Artikel

Weiche Kugeln und harte Kanten
Neue Zürcher Zeitung

Neue Trends und Gegentrends im internationalen Möbeldesign

4. Februar 2005 - Andrea Eschbach
Sie sehen aus wie einem Manga entsprungen: Die Puppen, Bären und Hunde sind grell pink, gelb und grasgrün. In Japan sind die unförmigen, watteweichen Produkte der Design-Kollektion «Mogu» längst Kult: Über vier Millionen Objekte werden jährlich verkauft. Ihr Geheimnis liegt nicht nur in der Form, sondern vor allem in der Füllung. Denn in einer hochelastischen Elastan- Nylon-Hülle stecken Tausende von Polystyrol- Perlen - gleichmässig 0,5 Millimeter stark, kugelrund und von einer Hartwachsschicht umschlossen. Das Produkt gibt dadurch zwar geschmeidig nach, kommt aber auch sekundenschnell in seine ursprüngliche Form zurück. Trendbewusste Amerikaner haben die leuchtfarbenen Produkte, die es auch als Kissen, Nackenrolle und Hocker gibt, bereits entdeckt. Nun soll «Mogu» auch Europa erobern - von Köln aus. Ein kürzlich eröffneter Concept-Store in der Domstadt präsentiert den japanischen Exportartikel. Mit im Programm sind auch Sitzobjekte, auf denen man wie auf Sand sitzt - weich, bequem und dabei erstaunlich stabil. «Feel conscious», lautet der Slogan. Denn das Design-Accessoire soll positive Gefühle wecken.

Auf einen gefühlsbetonten Lebensstil setzen auch Trendexperten. «New Techromantics» lautet ein Schlagwort der neuen Möbelsaison. Die Produkte sollen Emotionen ausdrücken - in futuristischen Materialien, prägnanten Oberflächen und voluminösen Körpern. Es kann nicht bunt genug sein. Das Konzept gilt als wichtiger als der konkrete Nutzen. Wen das an die siebziger Jahre erinnert, der liegt nicht falsch. Statt der Funktion soll die Form heute wie vor 30 Jahren dem Gefühl folgen - und das möglichst auffällig.

Wie sich die Ästhetik der Flower-Power-Generation in das Jahr 2005 transportieren lässt, zeigt Stefan Diez. Der Münchner Designer kombiniert in seinen «Couch»-Sitzmöbeln für den deutschen Hersteller Elmar Flötotto den die Wohnkultur revolutionierenden Sitzsack «Sacco» von 1968 mit dem klassischen englischen Chesterfield-Sofa. Diez, der bei Konstantin Grcic in die Lehre gegangen ist und als neuer Star gehandelt wird, trifft damit den Zeitgeist. Fester Baumwollstoff umhüllt die mit dem Material «Ergofill» gefüllte Schaumkonstruktion der Sessel, Sofas, Hocker und Bänke. Der Effekt der kleinen Styroporkugeln ist beeindruckend: Das Möbel passt sich an, beult dabei aber nicht aus. Ganz zu Recht kürte die Leitmesse der Möbelbranche, die «imm cologne», im Januar die Kollektion als Sieger des Interior Innovation Award in der Kategorie «Materials Innovation». Auch andere Hersteller setzen auf den Retro-Stil in neuem Gewand. Der niederländische Hersteller Label treibt mit dem umstrittenen New Yorker Designer Karim Rashid die Pop-Art auf die Spitze: Bonbonbunte Plasticschalen und voluminöse Sessel verströmen Siebziger-Jahre-Nostalgie.

Kein Trend ohne Gegentrend - neben Organischem und Buntem, Glanzlack und Rauchglas wartet dieses Jahr auch mit viel Kantigem auf. Der französische Hersteller Ligne Roset bringt ein Möbel auf den Markt, das an die strenge Geometrie des ersten VW Golf erinnert: Ronan und Erwan Bouroullec haben die Sitzmöbelkollektion «Facett» entworfen, die kompakt, eckig und unprätentiös, aber grafisch streng in leuchtenden Farben oder elegantem Schwarz daherkommt. Eckige Formen und gerade Linien findet man selbst bei den dafür wenig bekannten italienischen Herstellern - eine Entwicklung, die wohl auch vom 13. bis 18. April auf dem Salone Internazionale del Mobile in Mailand deutlich zu sehen sein wird. In der neuen Kollektion von Moroso sticht inmitten der schwungvollen Objekte von Ron Arad und Patricia Urquiola das Bücherregal «Pause» heraus: Der Entwurf von Aziz Sariyer, der auf Wabenpaneelen aus eloxiertem Aluminium aufbaut, ist streng geometrisch. Auch MDF Italia setzt auf Lineares. In Bruno Fattorinis Regalsystem «Elevenfive Shelf» tragen Wandpaneele Regale und Hängeschränke mit hochglänzenden Lackfronten - die Rückkehr der Schrankwand in neuer Optik. «Alles wird zeitgenössisch», erklärt Cristina Morozzi. Die Mailänder Designjournalistin, Mitglied des von der Kölner Messe versammelten internationalen «Trendboard», propagiert, dass sich Trends künftig immer mehr vermischen werden: «Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft existieren nicht mehr wie früher.»

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: