transparent – gespannt. Es ist zur Gänze – von der Konstruktion über den Boden bis zum Möbeldetail – aus massivem Lärchenholz. Die Stützen, Unterzüge, Pfetten und Sparren sind brettschichtverleimt und entsprechend brandbeständig dimensioniert. Garstenauer rechnete das Schwindmaß an allen Detailpunkten aus und konnte die Fugen von vornherein berücksichtigen. Als giftfreie Imprägnierung fand – angeregt von seiner Frau, einer Apothekerin – eine damals neuartige Borsalzlösung innen wie außen Einsatz, die wiederholtes Ausmalen überflüssig macht.

Der warme Farbton der Lärche war ein Grund für die Wahl dieses hochwertigen Baumaterials, eine farbliche Oberflächenbehandlung lehnte Garstenauer ab. Der Architekt hatte damals im Rahmen von Vorlesungen an der Universität Innsbruck grundsätzliche Aspekte zum Thema Behaglichkeit untersucht und »reale wie außerrationale Faktoren« für die »Unschlagbarkeit« von Holz gefunden: »Das Holz als Hauptbaustoff sorgt für „Kühle“ im Sommer und für „Wärme“ im Winter. Auch bei großer Kälte genügen 20 Grad mittlerer Raumtemperatur, da die relative Luftfeuchtigkeit nicht unter 40 Prozent sinkt. Höchste Behaglichkeit ist auf diese Weise gepaart mit geringstem Energieaufwand.« Die ursprünglich von einer Wärmepumpe versorgte Fußbodenheizung wird nur in Extremfällen von einigen Radiatoren unterstützt. Der mehrschichtige Aufbau der Decken- und Wandflächen und Dreifachverglasungen ermöglicht – so Garstenauer – einen U-Wert von 0,3W/m²K. Die Baukosten entsprachen den üblichen Kosten für Mauerwerksbauten.

Ursprünglich nutzte Garstenauer zusätzlich zum Stadtbüro zwei Atelierräume im Eingangsbereich. Vor rund zehn Jahren baute er diese und zwei ehemalige Kinderzimmer zur Wohnung für die Familie seines Sohnes um. Der vorausschauende Einbau von Sanitäreinheiten erleichterte diese Umnutzung und zeigt die Flexibilität des architektonischen Konzepts. Ein drittes Zimmer wurde zum Atelier des heute 82-jährigen Architekten erweitert.

Das Haus, das beim österreichischen Holzbaupreis 1984 eine Anerkennung erhielt, ist nach wie vor in hervorragendem Zustand. Der dem Grundkonzept innewohnende konstruktive Holzschutz und die sorgfältige Detaillierung führten im Außenbereich nur zu dezenter Patina und beugten jeglichem Schadensfall vor. Lediglich eine wegen ihrer Länge nicht aus einem Stück gefertigte Dachrinne aus Holz wurde kürzlich ausgetauscht.

Im konstruktiven Holzbau des Landes Salzburg der Nachkriegsjahrzehnte stellt dieses Gebäude eine singuläre Leistung dar. Als Modell einer zeitgemäßen Wohnform für den alpinen Raum fand es zwar keine Nachfolger, trotzdem hat sich in den letzten Jahrzehnten erfreulicherweise ein architektonisch anspruchsvoller Holzbau in Salzburg entwickelt.

25. März 2007 zuschnitt

Hand in Hand

Vor wenigen Jahren entstand am Rande Bergheims – einer Speckgürtel-Gemeinde nördlich der Stadt Salzburg – das gestalterisch dürftige Freibad »Bergxi«. Direkt am Ufer der Fischach diente eine rund 20 mal 40 Meter große Asphaltfläche in warmen Jahreszeiten als Minigolfanlage. Die zusätzliche Verwendung als Eislaufplatz im Winter war ohne Sonnen- und Witterungsschutz nur eingeschränkt und betriebskostenintensiv möglich.

Die sinnvolle Überdachung der Eisfläche realisierte 2005 das Grazer Architektenbüro mfgarchitekten nach mehrmonatiger Planung in drei Monaten Bauzeit. Die beiden Architekten Friedrich Moßhammer und Michael Grobbauer entwickelten gemeinsam mit Tragwerksplaner Johann Riebenbauer eine einfache Holzkonstruktion mit teilweise ausgekreuzten Pendelstützenfeldern, Leimholzdachträgern und einer aussteifenden Dachplatte aus Brettsperrholz.

Die Eislaufplatz-Nutzung war entscheidend für die Wahl des wärmeträgen Materials Holz. Die Kondensatbildung wird durch die natürliche Durchlüftung der Konstruktionsteile bzw. des offenen Hallenraums verringert. Besonnung und abends Kunstlicht im Dachraum tragen dazu bei, dass die offene Holzkonstruktion möglichst trocken und schimmelfrei bleibt. Die sägeraue Behandlung der Deckenelemente aus Fichtenholz erhöht deren Sorptionsfähigkeit.

Die tatsächliche Höhe des Dachtragwerks bei der Querspannweite von 20 Metern ist hinter der rund eineinhalb Meter auskragenden Dachplatte kaum wahrnehmbar. Ein Holzlattenrost lässt ihre Untersicht homogen erscheinen. Die schwebende Wirkung des Daches fördern die statisch freigespielten Ecken und die Reduktion der Stützen auf 24 mal 24 Zentimeter. Diese Holz-Pendelstützen treten als tragende Elemente in den Hintergrund und wirken in die Wandstruktur integriert. Die drei der vier Außenwände mit Sonnenschutz-Elementen präsentieren sich im Duktus offener und geschlossener Flächen, wenn alle raumhohen Schieberahmen – wie manuell leicht möglich – geöffnet sind. Von innen erscheint die mit blaugrauem Polyestergewebe bespannte Hülle durchlässig, manchmal annähernd transparent, zum changierenden Raumeindruck trägt das zentrale Oberlichtfeld bei. Blendungen werden durch den Holzlattenrost als Deckenuntersicht vermieden. Die künstliche Belichtung erfolgt durch Strahler indirekt im Dachraum und direkt auf die Nutzfläche. Die reflektierenden Holzflächen tragen zur warmen Lichttemperatur bei.
Erhöhte Sicherheit durch Eliminierung potenzieller Fehlerquellen

Wenige Monate nach der Eröffnung – am 2. Jänner 2006 – ereignete sich in der Eislaufhalle in Bad Reichenhall im benachbarten Bayern eine Tragödie. Beim Einsturz des Hallendachs starben 15 Menschen. Das Unglück setzte eine Diskussion hinsichtlich der Gewährleistung der Sicherheit von Hochbauten in Gang, die Bevölkerung war sensibilisiert. Die Schneefälle mit entsprechenden Lasten auf den Dächern führten Anfang Februar 2006 auch zu besorgten Anrufen in der Gemeinde Bergheim. Die Dachränder der Halle wurden abgeschaufelt – »nicht wegen Einsturzgefahr«, wie der Amtsleiter der Gemeinde Anton Zitz betont, »sondern vorbeugend«.

Nachdem beobachtet worden war, dass sich die 20 Meter überspannenden Träger um ca. 5 cm durchbogen, kontaktierte man Johann Riebenbauer:

»Die veränderlichen Lasten wurden nach den damals gültigen ÖNORMEN berechnet und mit insgesamt ca. 1,6kN/m² angesetzt. Damals war in den veränderlichen Lasten noch eine »Instandsetzungslast« enthalten, unter der sich das Tragwerk ca. 5 cm verformen darf. Die geltenden neuen ÖNORMEN ergeben eine Schneelast von ca. 1,8kN/m², eine Nutzlast für Instandsetzungsarbeiten ist nun mit der Schneelast nicht mehr zu überlagern. Das bedeutet gegenüber der Volllast eine nur ca. 9-prozentige Erhöhung.« Diese Überschreitung der zulässigen Lasten ist laut Riebenbauer für diese Tragstruktur bezogen auf das im Holzbau laut Norm vorhandene Sicherheitsniveau unbedeutend.

Generell gilt im Bauwesen ein Sicherheitsniveau von ca. 100 bis 150%, also mindestens das Doppelte der zulässigen Grenzwerte. Dieses Sicherheitsniveau deckt nicht genau bestimmbare Randbedingungen wie Unsicherheiten bei den Lastannahmen, Ausführungsungenauigkeiten, Materialfehler u.a.m. ab. Bei einer weitgehenden Reduktion dieser Fehlerquellen könnte im Extremfall fast die doppelte Schneemenge am Dach sein, ohne dass – so Riebenbauer – das Tragwerk einstürzen dürfte. Daher stellt ein nach den alten Lastnormen richtig bemessenes und auch richtig ausgeführtes Tragwerk bei nunmehr höheren Schneelasten (bis ca. 50% Überlast) kein Problem dar. Ein Tragwerk könnte sich nur etwas mehr als sonst üblich verformen und möglicherweise zu Rissen bei Gipskartonanschlüssen etc., nicht aber zum Einsturz des Tragsystems führen.
System, Herstellung und Montage

Übereinander gestapelte Bauelemente sind wesentlich fehlerresistenter als komplexe Tragstrukturen mit aufwändigen Knotenausbildungen und Anschlussdetails. Das Tragsystem der Halle in Bergheim verringert Fehlerquellen und Unsicherheiten: Die Dachplatte wurde auf die Träger gelegt, diese wiederum auf die Stützen aufgesetzt. Beim Aufeinanderlegen kann man bezüglich der Ausführung eigentlich keine Fehler machen. Bei richtiger Trägerdimensionierung ist – so Riebenbauer – das Bauwerk »mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch für höhere Schneelasten ausreichend sicher«.

Beim Hallendach in Bergheim würde z.B. das Versagen eines einzelnen Hauptträgers nicht zum Einsturz der Halle führen, da die darüber liegenden Brettsperrholz-Dachplatten als Durchlaufträger ausgebildet worden sind. Im Falle des Versagens eines Trägers oder einer Stütze würden sich die Dachlasten auf die Nachbarträger umverteilen. Der »gebrochene« Träger würde an den Dachplatten hängen bleiben und nur kleine Teile würden von der Decke fallen. Ein Gesamteinsturz der Halle ist damit sehr unwahrscheinlich. Somit erhöht auch die Wahl des Tragsystems die »Gesamtsicherheit«.

In manchen Ländern wie z.B. England ist bei mehrgeschossigen oder öffentlich genutzten Gebäuden beim Versagen von Einzelbauteilen eine Begrenzung des Einsturzbereichs vorgeschrieben. Auch in Bergheim wurde dieses Prinzip umgesetzt. Johann Riebenbauer verwendet es abhängig von der Wichtigkeit der Gebäude und den Realisierungsbedingungen: »Die Ausführungsqualität ist in Österreich leider sehr unterschiedlich. In Ausschreibungen oft geforderte Werk- und Montagepläne gibt es meist nicht oder werden aus Termin- und Kostengründen eingespart. Wie die Struktur aber vor Ort ausgeführt werden soll, ist den Monteuren dann nicht wirklich klar und sie arbeiten eher nach Gefühl bzw. wie sie es eben „schon immer gemacht“ haben. Hier kann mit der Wahl der Bauelemente und des Tragsystems gegengesteuert werden. Auch bei Statikerleistungen werden häufig nur grobe Vorbemessungen bezahlt, um Honorar zu sparen. Die Verantwortung wird hier oft an Firmen übertragen (versteckt in den Vorbemerkungen von Ausschreibungstexten), die sich der Problematik und Verantwortung gar nicht richtig bewusst sind. Die Zimmermeisterausbildung ist viel zu kurz, um hier alle baupraktisch vorkommenden Fälle abdecken zu können, und wie oft ist der Zimmermeister selbst auch schon vor Ort, um die Ausführung zu kontrollieren?« Die Leichtigkeit der Tragstruktur lässt Fehler während der Ausführung nicht zutage treten, die Personen- oder Schneelasten sind aber oft ein Vielfaches des Eigengewichts. So zeigen sich manche Ausführungsfehler auch erst nach Jahren und bei gegenüber den Normen geringeren Lasten.

»In Bergheim ging die Zusammenarbeit aller Beteiligten bis ins Detail Hand in Hand und man konnte sich mit dem Statiker auf gute Lösungen einigen, ohne das architektonische Konzept zu verlassen«, betonen die Architekten, und Riebenbauer ergänzt: »Bei einem ordentlichen Planungsablauf mit richtig verteilten Verantwortungen können gravierende Fehler mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vermieden werden.« Daher sollten bei großen Tragwerken von der ausführenden Firma nicht gleichzeitig die statischen Berechnungen durchgeführt werden, auch wenn dies für den Auftraggeber finanziell am günstigsten zu sein scheint, weil die nötige fachkundige Kontrollinstanz fehlt. Es ist sogar sinnvoll, bei komplexeren Tragstrukturen einen dritten Fachmann beizuziehen, denn es gilt einen Aspekt zu minimieren: »Absolut sicher ist im Bauwesen leider nichts!«

21. Oktober 2006 Salzburger Nachrichten

Wie ein großes Spielgerät

Das Sonderpädagogische Zentrum Hallein (SPZ) der Architekten Klaus Kada und Gerhard Wittfeld erhielt den Landesarchitekturpreis 2006.

Zum vollständigen Artikel im „Salzburger Nachrichten“ Archiv ↗

21. Juni 2006 newroom

Ein Haus für Holzbauer

Eine „arglistige Täuschung“ durch eine demokratische Landesregierung nannte der Schweizer Juror Carl Fingerhuth den Alibi-Architektenbewerb für das „Haus für Mozart“ in Salzburg. Die Beauftragung Wilhelm Holzbauers brachte einen mittelmäßigen Neubau.

Es gab einen historischen Moment, an dem es gelungen ist, die konkurrierenden Projekte von Holzbauer und Valentiny zusammenzuführen – woran ich nicht ganz unbeteiligt war.“ Der Intendant der Salzburger Festspiele, Peter Ruzicka, zeigte sich gegenüber der apa zufrieden. Mit Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und Landeshauptmann Franz Schausberger schwärmte er bereits vor dem Verhandlungsverfahren 2001 über Holzbauer, ohne freilich „Entscheidungen vorwegnehmen“ zu wollen (Kurier, 2. 9. 2001). Holzbauers Fanclub war nicht am Wettstreit der Konzepte der fünf geladenen Architektenteams zur Findung der optimalen Lösung interessiert. Das ist unverantwortlich. Den Festspielen, die in massiv wachsendem Wettbewerb mit anderen Festivals stehen, sollte eigentlich das Beste gerade gut genug sein.

Konkurrenz eliminiert

Ruzicka dirigierte bei der Eliminierung von Holzbauers Konkurrenten eifrig mit. Man sollte Eraldo Consolascio dahingehend informieren, dass er – so ein Aktenvermerk vom 12. 7. 2002 – „an sich auszuscheiden wäre, der Auftraggeber aber von einer Ausscheidung unter der Voraussetzung absieht, dass sich Consolascio im weiteren Vergabeverfahren ruhig verhält. Dies hätte für Arch. Consolascio den Vorteil, dass er sich die Peinlichkeit einer Ausscheidung aus dem Vergabeverfahren erspart und andererseits damit Werbung machen kann, dass er unter die letzten Fünf im Wettbewerb Kleines Festspielhaus gekommen ist.“ Derart überheblich-abfällig äußerste sich der feinsinnig-kultivierte Musikmann bei dem nach Auffassung von Juristen „grob rechtswidrigen“ Versuch einer Bieterabsprache. Sie scheiterte. Ausgerechnet das Projekt der renommierten Schweizer Architekten Bétrix & Consolascio wurde bei der Verfahrenswiederholung 2002 erstgereiht. Zur Eliminierung ihres ungleich besseren Konzepts beauftragte Landesbaudirektor Alfred Denk das fragwürdige Gutachten des Technikers Wilhelm Spirk. Der Auftrag an Holzbauer/Valentiny war Ruzickas „historischer Moment“. Über Holzbauer und das kontinuierlich in dessen Sinne entscheidende Bundesvergabeamt in Wien hatte sein ehemaliger Schüler François Valentiny am 17. 4. 2002 im Standard erklärt: „Hier werden Steuergelder verplempert, weil ein ignoranter, schlechter Architekt gemeinsame Sache mit einem Amt macht und ein Verfahren unnötig in die Länge zieht. […]

Er baut seit 20 Jahren nur mehr miese Investorenarchitektur.“ Valentiny bildete damals mit Hubert Hermann in arge mit Wimmer/Zaic ein Team und lief wenig später zu Holzbauer über. So musste er sich nicht mehr über das Bundesvergabeamt ärgern und durfte an der „Investorenarchitektur“ mitplanen.

Holzbauers neues Auditorium ist erfüllt vom Pathos, das sein ganzes Œuvre durchzieht, wurde hier allerdings zu spröder, konventioneller und kraftloser Dekoration. Überreichlich Goldfarbe kann – eingesetzt bei der unbeholfenen Rasterstrukturierung der Wände, den Decken und Ranguntersichten – den heterogenen Raumeindruck nicht übertünchen. Die Anbindung der schräg angeordneten Ränge zum gestuften Wandraster ist ebenso holprig wie die Überleitung des Wandrasters mit Abschlussgesims zur Deckenwölbung. Kein intimer Raum für Mozarts feinsinnig-sinnliche Kunst wurde geschaffen. Eine der vielen zeitgemäßen Alternativen ist der gleichzeitig neu strukturierte Saal des Bregenzer Festspielhauses von Dietrich & Untertrifaller. Ihr Wettbewerbsiegerprojekt ist wie ein Musikinstrument in warm getöntem Akazienholz konzipiert.

