Akteur

Gustav Peichl
* 1928 2019

Von der Erotik des Hauses

Die Berliner Akademie der Künste ehrt ihr Mitglied Gustav Peichl mit dem schönen Band „Die Zeichnung ist die Sprache der Architekten“

13. Juni 2013 - Bert Rebhandl
Dass jedes Haus auch „erogene Zonen“ hat, würde man bei einem Gang durch eine moderne Großstadt nicht sofort bemerken. Doch für Gustav Peichl, den 1928 geborenen österreichischen Architekten, ist es eine Hauptaufgabe in seinem Beruf, diese Zonen zu entdecken oder während des Entwerfens zu finden.

Dabei hilft ihm oft ein einfaches Mittel: die Zeichnung. Der leichte Strich, mit dem der auch als Karikaturist bedeutende Peichl seine Skizzen anfertigt, lässt sich durchaus als erotische Passion begreifen.

Und so ist es nur verständlich, wenn der Materialkomplex, den er kürzlich anlässlich einer stilvollen Ehrung der Berliner Akademie der Künste übergab, eine deutliche grafische Schlagseite hat. 3196 Zeichnungen sind enthalten, daneben nur zwei Kisten mit Schriften.

Peichl ist also kein Theoretiker, jedenfalls kein wortreicher, wie manch anderer in seiner Zunft. Und doch hat er es nun zu einem „Bestandsbildner“ gebracht - so nennt man das, wenn jemand Archiven etwas hinterlässt, worüber sich dereinst Historiker und Interpreten die Köpfe zerbrechen können.

Also zum Beispiel über die erogenen Zonen der PEA-Phospat- Eliminationsanlage in der Buddestraße in Berlin-Tegel, auf gut Deutsch: einer Kläranlage, die auf einer ersten Entwurfszeichnung wie eine auf einem sanften Hügel errichtete Schiffsbrücke aussieht (eine der Laudatorinnen sprach da von „Hammerhai“).

Es war die erste Berliner Arbeit von Peichl, der Entwurf stammt aus dem Jahre 1980, fünf Jahre später stand das Gebäude, das mit seiner nautischen Metaphorik sehr klar und zugleich doch differenziert ist. In Tegel baute er drei Jahre später auch noch ein Wohnhaus, das auf einer ähnlichen Semantik beruht - zwei gewichtige Bauten, die Architekturtouristen an einem Nachmittag schaffen.
Der Berliner Neubau

Es traf sich gut, dass Peichl just rund um ein wichtiges Datum in Berlin war. Die Grundsteinlegung für den historisierenden Neubau des Berliner Schlosses veranlasste ihn noch einmal, seiner „Angst“ Ausdruck zu verleihen, „wie es mit dem Schloss weitergeht“. Zur Erinnerung: Im Jahr 2000 hatte sich Gustav Peichl mit einem Beitrag über Ein Bauwerk der bewegten deutschen Geschichte in der „FAZ“ zu Wort gemeldet und eine Position bezogen, die den inzwischen abgerissenen Palast der Republik (das zentrale Gebäude der DDR) in die Überlegungen miteinbezog.

Nun wollte er im Detail nicht mehr darauf eingehen, ließ aber mit einer Bemerkung doch durchklingen, wie er zu manchen Berliner Prestigebauten steht: Die Hauptstadt „hat ein großes Problem mit dem Maßstab“. Einen Kollegen nahm er davon namentlich aus: Axel Schultes. Dessen Kanzleramt komme zwar keineswegs dezent daher, die Flagship-Anmutung desselben werde allerdings durch interessante Gliederungen und elegante Eingliederung in den Großraum des Regierungsviertels gemildert.

„Checks and balances“, das würde man mit Blick auf die Demokratie sagen, die sich hier repräsentiert und der Gustav Peichl durch eine Ehrenerklärung an seinen Bauherren und Freund Helmut Kohl eine weitere Reverenz erwies.

Die Akademie der Künste honorierte den neuen Bestand und ihr verdienstvolles Mitglied mit einem schönen Band „Die Zeichnung ist die Sprache der Architekten“. Gustav Peichl spricht diese Sprache besonders verständlich.

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