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Durch Transparenz Epochen getrennt und verbunden
Oberösterreichische Nachrichten
30. Januar 2003 - Romana Ring
In Linz ist noch Platz! Vergleichsweise günstige Grundstückspreise in den Gemeinden des näheren oder auch weiteren Umlandes, großzügige Förderungen und die ungebrochene Bereitschaft der Allgemeinheit, dem Einzelnen technische Infrastruktur für ein Butterbrot zur Verfügung zu stellen, sind stärkere Motive für die Stadtflucht als ein tatsächlicher Mangel an Entfaltungsspielraum in der Stadt.

Das Linzer Architekturbüro Haller/Haller legt den Schwerpunkt seiner Arbeit seit langem in das Aufspüren von Feldern, die eine nachträgliche Verdichtung der Stadt ermöglichen. Sie sprechen damit ein Publikum an, dessen Wunsch nach einem eigenen, nicht zu klein bemessenen und qualitativ hochwertigen Heim in Verbindung mit einem Stück privatisierter Natur nicht automatisch an die Vorstellung gekoppelt ist, dieses Eigentum zu Fuß umrunden zu können. Und welches den morgendlichen Stau gern gegen die fußläufige Erreichbarkeit zentraler Einrichtungen sowie das Mähen von 800 Quadratmetern Wiese willig gegen die Pflege einiger Rosenstöcke tauscht.

Eine Liegenschaft in der Höchsmannstraße/Ecke Güntherstraße in Linz/Urfahr hat die Gelegenheiten geboten, durch simples „Zusammenrücken“ die Nutzung bestehender Standortqualitäten um ein Vielfaches zu steigern. Haller/Haller haben das vorgefundene Gebäude - ein solides zweigeschossiges Haus aus den Jahren um 1900 -, dessen massiver Steinsockel und von Rundbögen begrenzte Loggien an der nordwestlichen Ecke so gut an den Fuß des Pöstlingberges passen, im Charakter nicht verändert. Mit der roten Färbelung des Putzes sowohl die Massivität der Mauern als auch die bieder-romantische Ästhetik des Hauses unterstreichend, haben sie sich damit begnügt, im Inneren für zeitgemäße Wohnungen zu sorgen. Neu ist die Zufahrt an der Nordostseite, welche die Tiefgarage erschließt.

Im Süden wurde dem alten Haus ein zweites zur Seite gestellt, welches unter Ausnutzung des leicht abfallenden Geländes auf drei Ebenen bewohnt werden kann. In der Kubatur dem Altbau etwa angeglichen, ist es dennoch leicht als eine zweite, spätere Bauetappe zu erfassen. Denn anstelle des mächtigen Walmdaches findet sich hier ein um Terrassentiefe zurückgesetztes, flach gedecktes Dachgeschoss. Und der hellen Putzfassade ist straßenseitig eine filigrane Metallkonstruktion vorgesetzt, welche den großflächigen Verglasungen als Sonnenschutz und Putzbalkon dient. An der südlichen Stirnseite greift der Vorbau mit Loggien weiter in den Raum. In Verbindung mit dem als Kinderspielplatz eingerichteten Garten sind somit allen Wohnungen geschützte und zudem unterschiedlich ausgeformte Außenräume zugeordnet, welche die Sehnsucht der Städter nach einem nicht allzu heftigen Dialog mit der Natur befriedigen.

Den Abstand zwischen den Häusern haben Haller/Haller der Erschließung gewidmet. Ein transparent gehaltener Körper birgt das Stiegenhaus für beide Objekte. In seiner durchsichtigen geometrischen Klarheit hält er die Epochen ebenso säuberlich auseinander wie er sie durch seine Funktion verbindet.

Und über dem Stiegenhaus schwebt, einem Vordach gleich, die schlanke Platte eines Balkons: ein Zeichen, dem durch seine Nutzung einiges an Pathos, jedoch nichts von seiner Deutlichkeit genommen wird.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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