Konnte Holzbauer zumindest die optischen und akustischen Unzulänglichkeiten beseitigen? Die weiteste Entfernung Bühne-Sitzplatz bei dem gleichförmigen „Holzschlauch“ von 1963 lag bei 43 Metern. Der schlechteste Sitzplatz ist leider noch immer 39 (!) Meter vom Eisernen Vorhang entfernt. Die Reduktion der Entfernung Bühne-Zuschauer auf ein Maß „kleiner als 30 Meter“ war 2001 eine richtige Forderung an alle Architektenteams. Optimale Mozart-Spielstätten wie das Theater an der Wien, das Opernhaus Zürich oder Glyndebourne liegen alle unter der 30 Meter-Marke. Rund 400 Plätze überschreiten sie bei Holzbauers Neubau: Das 2002 erstgereihte Umbau(!)-Projekt von Bétrix & Consolascio kam – bei ebenfalls 1500 Sitzplätzen – auf maximal 35 Meter und 113 Plätze über 30 Meter, das Neubauprojekt von Domenig/Eisenköck/Lorenz sogar auf 33 Meter herunter.

Holzmeister-Erbe zerstört

Holzbauer machte trotz der erstmaligen Möglichkeiten zu einem Neubau das Auditorium nicht zum räumlich-architektonischen Nukleus, sondern betonierte die Mauern an die gleiche Stelle nur etwas dünner wieder auf. Im Zusammenhang mit der sinnvollen Neustrukturierung der benachbarten Felsenreitschule wäre sogar eine deutliche Verbreiterung ohne Abriss der Fassade des Festspielhauses von Clemens Holzmeister von 1926 leicht möglich gewesen.

2001 erklärte Holzbauer – „Holzmeisters Erbe“ –, die Aufstockung der Fassade seines Lehrers Holzmeister im erstgereihten Projekt des Verhandlungsverfahrens schützen zu wollen. Die Sorge war nur vorgeschützt. 2002 riss Holzbauer den Planungsauftrag endgültig an sich, 2003/04 mittels Statikergutachten die Holzmeister-Fassade von 1926 komplett ab. Diese war die „Basis und der Auftakt für das ganze Ensemble“ des Festspielbezirks, so der renommierte Architekturhistorikers Friedrich Achleitner. Der Meilenstein für die Architektur der Zwischenkriegszeit in Salzburg drückte gemeinsam mit dem benachbarten Kolleg St. Benedikt in St. Peter von Peter Behrens (1924/26) erstmalig in der Altstadt eine neue Haltung aus: Anstelle plakativ-historisierender Anpassung bezogen sich die Architekten kreativ auf Bautradition, Geschichte und Ort, erzielten eine Eingliederung in den historischen Kontext. In diesem Geist interpretierte Holzmeister auch 1937/38 den neuen monumentalen Bühnenturm als Bastion des anschließenden Mönchsbergfelsens.

Holzmeisters von Kunstwerken begleitete Raumfolge vom Eingansportal zum Faistauer-Foyer beeindruckte in ihrer Kompakt- und Klarheit. Die von Jakob Adlhart 1926 geschaffene Mimenmaske in der Portal-Lünette vermittelte raffiniert zwischen Innen und Außen. Seinen Vorbau von 1937 ersetzte Holzbauer durch ein sehr massives, zu hoch situiertes Flugdach. Holzbauer schloss die Lünette von 1926 und präsentiert die symbolträchtige Maske auf einem schweren, gestockten Betonsockel. Was als „Weiterentwicklung“ der holzmeisterlichen Fassade gesehen werden soll, ist deren monumentalisierende Aufblähung. Holzmeisters „Kleines Haus“ besaß mit dem Terrassenvorbau 1926 und den Volumina von 1937/38, dem Garderobentrakt und schließlich der Bühnenturmbastei eine plastische Steigerung in drei Stufen. Holzbauers verdoppelter Terrassenvorbau tritt nicht mehr mit Holzmeisters feingliedrig monumentalisiertem Bühnenturm in Dialog. Das Erdgeschoß als Sockel aus gestocktem Beton erhielt die Aufgabe, der in den Obergeschoßen spannungslosen Fassade Halt zu geben.

