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Tanz aus Glas
Spectrum

Selbst in der städtebaulich so fragwürdigen Wienerberg-City lassen sich Gebäude entdecken, die zur feinen zeitgenössischen Architektur zählen: zwei „City-Lofts“, der eine von Cuno Brullmann, der andere von Delugan-Meissl.

27. November 2004 - Liesbeth Waechter-Böhm
Langsam nimmt sie Gestalt an, die sogenannte „Wienerberg-City“ an der Ausfahrt Triester Straße, im Süden der Stadt, gleich bei den Twin Towers. Die Hochhäuser (Coop Himmelb(l)au, Delugan[*]Meissl, Albert Wimmer) stehen schon da, die niedrigeren Bauteile im Vorfeld, also Richtung Süden, sind teilweise fertig. Sie werden im großen Schwung durch die neue Herta-Firnberg-Straße erschlossen. Hier herrscht, bei aller Dichte, immerhin so viel Großzügigkeit, dass auch Grünräume möglich wurden. Trotzdem wird man des städtebaulichen Masterplans von Massimiliano Fuksas einfach nicht froh, rund um die Hochhäuser, also im nördlichen Teil dieses Stadterweiterungsgebietes, ist die Dichte eindeutig zu groß. Auch die beste Architektur kann hier keine Stadträume „retten“. Was sich atmosphärisch im Inneren der unteren Geschoße abspielt, möchte man am liebsten gar nicht sehen.

Nun lassen sich auch in einem problematischen Städtebau Gebäude entdecken, die für sich genommen interessant sind. Das gilt auf dem Wienerberg besonders für die Häuser von Cuno Brullmann und Delugan[*]Meissl. Es sind gewissermaßen Schwestergebäude, in der Dimension annähernd gleich und im ersten Obergeschoß, einem reinen Bürogeschoß, durch eine gläserne Brücke verbunden. Für beide Häuser galten gewisse Vorgaben: In der erdgeschoßigen Sockelzone sollten auch Sondernutzungen wie Geschäfte, eventuell Gastronomie und ein Kindergarten (Delugan[*]Meissl) Platz finden, es sollte ein richtiges Bürogeschoß geben und in den acht Obergeschoßen ein spezifisches Raumangebot umgesetzt werden, das Wohnen und Arbeiten miteinander verbindet.

Die verkaufsstrategische Worthülse dafür: City-Lofts - offenbar eine „neudeutsche“ Begriffsbildung. Denn was ein Loft ist, wissen wir: eine Gewerbeetage, begrenzt durch vier Wände - und sonst nicht viel. Das macht ihren Wert aus, dadurch lässt sie sich vielfältig nutzen. Davon kann weder bei Cuno Brullmann noch bei Delugan[*]Meissl die Rede sein. Ihre City-Lofts sind alles andere als horizontal organisiert, sie bestehen aus einem äußerst komplexen, vertikal verschachtelten Raumangebot - immer in Verbindung mit einem Freibereich, sei es in Form von Loggien oder von Terrassen.

Die Architekten haben einen Planungsaufwand in ihre Häuser investiert, der seinesgleichen sucht. Da gleicht kaum eine Einheit der anderen - von der Garçonnière bis zur Mehrpersonen-Wohnung -, es wird ein Raumspiel getrieben, das immer individuell zuschaltbare, womöglich auch separat nutzbare Arbeitsräume einschließt.

Nach außen bieten beide Häuser ein Erscheinungsbild, das man zur feinen zeitgenössischen Architektur zählen kann. Das überrascht bei Delugan-Meissl nicht, sie haben auf diesem Gebiet längst ihre Lorbeeren verdient. Selbst für einen großzügigen Freibereich nach Norden hin, eine „Esplanade“, die gärtnerisch und künstlerisch bemerkenswert von der Tochter des verdienten Bauträgers Wilfried Kallinger gestaltet wurde, haben sie eine Fassade mit Esprit entwickelt. Da tanzen L-förmige Verglasungen so beschwingt über die Fassade - und ermöglichen Ausblicke und Belichtungen -, dass es eine Freude ist. Aber auch bei Cuno Brullmann ist die Nordfassade besonders interessant. Sie bildet vielleicht noch deutlicher ab, was drinnen Sache ist: Ein vertikales Glasband begleitet die Haupterschließung, dunkle, vorspringende Elemente akzentuieren einzelne Raumeinheiten.

Cuno Brullman war uns gewissermaßen ein solches Gebäude schuldig. Immerhin hat er die Wohnbau-Professur an der Technischen Universität Wien bekommen, ohne je einen Wohnbau gebaut zu haben. Mit diesem Haus löst er ein, was als Versprechen schon lang im Raum stand. Und er hat es gut gemacht. Seine silberne Südfassade mit der großzügigen Loggienschicht davor setzt ein Signal. Und Delugan-Meissl nehmen dieses Signal auf und interpretieren es - mit einer schwarz bedruckten, mäandrierenden Litexverglasung vor ihren Loggien und Terrassen. Da kommt so etwas wie konzertierte Wirkung auf. Und es wundert einen nicht, dass der Bauträger, der beide Häuser zu verantworten hat, Wilfried Kallinger heißt. Auf sein Konto gehen viele ambitionierte Bauten in Wien.

Hinter all diesem Planungsaufwand steckt der Wille, ein Wohnungsangebot zu schaffen, das in Zeiten, in denen der nackte Wohnungsbedarf weitgehend befriedigt ist, zum Spezifischen fortschreitet. Und über allem schwebt der Gedanke des Teleworkings, eine Zukunftsvision, die den effizienten, singulär agierenden Computerarbeiter im Auge hat, den es heute in der Mehrzahl wohl noch nicht gibt. Und so werden die zuschaltbaren Arbeitsräume wahrscheinlich eher als Gästezimmer, wenn nicht überhaupt im Wohnungsverband genützt. Es ist eine Perspektive, die mit solchen Bauvorhaben frühzeitig durchgespielt wird. Das ist das Gute daran.

Das Schlechte ist, dass die gesamte Wienerberg-City städtebaulich so fragwürdig ist. Eigentlich hat nicht einmal diese Doppelhaus-Konzeption eine Begründung. Da könnten genauso gut zwei beliebige Häuser nebeneinander stehen. Und dass das gesamte Quartier so schlecht an den öffentlichen Verkehr angebunden ist, gibt einem in Bezug auf die Stadtplanung zu denken. Ein Bus, auch im kurzen Takt geführt, reicht für ein solches Stadtviertel nicht aus. Vor allem, wenn man bedenkt, dass hier unglaublich viele Menschen arbeiten (Twin Towers), dass es ein Kino-Center gibt und ein Entertainment-Center gebaut wird.

Wir müssen unseren Städtebau generell überprüfen. So wie er in den letzten ein, zwei Jahrzehnten umgesetzt wurde, basiert er offensichtlich auf reinen Verwertungsinteressen. Wäre es nicht Aufgabe der Stadt Wien, solchen Entwicklungen entgegenzusteuern?

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