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Ja, mach nur einen Plan . . .
Ja, mach nur einen Plan . . ., Foto: Leopold Dungl
Ja, mach nur einen Plan . . ., Foto: Robert Deopito
Spectrum

Die Qualität eines Wohnbaus hängt vom Architekten ab. Sollte man meinen. Freilich: Der Bauträger hat auch einiges mitzureden. Anmerkungen am Beispiel zweier neuer Wohnbauten von Leopold Dungl.

Die Qualität eines Wohnbaus hängt vom Architekten ab, sollte man meinen. Wie gewichtig ist, was der Bauträger dabei mitzureden hat, das sehen bestenfalls die Eingeweihten. Wenn man sich die jüngsten beiden Arbeiten von Leopold Dungl anschaut, dann wird einem das besonders deutlich vor Augen geführt. Hier ein relativ kleines Eckhaus in der Antonigasse im17.Wiener Gemeindebezirk, 26 Wohnungen; da eine Ver- und teilweise sogar Überbauung des Remisenareals in Erdberg, also rund um das Wiener Straßenbahnmuseum, 106 Wohnungen. Ersteres für die Gesiba, Letzteres für die GWSG.

Der Unterschied in der Ausführung, in der Detailqualität ist frappierend. Leopold Dungl ist unter den Wohnbauarchitekten sicher einer, der seine Aufgabe nicht nur einfach ernst nimmt, sondern mit besonderer Sorgfalt behandelt. Dass die Wohnanlage in Erdberg �eigentlich� von ihm stammt, merkt man trotzdem nur an der konzeptuellen Lösung, an gewissen Details, die zwar da sind, aber von der Ausführungsqualität her weit unter dem Niveau liegen, das man von ihm gewohnt ist.

Das Bauvorhaben umschließt das Straßenbahnmuseum, ist von bestehenden Wohnhäusern durchsetzt, also zergliedert. Und was man auf den ersten Blick sieht: Die Chance, das Areal mit der Remise, mit dem Straßenbahnmuseum öffentlichkeitswirksamzu entwickeln, die wurde verschenkt.

Dungl hatte mit enormen Trakttiefen zu kämpfen, er wählte letztlich die unangestrengteste Lösung: eine Mittelgangerschließung. Die ist aber so durchgeplant, dass das Raumklima trotzdem stimmt: Zuluftschlitze und Abluftkamine sorgen für beste atmosphärische Qualität. Und er hat die sehr eingeschränkten Möglichkeiten, auch den Wohnungen, die an der Straße liegen, einen Freiraum zuzuordnen, immerhin so genutzt, dass daraus sogar ein Gewinn für das Straßenbild resultiert. Er hat Loggien � nur eineinhalb Meter tief, mehr war nicht erlaubt � scheinbar willkürlich über die Fassade �gestreut�. Das bringt einen erfrischenden Touch in das eher triste Einerlei der Umgebung. Und an der Erdbergstraße, wo die Bebauung sozusagen in einem abgeschnittenen Spitz endet, hat er diese schmalste Gebäudeseite � ebenfalls durch Loggien � besonders plastisch artikuliert.

Trotzdem wird man nicht froh, wenn man sich das alles ansieht: Da gibt es zum Beispiel einen zweigeschoßigen, überbauten, also wettergeschützten Freibereich an der Dietrichstraße, aber es ist so schrecklich, wie er möbliert ist, dass man einfach nur wegsehen möchte. Und die Sonnenkollektoren, ebenfalls auf diesem Gebäudeteil, stören die Silhouette so entscheidend, dass man daraus nur schließen kann, sie wurden vom Architekten nicht integriert, sie sitzen irgendwie drüber, drauf.