Die „Sachverständigen“

Während die für die unesco tätige Organisation ICOMOS Österreich die Erhaltung der Holzmeister-Fassade von 1926 forderte, genehmigte die Sachverständigenkommission für die Altstadterhaltung (svk) den Abbruch. Sie begutachtete auch unzählige Male Holzbauers Neubauprojekt. Besonders unüberlegt platzierte Holzbauer vor dem Eingang als „erweitertes Foyer“ Dach und Wandscheibe hakenförmig. Dieser so genannte Sichtschutz war eine Abmauerung quer zum Gehsteig und reichte sogar in die Straße. Zwar verschwand bei der Realisierung die absurde Mauerscheibe quer zum Gehsteig, dafür sitzt das zu hohe Vordach nun zusammenhanglos in einer Fassade, deren gliedernde Akzentuierungen verloren gingen. Der Terrassenvorbau „gewann“ an Banalität.

„Es wird nur noch Sieger geben“, meinte Ruzicka im apa-Interview. Sieger sehen aber anders aus, auch Meister. Holzbauer suchte oberflächlich Referenzen bei Holzmeister, dessen architekturhistorisch für das 20. Jahrhundert bedeutende Fassade er eliminierte. Das konventionelle Haus von Holzbauer wird weder Holzmeister gerecht, noch bietet es Ansätze, die es zu einem gewichtigen architektonischen Beitrag des frühen 21. Jahrhunderts in Salzburg machen könnten.

27. Mai 2006 Salzburger Nachrichten

Hallo Nachbar

Produktionen der Salzburger Festspiele erreichen höchste Qualität. Beim „Haus für Mozart“ beauftragten sie konventionelle Architektur.

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26. Februar 2005 Der Standard

Spannungsfeld Salzburger Stadtraum

Die umstrittenen Raumprogramme fürs Gegenüber des Salzburger Festspielhauses

Die Salzburger Festspiele wünschen sich eine Neugestaltung des Max-Reinhardt-Platzes als Entree zum Festspielbezirk. Seit gut einem Jahr plant das Salzburger Architekturbüro one room an einem Pavillon, der mehr oder weniger seinem Siegerprojekt des Wettbewerbs 2003 entspricht.

Der Max-Reinhardt-Platz ist als Vorplatz des Kleinen Festspielhauses ein prominenter Ort in der Salzburger Altstadt. Die Verhüttelung des Platzes mit Brunnen, Auto- und Fahrradabstellbereichen kulminiert in den Festspielwochen mit temporärem Postamt, Sektbar und TV-Übertragungswagen. Hofstallgasse und Platz sind auch Pausenfoyer der beiden Festspielhäuser und weisen in der Überlagerung von Passieren und Flanieren eine Tradition einer spezifischen Qualität auf. Dieser Stadtraum an der touristischen Ameisenstraße bildet einen Schnittpunkt zwischen hochkulturellen Blitzlichtern, universitärer Lehre und städtischem Alltag mit Markt und Mittagsjause im Furtwänglergarten.

Als Planungsstadtrat Johann Padutsch 2003 für die städtebaulich anspruchsvolle Neugestaltung einen international geladenen Wettbewerb durchführen ließ, hatten einige Anlieger bereits Tatsachen geschaffen. Den Salzburger Festspielen ging es beim „Haus für Mozart“ weder um eine Einbeziehung des Platzes noch um die bestmögliche Lösung unter den fünf Vorschlägen des Verhandlungsverfahrens, sondern primär um die Beauftragung von Wilhelm Holzbauer. Das Ergebnis ist paradox. Holzbauer opferte bei seinem Neubau des „Kleinen Festspielhauses“ zwar entgegen früherer Beteuerungen die architekturhistorisch bedeutende Fassade seines Lehrers Clemens Holzmeister (1926), nutzte aber nicht die Möglichkeit einer deutlichen Verbreiterung des bekanntlich zu schmalen Zuschauerraums.

Die ARGE Domenig / Eisenköck / Lorenz hatte einen Neubau mit stark verbreitertem Zuschauerraum vorgeschlagen. Den entsprechenden Eingriff in die Fassade lehnte die Sachverständigenkommission für Altstadterhaltung (SVK) am 28. 8. 2002 ab, während sie später Holzbauer zum Komplettabbruch anregte.

