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Der Standard

Drei neue Bücher führen durch Kunstmuseen, Wohnhochhäuser und künstliche Naturlandschaften

14. Juni 2002 - Ute Woltron
Wo auch immer Sie in diesem Sommer hinfahren werden - es wird eines dort sein. Ein Kunstmuseum, natürlich. Der globusumspannende Museums-Errichtungs-Wahn, oder vielleicht auch das Geschäft mit Architekturhüllen und fast schon industriell produzierten Kunstinhalten, hat sicher zumindest in der Nähe der Urlaubsdestination eines dieser viel besprochenen und eben tourismusankurbelnden Häuser hingestellt.

Dass es auch sicher von allen gefunden wird, dafür sorgen Touristeninfos und Reise- sowie Kunstführer. Einer davon liegt druckfrisch vor und stammt gewissermaßen von einem der Führer der Führer, von DuMont. Der Band von Frank Maier-Solgk, Die neuen Museen (EURO 25,60, DuMont 2002), stellt 34 solche vor, von Renzo Pianos Baseler Fondation Beyeler - „Seerosen und Debussy“, über Frank Gehrys mittlerweile unvermeidliches Guggenheim-Bilbao - „Ein Walfisch am Rio Nervion“, bis zu Herzog und de Meurons Tate Modern in London - „Power House der Kunst“.

„Die neuen Kunstmuseen“, so schreibt der Autor, „sind attraktive Erlebnisorte geworden, die, inhaltlich in der Regel auf aktuelle Entwicklungen fokussiert, heute die führende Rolle im Kulturbetrieb spielen. Die bildende Kunst hat dem Theater gesellschaftspolitisch den Rang abgelaufen, dessen langsamere Les-bzw. Hörart nicht mehr im Trend liegt.“ Letzteres mag man glauben oder nicht, manche der hier beschriebenen Häuser sind schon nach einer Stunde langweiliger als zum Beispiel Elfriede Jelineks „Sportstück“ nach vier, aber bitte. Insgesamt bietet das Buch einen vorzüglichen Überblick über die neuen Kunstoasen inklusive Grundrisse, Adresse, Internetsite und Öffnungszeiten, also musealer Service total.

Harry Seidlers Wohnpark Neue Donau in Wien ist vollendet, eröffnet, bezogen. Das markante weiße Hochhaus mit der gehörigen Breite und der schmalen Zipfelspitze gibt Wiens föhnig zerfaserter Skyline ein neues Schöpfchen, die Wohnungen drinnen mäandern zwischen okay und sehr in Ordnung.

Dennoch: Das Interessanteste am Wohnpark Neue Donau bleibt sein Architekt Harry Seidler, der sich dem Vernehmen nach selbst ein Apartment in seinem Wien-Projekt genommen hat.

Der Architekt aus Australien wurde in Wien geboren und hat seinerzeit bei Josef Albers und Walter Gropius studiert, mit Marcel Breuer und Oscar Niemeyer gearbeitet. Seidler emigrierte in der NS-Zeit, er fand in Australien eine neue Heimat, die sein gestalterisches Talent zu würdigen wusste. Der Exösterreicher legte down under eine erstaunliche Karriere hin und hat ein paar der interessantesten hohen Häuser Australiens gebaut. Die Rückkehr nach Wien erfolgte auf eine Einladung der Stadt, und ist, wenn schon keine so genannte Wiedergutmachung, so doch eine Wiederannäherung.

Seidlers Wohnpark will die Tradition des sozialen Wohnbaus weiterspinnen, der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg, als der Architekt seine Heimat verlassen musste, internationale Berühmtheit erlangt hatte. Harry Seidler, Wohnpark Neue Donau, Wien, Text von Wolfgang Förster, (EURO 36,00, Verlag Prestel 2002).

Die Landschaftsarchitektur ist ein breites, hochinteressantes Feld, dem man sich medial bis dato zu wenig gewidmet hat, doch das ändert sich jetzt zum Glück langsam. Die Zeitschrift Topos - European Landscape Magazine ist da eine der Vorreiterinnen, die neueste Ausgabe der Edition Topos beschäftigt sich mit Landschaftsarchitektur in Skandinavien, (EURO 37,00, Callwey 2002).

Vorgestellt werden Projekte aus Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen und sogar Island, und die ausführlichen Beiträge sind größtenteils sehr aufschlussreich, ja geradezu spannend, was Historie und Gegenwart der gestalteten Landschaft anbelangt. „Was wir heute als ,typisch finnische' Landschaft bewundern“, heißt es da etwa in einem Artikel Über die Nationalisierung von Landschaften, „ist das Ergebnis bewusster Auswahl und nationalistischer Propaganda.“ Und: „Die Naturlandschaft diente dazu, den angeblichen Pakt zwischen Nation und Natur zu illustrieren, ein Hauptthema nationalistischer Theorien.“ Wer darüber noch nicht viel weiß, sollte weiterlesen, es zahlt sich absolut aus.

Was das zeitgenössische Landschaftsbilden anbelangt, so ist unter anderem die „aktuelle Parkideologie in Dänemark“ nachlesenswert, ebenso Thorbjörn Anderssons Abhandlung über den Zusammenhang von Natur und Artefakt. „Die Kunst der Landschaftsarchitektur“, so meint er, „äußert sich in zwei Qualitäten, dem Gefühl für den Ort und dem Gefühl für die Zeit.“

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