Wie das kommt? Leopold Dungl war, um es so auszudrücken, wie es wahrscheinlich gewesen ist, Leopold Dungl war gerade gut genug dafür, die Einreichplanung zu zeichnen. Dann hat der Generalplaner das Heft in die Hand genommen. So etwas geht heutzutage ganz leicht: Man muss einem eher kleinen Büro wie dem von Leopold Dungl nur so enge Termine setzen, dass es damit in der bestehenden personellen Besetzung nicht zurechtkommen kann. Alles andere folgt ganz von selbst. Das ist schon traurige Praxis.

Beim Wohnhaus in der Antonigasse hatte es das Büro dann besser. Da war es wirklich möglich, nicht nur ein Konzept, sondern auch seine Materialisierung entsprechend umzusetzen. Das Haus liegt an einer interessanten Stelle im Stadtgebiet. Es gibt hier nämlich ein ziemlich starkes Gefälle im Gelände. Nach oben, Richtung Westen, sieht man gerade noch die letzten Ausläufer des Wienerwaldes, hinunter zu blickt man über die Stadt.

Dungl hat die Nordseite seines kleinen Eckhauses zum Straßenraum ziemlich geschlossen, es ist eine konventionelle Lochfassade. Die Ecke � im Erdgeschoß mit Geschäft und dem Hauseingang � ist dafür mit Balkonen recht expressiv formuliert. Und an der Westseite ist eine Laubengang-Erschließung angeordnet, die zwar wettergeschützt, aber doch Außenraumist.

Das Haus umschließt einen � nicht sehr großen � Innenhof, zu dem die Wohnbereiche orientiert sind. Hier stehen auch sehr schöne alte Bäume. � In dieser Lage, mit dieser Orientierung 26 Wohnungen unterzubringen, das war schon ein kleines Kunststück. Dungl hat auch alles ausgenutzt, was das Gelände hergegeben hat. Das spürt man sogar noch in der Tiefgarage, deren oberes Deck halbgeschoßig aus der Erde schaut. Alles ist irgendwie dicht an dicht, wiewohl der Architekt jede Möglichkeit nutzt und selbst ins Stiegenhaus durch einen Lichtschlitz von oben bis ganz unten noch einen Hauch Tageslicht holt.

Trotzdem halte ich das Projekt für gewagt. Eine Laubengang-Erschließung an die Westseite, zu einer sehr ruhigen Gasse, zu legen, um den Preis, die Wohnbereiche nach Osten orientieren zu müssen, das entspricht sicher nicht ganz den üblichen Wohnerwartungen. Denn wirklich attraktiv ist der Innenhof nicht. Und vom Ausblick über die Stadt hat man halt doch nur in den obersten Geschossen etwas.

Außerdem treffen bei diesem Haus sehr viele und auch sehr disparate formale Elemente zusammen. Die konventionelle Lochfassade auf der einen Seite, die höchst signifikante Plexiglas-Verkleidung des Laubengangs auf der anderen, dazwischen die plastischen Elemente der Eckbalkone, bei denen übrigens ein Ausführungsdetail in den Bodenplatten nicht wirklich geklappt hat. Zu all dem kommen dann in der Dachebene noch weit ausladende Vordächer vor den Dachgaupen, also ein weiteres, sehr starkes plastisches Element.

Die Gegend mit ihrem architektonischen Einerlei verträgt schon einen deutlichen zeitgenössischen Akzent. Das lässt sich nicht bestreiten. Bei diesem Haus, das ja ziemlich klein ist, prallt freilich sehr vieles aufeinander. Und es fügt sich im Endeffekt nicht zu einem angenehm selbstverständlichen Ganzen, wie es von einer Bauaufgabe wie dem städtischen Wohnbau zu erwarten wäre.

Schön, dass Dungl all das machen konnte. Und es ist in fast jedem Ausführungsdetail um Klassen besser, als in der Wohnanlage Remise. Aber in formaler Hinsicht ist hier die Grenze zur Überfrachtung fast überschritten. Und die generelle Frage, ob ein Laubengang im Westen und Wohnräume im Osten vertretbar sind, die muss man überhaupt offen lassen. Man könnte sie nur mit einem Gegenentwurf ohne Laubengang beantworten.

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