Akteur

Hans-Jörg Ruch
St. Moritz (CH)

Architektonische Hüllen für die Kunst

Neue Galeriebauten in der Schweiz

Ideale Bedingungen für die Präsentation von Kunst sind für Galeriegebäude von zentraler Bedeutung. Dabei müssen sie nicht notwendigerweise mit dem «White Cube» der Moderne aufwarten, wie drei kontextuell geprägte Schweizer Beispiele belegen.

1. Juli 2005 - Hubertus Adam
Das Basler Büro Diener & Diener ist für seine subtile Auseinandersetzung mit dem Kontext bekannt, und viele seiner Bauten und Projekte reagieren auf bestehende Bausubstanz. Das gilt auch für die Museen und Galeriegebäude von Diener & Diener - handle es sich um das Centre PasquArt in Biel, die Sammlung Rosengart in Luzern oder die in Bau befindliche Galleria Nazionale d'Arte Moderna in Rom. Das neuste vollendete Beispiel ist der Erweiterungsbau des Auktionshauses Stuker in Bern. Dieses residiert hoch über dem Bärengraben am Alten Aargauerstalden. Anders als eine traditionelle Galerie mit ihrem kontinuierlichen Betrieb, bei dem einzig die Vernissagen zu erhöhtem Publikumsaufkommen führen, vereint ein Auktionshaus verschiedene Funktionen und verändert sich ständig hinsichtlich räumlicher Anforderungen: Während der Einlieferungszeit der Kunstwerke ist es ein sich ständig vergrösserndes Magazin und eine Forschungsstätte, während der Vorbesichtigung eine Galerie, während der Auktion ein pulsierender Marktplatz - und im Anschluss an den Nachverkauf beginnt der Zyklus aufs Neue. Der Raum, den Kunstwerke und Publikum beanspruchen, verändert sich dabei ständig: Mal ist das Haus leer, dann wieder zum Bersten gefüllt. Von diesem Wechsel ausgenommen sind nur die Zonen für Verwaltung und wissenschaftliche Recherche.

Im Schatten der Villa

Die zweigeschossige neobarocke Villa, die ebenfalls vom Basler Büro restauriert wurde, hat Roger Diener durch einen Neubau ergänzt, wobei ein leicht zurücktretendes Treppenhaus zwischen beiden Bauteilen vermittelt. Der Neubau erscheint als zweigeschossige Vitrine: Geschosshohe Verglasungen, vor denen braune Kunststoffvorhänge als Sonnenschutz fungieren, prägen die Hauptansicht. Dahinter verbergen sich die Empfangsräume im Erdgeschosse; im Obergeschoss, das durch eine Galerie unterteilt wird, finden sich Bibliothek und Verwaltung. Eingeschossig schliesst sich daran ein langgestreckter Baukörper an, der durch Wände, die sich um 90 Grad schwenken lassen, längs oder quer unterteilt werden kann. Die für die Vorbesichtigung zweckmässige Abfolge von vier Ausstellungskabinetten verwandelt sich zur Auktion in einen grossen weissen Raum mit flankierenden Seitenschiffen; eine ebenso grosse Kellerebene dient als Magazin. Drei schmale hochformatige Fenster gewähren den Ausblick Richtung Südwesten auf den Park und auf die Altstadt von Bern. Gegenüber dem hellen Naturstein der historistischen Villa wählten Diener & Diener für die Aussenverkleidung des Anbaus Kupfer, das an der Saalfront in Form von Wellblech Anwendung fand und damit den Charakter eines Zweckgebäudes unterstreicht.

Kunstschuppen auf dem Dorf

Im ländlichen, zwischen Bern und Thun gelegenen Wichtrach errichteten die Zürcher Architekten Gigon Guyer im vergangenen Jahr ein Galeriedepot für die Galerie Henze & Ketterer. Dieses befindet sich nicht auf dem Grundstück der in einem Wohnquartier untergebrachten Galerie, sondern mitten im Dorf. Dies nicht ohne Grund, denn es handelt sich um einen Zwitter, der zwischen privater und öffentlicher Nutzung oszilliert. Da die bestehende Galerie weiter genutzt wird, fungiert der Neubau einerseits als Galerielager, andererseits können hier Kunstobjekte präsentiert werden. Private Arrangements für interessierte Kunden sind ebenso möglich wie halböffentliche Ausstellungen. Für zeitgenössische Kunst bot die bisherige Galerie weder genügend Raum noch ein geeignetes Ambiente.

