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Orte der Besinnung
Neue Zürcher Zeitung

Junge Schweizer Architekten

Arbeiten von Pascale Guignard und Stefan Saner

7. Mai 2004 - Peter Omachen
Auf den ersten Blick sind sie unauffällig. Doch genaueres Hinsehen lohnt sich bei den Bauten, welche die Zürcher Architekten Pascale Guignard und Stefan Saner bis anhin ausgeführt haben: Im Inneren dieser Werke öffnen sich faszinierende Welten, die von raffinierten Raumfolgen und eindrücklichen Lichträumen geprägt sind.

Den beruflichen Durchbruch erzielten Pascale Guignard und Stefan Saner 1997 mit ihrem aus über 300 Projekten ausgewählten Wettbewerbsbeitrag für einen «Ort der Besinnung» an der Schweizer Nord-Süd-Autobahn. Im Hinblick auf das 150-Jahr-Jubiläum der Bundesverfassung konnten die beiden dann ihr aufsehenerregendes Erstlingswerk als zeitgemässe Interpretation einer Wegkapelle an der Raststätte der Gotthardautobahn im Urner Talboden realisieren. Ein ummauertes Geviert grenzt den vom geschäftigen Treiben etwas abgerückten Ort von seiner Umgebung ab. Auf der stilleren Flussseite zur Reuss hin bleibt das Geviert ummauerter Hof, zur stark befahrenen Autobahn hin erhebt sich ein schützender Würfel über den Umfassungsmauern.


Intensität und Leuchtkraft

Die grossen Öffnungen im Betonraster der Würfelwände sind mit grünen und braunen Altglasscherben gefüllt, die tagsüber das einfallende, nachts das abstrahlende Licht brechen. Mit Sorgfalt und Enthusiasmus haben die beiden Architekten die aufwendige Herstellung der Farbglasfenster selber entwickelt und überwacht. Der daraus resultierende Innenraum ist von beeindruckender Intensität und Leuchtkraft. Der ihn umhüllende Baukörper steht sperrig und selbstbewusst an der Raststättenausfahrt, die von diesem scheinbar zu einer Biegung gezwungen wird - ganz so, als stünde die Kapelle hier schon seit jenen Zeiten, als noch ein Saumpfad vorbeiführte.

Die Zürcherin Pascale Guignard und der Basler Stefan Saner, geboren 1969 und 1965, haben an der ETH Zürich studiert und anschliessend in verschiedenen namhaften Schweizer Architekturbüros gearbeitet - unter anderem bei Herzog & de Meuron. Seit der Gründung ihres gemeinsamen Büros im Jahre 1997 konnten sie ausser dem Ausschreiben für die Urner Autobahnkapelle weitere Wettbewerbe für sich entscheiden und verschiedene Bauten ausführen. Bemerkenswert ist die Sanierung und Erweiterung von Primarschule und Kindergarten Heubeeribühl in Zürich. Die einstmals schmucke Fünfziger-Jahre-Architektur, als eingeschossige Pavillonschule in einen sanft abfallenden Hang integriert, war im Lauf der Zeit durch zwei unsorgfältige Anbauten entstellt worden. Guignard und Saner verstanden es, beim 2002 abgeschlossenen Umbau durch eine Neuorganisation und Neugestaltung des Erweiterungstraktes dem Gebäudekomplex eine neue Identität zu verleihen. Dabei blieb der denkmalgeschützte Originalbestand in seiner Substanz und seinem Ausdruck erhalten, während der erneuerte Bereich sowohl als eigenständiges Element als auch als Teil eines Ganzen gelesen werden kann. Das plastisch verformte Dach etwa reagiert mit seinen schräg abfallenden Trauflinien auf den leichten Knick im Grundriss des Kernbaus; die Fensteranordnung ist eine raffinierte Neuinterpretation der bestehenden Regeln.

Die subtile Herangehensweise des Architektenduos manifestiert sich auch in den beiden 2003 vollendeten Zürcher Mehrfamilienhäusern an der Altstetterstrasse 278 und an der Blümlisalpstrasse 6. Beide Neubauten zeichnen sich durch individuelle, bisher nicht gesehene Grundrisse aus, die präzise auf die lärmbelasteten und aussichtsarmen Standorte reagieren. Von aussen und in ihrer Konstruktion unauffällig, überraschen die Häuser im Inneren durch aussergewöhnliche Raumfolgen und faszinierende Lichtführungen. Vor allem das Zenitallicht in sonst weitgehend geschlossenen Räumen wird in verschiedenen Bauten und Entwürfen immer wieder thematisiert und führt zu Raumerlebnissen von grosser Intensität. Es mag daher kein Zufall sein, dass Guignard und Saner gerade im heute eher selten zum Zug kommenden Sakralbau erfolgreich sind.


Strahlender Kirchenraum

Mitte Juni 2004 werden die Stimmberechtigten der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Dornach über die Realisierung eines neuen Kirchgemeindezentrums nach dem Projekt von Guignard und Saner entscheiden. Der Entwurf ist aus einem offenen, zweistufigen Wettbewerb hervorgegangen. Vorgesehen ist ein zweigeschossiger Baukörper, der auf dem weiträumigen Gelände zwischen Strasse und Pfarrhaus geschickt in das abfallende Terrain integriert ist. Auf der Eingangsseite gegen den neuen Kirchplatz hin gibt sich die Architektur mit Freitreppe, Portikus und Giebelfront in feinen, aber unmissverständlichen Anspielungen als Sakralbau zu erkennen. Auf der entgegengesetzten Seite des Pfarrhauses, ein Geschoss tiefer, entsteht ein intimer Hof, auf den sich der grosszügig befensterte Mehrzweckraum im Sockelgeschoss öffnet. Den Kern der Anlage bildet der darüber liegende, unterteilbare Kirchenraum. Er wird, mit Ausnahme eines kleinen Rundfensters beim Taufbecken, ausschliesslich von oben belichtet. Die schräg gestellten, im Hohlraum der Dachkonstruktion integrierten Lichtschächte versprechen erneut einen geheimnisvollen, in sich gekehrten Raum von grosser Intensität und Leuchtkraft.


[Guignard und Saner stellen ihre Arbeiten am 12. Mai um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich am Neumarkt 15 vor.]

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