Auf der anderen Seite der Hofstallgasse entschied die Universität, den Eingang der Aula Richtung Festspielhaus zu verlegen. Direkt beauftragt, plante Architekt Franz Fonatsch den aufwändigen Kraftakt eines neuen Zugangs mit Foyer und Stiegenhaus. Die Vorteile einer intelligenten Sanierung und Verbesserung unter Nutzung der bestehenden Erschließung wurden von der SVK nicht geprüft, sondern das Projekt von Mitglied Fonatsch abgesegnet. Er stellte in die historische Aula einen raumzerstörenden Tribünenkobel. Der von Stadtrat Padutsch eingeschaltete Gestaltungsbeirat (GB) konnte erreichen, dass die Aulastiege im angrenzenden Furtwänglergarten beim Wettbewerb 2003 mitbehandelt wurde. Neben der Gestaltung von Platz und Hofstallgasse wurde eine Baulichkeit von bis zu 400 Quadratmetern gewünscht, problematischerweise ohne Raumprogramm, da sich die Festspiele zu dessen Erstellung nicht imstande sahen.

Das erfolgreiche Projekt der Salzburger Architekten Georg Huber und Karl Meinhart wurde - wie auch viele andere - am neuen Aulaeingang „angehängt“. Der Stiegenvorbau von one room reagierte in seiner Lagerung ungleich besser auf die Situation in der Gartenecke als das zweiarmig-symmetrische Treppenprojekt von Franz Fonatsch. one room realisierte mittlerweile den Stiegenvorbau als erstes Modul des Gesamtkonzepts. Ein überhöht liegender Screen soll den Beginn eines sich als skulpturales Stahlband entwickelnden Baukörpers markieren. Dieses erstreckt sich am Boden entlang, wird zur Treppe und endet als erhöhte Plattform. Das von versenkbaren Glaswänden umschlossene „Kulturcafé“ darunter sollte größtmögliche Transparenz gewährleisten.

Dann tagte eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Stadt, Festspielen, BIG und Universität. Die Überarbeitung „Kompakt“ Anfang 2004 führte zu einem erdgeschoßigen Café-Pavillon anstelle des abgetreppt-begehbaren Projektes, wurde von SVK und Bundesdenkmalamt akzeptiert und von den Architekten mitgetragen. Sichtdicht und ohne die suggerierte Transparenz und optische Durchlässigkeit des Wettbewerbsmodells formulierte das Projekt eine augenscheinlich massive Zäsur am Übergang des Freiraums vom Platz zum Park.

Die spezifische Qualität dieses Stadtraums - so die präzise Analyse des Stadtforschers Gerhard Plasser - liegt in einem „Oszillieren zwischen Platz, Garten und Vedute“. Daher sind die Durchlässigkeit zwischen Platz, Garten und Richtung Kirche sowie ein sensibles Reagieren auf vorhandene Sichtbeziehungen bei der Standortwahl von großer Bedeutung. Es überrascht nicht, dass der Doyen der Salzburger Architekten einen alternativen, leicht verschobenen Standort entwickelte. Gerhard Garstenauer schlug den Pavillon im Kreuzungsbereich der Achsen des neuen Aulaeingangs und der Kollegienkirche vor.

Auch der GB lehnte den als Schachtel kritisieren Café-Pavillon ab und forderte eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Siegerprojekts. Heftig war auch im Jänner 2005 die Projektkritik von Architekt Klaus Kada, dem Vorsitzenden der Jury 2003, und des Beirats. Eine Reduktion auf die skulpturale Grundkonzeption wurde angesagt. Zurzeit entwickeln die Architekten in Abstimmung mit zwei Mitgliedern des GBs das Projekt weiter, das am 3. März der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Da nun der Bau - großzügig unterstützt von einer Mäzenin - im Untergeschoß einen 400 Quadratmeter großen Ausstellungsraum aufnehmen wird, soll das Foyer mit Café im Erdgeschoß als frei formulierter Körper auf rund 150 Quadratmeter reduziert werden.

