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Solitär, schlecht eingefasst
Neue Zürcher Zeitung

Eine Ausstellung des Architekten Patrick Berger in Paris

In der Schweiz ist Patrick Berger mit dem Neubau der Uefa in Nyon und mit einer Retrospektive in Mendrisio bekannt geworden. In seiner Heimat Frankreich hingegen ist der an der ETH Lausanne tätige Architekt noch immer nur in Fachkreisen bekannt. Eine Ausstellung in Paris soll sein Werk nun bekannter machen.

29. März 2005 - Marc Zitzmann
Der 1947 geborene Pariser Architekt Patrick Berger ist in Frankreich fast nur in Fachkreisen bekannt. Daran haben auch in jüngerer Zeit eine Ausstellung in der Pariser Galerie d'architecture und die Verleihung des letztjährigen Grand Prix national de l'architecture nur wenig ändern können. Und auch die Werkschau, die das Institut français d'architecture und die im Entstehen begriffene Cité de l'architecture et du patrimoine dem Schöpfer jetzt in ihren provisorischen Räumlichkeiten im Palais de la Porte dorée widmen, dürfte den Bekanntheitsgrad des langjährigen Architekturprofessors an der ETH Lausanne nur leicht erhöhen.

Berger ist kein Liebhaber postmoderner Diskurse oder flamboyanter Gesten: Ikonoklastisches Theoretisieren und aufsehenerregende Medienauftritte sind seine Sache nicht. Seine jüngst bei den «Presses polytechniques et universitaires romandes» wiederaufgelegte städtebauliche Studie «Formes cachées, la ville» ist im Tonfall eines hehren, oftmals recht undurchdringlichen Idealismus verfasst. Und auch Bergers Bauwerke mögen auf den ersten Blick nüchtern, ja abweisend wirken: Ihre klassizistische Strenge wird in Frankreich gern «calvinistisch» genannt. Exemplarisch hierfür steht der Uefa-Sitz in Nyon (NZZ 21. 3. 97), an dem sich die Grundelemente von Bergers Vokabular ablesen lassen. Zu nennen wäre etwa die Schichtung klar voneinander abgesetzter identischer Stockwerke, die eine Art «Blätterteigeffekt» zeitigt. Dieser Effekt findet sich auch in dem 2003 vollendeten Gebäude für die soziokulturellen Aktivitäten des Pariser Verkehrsverbunds RATP und dem im Bau befindlichen Hôtel d'agglomération de Rennes-Métropole. Besonders raffiniert wird das Prinzip im Wettbewerbsentwurf für das Musée des civilisations de l'Europe et de la Méditerranée in Marseille umgesetzt: Hier durchbricht eine breite, sich nach oben erweiternde verglaste Spirale vier dünne rechteckige Plattformen, die den Rundbau wie Balkone umlaufen. Stets wird dabei die Vertikalität der einzelnen «Schichten» durch den stark horizontal artikulierten Raster der Fassaden ausbalanciert.

Sodann verschleiern - vor allem in jüngeren Projekten - geschwungene Formen die vorherrschende Orthogonalität und gerät die Symmetrie bisweilen ins «Rutschen». Im Hôtel d'agglomération in Rennes etwa ist der zentrale Versammlungssaal linsenförmig; so auch der für den italienischen Collodi-Park entworfene «Vogelpavillon», dessen elf «Schichten» sich nach oben hin verjüngen. Die Skizzen für den Perinatologie- Komplex des Cochin-Krankenhauses in Paris, ein Wettbewerbsentwurf von 2004, veranschaulichen ihrerseits, wie sich zweimal vier Rechtecke durch Dehnung, Stauchung und Verschiebung zu einem komplex geschwungenen Grundriss verformt haben. Noch andere Merkmale von Bergers Handschrift treten in der Ausstellung zutage: seine Vorliebe für extrem langgezogene, schmale Lichtschächte, der stete Einbezug der Natur - neuerdings auch klimatischer Parameter wie Sonneneinfall oder Luftzirkulation - und die Sorge um städtebauliche Integration, von welcher auch eine Vielzahl urbanistischer Projekte zeugen.

Trotz ihrem Materialreichtum - vier Modelle wurden sogar eigens für den Anlass angefertigt - wird die Schau der Vielschichtigkeit von Bergers nur vordergründig minimalistischem Werk nicht wirklich gerecht. Schöpfer sind selten die besten Vermittler ihrer eigenen Kreationen: so auch hier. Der vom Architekten selbst konzipierten Ausstellung fehlt es an Savoir-faire; die eigenhändig verfassten Kurztexte zu jedem Projekt ermangeln der Genauigkeit, sprachlich wie inhaltlich. Auf den für Berger charakteristischen Umgang mit kostbaren Materialien wird nur ganz am Rand verwiesen; viele Entwürfe vermag man sich nur sehr vage vorzustellen. Punkto Informationsgehalt bleibt der Katalog noch hinter der Schau zurück. Kurz: eine verpasste Gelegenheit, einen kennenswerten Architekten bekannter zu machen.

[ Bis 15. Mai. Katalog: Milieux, Patrick Berger. Cité de l'architecture et du patrimoine, Paris 2005. 184 S., Euro 30.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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