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Wenn Architektur zum Feindbild wird
Oberösterreichische Nachrichten
5. Juni 2003 - Romana Ring
Wer kennt sie nicht, die Schandflecke der Ortschaften, die ihre Besitzer zu Außenseitern der Gemeinde stempeln und manchen Bürgermeister in peinlichen Erklärungsnotstand bringen. Nein, gemeint sind nicht die schmucken Eigenheime, deren durch niedrige Grundstückspreise kompensierte Abgeschiedenheit prompt und auf Kosten der anderen mit der nötigen Ausstattung an Straßen und Ver- respektive Entsorgungsleitungen nachgerüstet wird. Auch nicht die Burgen, die mangels budgetärer Planung unvollendet oder infolge ehelicher Spannungen verwaist als Ruinen der Moderne Zeugnis unserer Gesellschaft geben. Denn so lange man den von Baumärkten, Sparkassen und Stammtischen festgelegten Formenkanon nicht verletzt, braucht man um sein Ansehen - jedenfalls als Bauherr - nicht zu bangen. Ökologisch, ökonomisch, ja womöglich noch ästhetisch nachhaltig zu bauen, das ist eine Forderung, zu der sich kaum jemand versteigt. Aber sich anpassen, das wird man doch wohl können! Und wehe dem Menschen, der im Namen der Freiheit auf den Schutz eines geneigten Ziegeldaches verzichten wollte.

Im Rahmen des Festivals der Regionen, das heuer unter dem Motto „Die Kunst der Feindschaft“ steht, lädt deshalb die Gruppe 4fff - „Vier Frauen (Gabriele Heidecker, Edith Karl, Uli Matscheko-Altmüller, Veronika Müller) fahren fort“ - das interessierte Publikum ein, sich zu gebauten Feindbildern in Oberösterreich und im angrenzenden Salzburger Land aufzumachen. Fünf durchwegs private Bauten können besichtigt und die heiter bis wolkigen Entstehungsgeschichten aus dem Munde der Bewohner vernommen werden.

So konnte das derzeit in Bau befindliche Atelierhaus in Waizenkirchen der anytime architekten (Linz) erst nach medienwirksamen Aktionismen des Bauherrn, wie einer Geiselnahme von Gartenzwergen und dank juristischer Unterstützung beim Durchlaufen aller Instanzen verwirklicht werden. Bei der Planung eines Sommerhauses in Buchberg am Attersee mussten die Architekten Riepl/Riepl (Linz) den Kompromiss eines leicht geneigten Satteldaches anstelle des gewünschten Flachdaches eingehen, um eine Baugenehmigung zu erwirken. Auch der Besitzer eines Badehauses in Weyregg am Attersee der Architekten Luger/Maul (Wels) brauchte einen langen Atem bis zur Genehmigung seines Gebäudes. Ein Einfamilienhaus in Wartberg ob der Aist von Andrea Reichhold (Wels) wurde seitens der Behörde überhaupt nur bewilligt, weil Nachahmungstäter in dem bereits verbauten Gebiet nicht befürchtet wurden.

Zu guter Letzt führt die Tour ein wenig aus Oberösterreich hinaus: das Einfamilienhaus in Seekirchen am Wallersee von Franz Grömer und Johannes Ebner ist eine Reise wert. Haben sich die Architekten doch der - im Bebauungsplan nicht festgehaltenen! - Forderung der Behörde nach einem Satteldach gebeugt, indem sie kurzerhand das ganze Haus in eine Schalung aus Lärchenlatten gesteckt haben, welche den einfachen, selbstverständlich flach gedeckten Baukörper in das gewohnte Häuschen-Schema bringt. Natürlich regnet es ganz ungehemmt durch das steile Dach: ein Umstand, der wie sein Verzicht auf alle Vorsprünge einer feinen Ironie nicht entbehrt. Doch hat man diese den Gewinnern des Salzburger Landesenergiepreises 2002 in Waizenkirchen inzwischen schon verziehen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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