Gigon Guyer entwarfen ein Gebäude, das mit seinem Satteldach wie eine grosse Scheune wirkt und damit auf die Nutzbauten der Region verweist. Satteldächer und Dachvorsprünge waren durch die Baugesetzgebung der Ortsbildschutzzone festgelegt, und die Architekten entsprachen den Vorgaben, ohne indes in ein geschmäcklerisch-vernakuläres Bauen abzugleiten. Errichtet wurde eine zweigeschossige Tragkonstruktion aus Beton mit längsgerichtetem Satteldach. Während die Längswände parallel zueinander stehen, sind die Stirnwände unterschiedlich ausgerichtet, so dass sich ein unregelmässiges Parallelogramm ergibt; diese Form erlaubte die optimale Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Grundstücks.

Es handelt sich um ein recht massives Bauwerk: Zu der Betonschale tritt noch eine 20 Zentimeter starke Isolationsschicht, um ein gleichmässiges Raumklima im Inneren zu gewährleisten. Die Fassadenverkleidung aus gekantetem perforiertem Blech wird durch eine davor installierte Hülle gleichsam verdoppelt. Diese nicht tragende, je nach Lichtverhältnis irisierend oder opak wirkende Haut, die den Boden nicht berührt, ist thermisch begründet, da sie die Sonneneinstrahlung auf Fenster und Wände reduziert; darüber hinaus aber vereinheitlicht sie das Gebäude zu einem beinahe kristallin anmutenden Volumen. Eine mittige Tragwand, welche auch die Installationen aufnimmt, gliedert die Innenräume. Östlich lagern sich Nebenräume, Nasszellen sowie Erschliessungskerne an, im Übrigen bleibt das Innere mit seinen weiss getünchten Wänden und Decken ohne Unterteilungen. Je zwei Fenster im Erdgeschoss und im Obergeschoss lassen Licht eindringen - und erlauben den Blick aus dem Kunstraum auf das Dorf.

Umnutzung eines Engadinerhauses

Ein attraktives Domizil hat auch die 2002 eröffnete Galerie Tschudi in Zuoz erhalten. Vor einigen Jahren entschieden sich Ruedi Tschudi und Elsbeth Bisig, das Galeriegeschäft während der Winter- und Sommersaison von Glarus, wo die Galerie Tschudi 1985 eröffnet wurde, nach Zuoz ins Oberengadin auszulagern. Wie die Besucherzahlen beweisen, war die Entscheidung für den neuen Standort richtig. St. Moritz, das mit Dépendancen der renommierten Galerien Grewe und Gmurzynska ein kunstinteressiertes Publikum anzulocken vermag, ist nahe, und über Zuoz thront das Hotel Castell, das von seinen Eigentümern mit zeitgenössischer Kunst ausgestattet und unlängst von Ben van Berkel (UN Studio) aus Amsterdam umgebaut und ergänzt wurde (NZZ 7. 1. 05). Der in St. Moritz ansässige Architekt Hans-Jörg Ruch, der mit seinem Erweiterungsbau des Hotels Saratz in Pontresina auf internationale Aufmerksamkeit gestossen ist, baute die Chesa Madalena im historischen Ortskern von Zuoz für die Zwecke der Galerie Tschudi um.

Seit Jahren schon widmet sich Ruch der Umnutzung alter Engadinerhäuser. Diese bestehen aus einem grossen, offenen Stallbereich mit Heustock und einem massiven, beheizbaren Wohnbereich. Die Überhitzung des Immobilienmarkts im Oberengadin führte dazu, dass die Gebäudehüllen neu unterteilt und unter Verlust der bestehenden Raumstruktur mit Eigentumswohnungen ausgefüllt werden. Ruch hat mit privaten Umbauaufträgen in Madulain und La Punt bewiesen, dass sich Engadinerhäuser heutigen Wohnbedürfnissen anpassen lassen, ohne dass die historische Substanz übermässige Verluste erleidet.

Ein Musterbeispiel seines Vorgehens ist die Galerie Tschudi, bei der Viehstall, Heustock und Dachboden als Kalträume erhalten blieben und als eindrucksvolle Ausstellungsräume für witterungsunempfindliche Arbeiten dienen - unter anderem für einen Steinkreis von Richard Long. Die Keimzelle des Hauses bildet ein massiver Wohnturm aus dem Beginn des 14. Jahrhunderts, der seit dem Umbau durch Ruch wieder deutlich zu erkennen ist. Der Architekt befreite das Gebäude von späteren Einbauten und liess die ursprüngliche Raumsituation erkennbar werden. Bewegt man sich durch die Galerie und die Wohnräume der Galeristen, fasziniert das ständige Wechseln zwischen innen und aussen, zwischen offenen und geschlossenen Bereichen. Nur im obersten Geschoss musste ein grosses Fenster in die Fassade gebrochen werden. Es stellt neben dem Lift die einzige, deutlich sichtbare Intervention von Hans-Jörg Ruch dar.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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