Ob damit das Bauwerk jene wünschenswerte Durchlässigkeit erreicht, die eine Verbindung zwischen Park und Platz sicherstellt, ist abzuwarten. Die Option einer Standortveränderung sollte nicht a priori mit dem Totschlagargument Fertigstellung Mozartjahr 2006 vom Tisch gewischt werden. 2006 ist schließlich auch der 350. Geburtstag von Johann Bernhard Fischer von Erlach, dem genialen Architekten der Kollegienkirche. Wichtig wäre, dass die SVK ihre bereits befürwortete Verlängerung des befristet errichteten Pavillons für Kunstwerke von Anselm Kiefer im Furtwänglergarten rückgängig macht. Durch seine zentrale, alles beherrschende Lage macht er nämlich den Frei- zum Umraum

19. Februar 2005 Salzburger Nachrichten

„Münchner Schwimmreifen“

Zum Olympiastadion er-hält München ein weiteres Wahrzeichen moderner Architektur: Die "Allianz-Arena"der Architekten Herzog & de Meuron.

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11. Februar 2005 Salzburger Nachrichten

Bibliothek im Schwimmbad

Was in der Pädak einst Hallenbad war, ist heute Bibliothek. Bauherr und Architekten wurden für die Neugestaltung mit Preisen ausgezeichnet.

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5. Februar 2005 Salzburger Nachrichten

Architektur als soziales Anliegen

Heinz Lang und Gerhard Sailer erhielten für ihr Gesamtwerk den Architekturpreis des Landes Salzburg. Mit dem Architekturbüro HALLE 1 sind sie die erfolgreichsten Baukünstler in der lokalen Architekturszene, deren hohes Kreativpotenzial äußerst erfreulich ist.

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5. Februar 2005 Salzburger Nachrichten

Architekturpreis des Landes Salzburg

„Die erbrachten Leistungen müssen eine Auseinandersetzung mit den Problemen der heutigen Zeit darstellen und sollen eine verstärkte Bewusstseinsbildung für zeitgemäßes, qualitätvolles Bauen in der Öffentlichkeit, bei den Bauherren/-innen, bei den Architekten/-innen bewirken.“ So lautet eine wesentliche...

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18. Dezember 2004 Salzburger Nachrichten

In Wien eine „Stadt des Kindes“

„Ein Bau als Meeresbucht und Hafenstadt“ - So beschrieb Dichter Michael Guttenbrunner die von Architekt Anton Schweighofer geplante „Stadt des Kindes“. Das Denkmalamt verweigert eine Unterschutzstellung des besonderen Bauensembles der 70er Jahre.

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Publikationen

2013

LP Architektur
Bauten und Projekte 2008-2014

LP architektur hat in den Jahren seines Bestehens ein vielfältiges Oeuvre geschaffen. Den Durchbruch bedeutete das Österreich-Haus für die Winter-Olympiade in Turin. Seine Bauten setzen Bausteine regionaler Identität und finden sich längst auch außerhalb der Region. Die Auswahl von 23 Bauten schließt
Hrsg: Norbert Mayr
Verlag: Ambra Verlag

2010

Baukunst in Salzburg seit 1980
Ein Führer zu 600 sehenswerten Beispielen in Stadt und Land

Salzburg ist reich an Architektur und ebenso an Debatten darüber. Man erinnere sich nur an das Kongresshaus, das Haus für Mozart und den Max-Reinhardt-Platz, das Heizkraftwerk Mitte oder das Guggenheim-Museum. Etliche Publikationen über die moderne Architektur in Salzburg sind in den letzten Jahrzehnten
Hrsg: Initiative Architektur
Autor: Norbert Mayr, Otto Kapfinger, Roman Höllbacher
Verlag: Müry Salzmann Verlag

2006

LP architektur
Bauten und Projekte. Buildings and Projects 2000–2007

Niveau und Breite zeitgemäßer Architektur in Vorarlberg setzen auch für andere österreichische Bundesländer Maßstäbe, ist deren allgemeine Akzeptanz auch noch sehr unterschiedlich. In Salzburg wachsen neben der vitalen und vielfältigen Szene in der Stadt die Aktivitäten auch in der Region mit engagierten
Hrsg: Norbert Mayr
Verlag: SpringerWienNewYork

2006

Stadtbühne und Talschluss
Baukultur in Stadt und Land Salzburg

Die beste Architektur erfüllt ihren Zweck nicht, wenn sie am falschen Ort steht. Zeitgemäße Architektur ist für die Gestaltung unserer Umwelt unverzichtbar. Entscheidend ist dabei die Qualität sowie das sensible Reagieren auf den Kontext. Für Stadt und Land Salzburg trifft dies in besonderem Maße zu,
Autor: Norbert Mayr
Verlag: Otto Müller Verlag