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Plastik mit Maserung
Der Standard

Jasper Morrison über Dekoration, Ironie und tiefere Bedeutung

19. Juni 2004 - Stephan Hilpold
der Standard: Herr Morrison, ich würde mit Ihnen gerne über Dekoration reden.
Morrison: Über Dekoration? Glauben Sie, dass ich da ein Experte bin?

Ich würde sagen, Sie sind der perfekte Anti-Experte.
Na dann, versuchen wir's mal.

Also, brauchen wir Dekorationen?
Na ja, ich habe das Gefühl, dass Dekorationen nur dafür da sind, um die Leere eines Objekts zu überspielen. Ist eine Teekanne schlecht designt, dann macht man einige Blumen drauf. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die in der Lage sind, Dekorationen neu zu interpretieren, zum Beispiel Alessandro Mendini oder die Bouroullec-Brüder. Ich könnte das nicht.

Wie würden Sie Dekoration definieren?
Dekoration bringt etwas in die Atmosphäre eines Raums, das ihn reicher macht. Aber leider klappt das selten. Normalerweise sind Dekorationen eine ziemlich schlimme Sache.

Ein berühmter Essay von Adolf Loos heißt „Ornament und Verbrechen“. Dieser Titel scheint Ihnen aus dem Herzen zu sprechen. Ich habe diesen Essay während meiner Studienzeit gelesen, und auch wenn Loos' Ansichten etwas exzentrisch sind, ich war sehr fasziniert von ihnen. Ich bin Loos auch heute an diesem Punkt sehr nahe.

Würden Sie es je über sich bringen, ihre Designobjekte mit, sagen wir, Blumen zu dekorieren?
Ziemlich unwahrscheinlich. Ich könnte das vor mir selbst nicht rechtfertigen. Das Maximum für mich war, als ich ein Produkt von Magis, ein Vogelhäuschen aus Plastik, mit einer Holzmaserung dekorierte. Ich habe das mit einer großen Portion Ironie gemacht. Das Objekt hätte ohne diesen Gestus von Dekoration zu seriös gewirkt.
Das hört sich an, als ob Sie regelrecht Angst vor allem Ornamentalen hätten.
Nun ja, als Kind reiste ich häufig mit meinen Eltern durch Frankreich und da musste ich mir ständig gotische Kathedralen anschauen. Damals entwickelte ich eine Abneigung gegen gotische Architektur. Das könnte etwas damit zu tun haben. Die andere Sache ist meine englische Herkunft. Ich wuchs in London auf, und viele Inneneinrichtungen meiner Kindheit waren, wie auch in Österreich, sehr dunkel und mit Stoffen überzogen. Da waren überall Vorhänge und Teppiche, selbst Lehnstühle waren doppelt und dreifach überzogen.

Derzeit konstatiert man einen Trend hin zu barocker Überfülle, siehe die letzte Mailänder Möbelmesse. Wie erklären Sie sich das?
Für mich ist das ein Modephänomen, unglücklicherweise auch für den Designer, der damit anfing, Tord Boontje. Er wird jetzt überall kopiert. Bei den Bouroullecs geht das weniger einfach, man kann sie nicht kopieren, ohne sie ganz zu kopieren.

Könnte man diesen Trend nicht als Gegenreaktion auf eine immer funktionaler gestaltete Welt interpretieren?
Es gibt viele Menschen, die eine größere Wärme suchen, das stimmt. Würde man sich nur mit Morrison-Möbeln einrichten, dann wäre das wohl eine sehr karge Geschichte.

Könnten Sie sich vorstellen, in einem nur von Ihnen eingerichtetem Haus zu leben?
Nein, das wäre zu trocken, zu einseitig.

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